Protokoll der Sitzung vom 12.10.2017

Ähnlich wie Sie, Frau Ministerin, möchte ich vier Punkte an sprechen.

Erstens: Die privaten Akkreditierungsagenturen werden künf tig nicht mehr unabhängig voneinander nach jeweils eigenen Standards Urteile über Studiengänge fällen. Stattdessen steht am Ende des Evaluationsverfahrens immer der Akkreditie rungsrat, der auf Basis klar vorgegebener Kriterien abschlie

ßend entscheidet. Das heißt, die Gleichwertigkeit von Studi enleistungen und Abschlüssen wird jetzt sichergestellt.

Ich denke, das ist absolut im Sinne der Studierenden. Schließ lich brauchen diese nicht nur mit Blick auf mögliche Hoch schulwechsel gleichwertige Studienanforderungen. Vor allem soll ihnen der Hochschulabschluss am Ende eben auch den Berufszugang ermöglichen. Das heißt, potenzielle Arbeitge ber müssen die Qualität des Abschlusses anerkennen, und der Abschluss muss auf dem Arbeitsmarkt mit anderen Abschlüs sen vergleichbar sein. Genau das erreichen wir mit der Ver einheitlichung der Akkreditierungspraxis.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Zweitens: Wissenschaftlicher Sachverstand gibt bei allen fach lichen Fragen des Akkreditierungsverfahrens nunmehr den Ausschlag. So sind etwa die Agenturen bei der Auswahl der Gutachter an das Verfahren der Hochschulrektorenkonferenz zur Einbeziehung fachlich affiner Hochschullehrer gebunden. Auch im Akkreditierungsrat erhält die Wissenschaft bei allen fachlich-inhaltlichen Fragen die strukturelle Mehrheit.

Drittens: Die Hochschulen behalten die primäre Verantwor tung für die Qualitätssicherung in Lehre und Studium. Es sind die Hochschulen, die die Agenturen mit der Evaluation beauf tragen.

Die Hochschulen haben auch das Recht, vor der abschließen den Entscheidung des Akkreditierungsrats gehört zu werden. Sollten Entscheidungen des Rates aus Sicht der Hochschulen trotzdem anders ausfallen und zu beanstanden sein, steht ih nen immer noch der Verwaltungsrechtsweg offen. Auch das stellt der Staatsvertrag nun klar.

Viertens wird die neue Studienakkreditierung – anders als von vielen Kritikern behauptet – nicht zum bürokratischen Unge tüm, ganz im Gegenteil. Die Akkreditierungsverfahren wer den gestrafft. Dank unserer Ministerin soll bei der Akkredi tierung künftig zwischen formalen Kriterien und fachlich-in haltlichen Kriterien unterschieden werden.

Außerdem werden die Verfahren künftig wohl weniger Geld kosten, allein schon deshalb, weil die Agenturen nicht mehr die abschließende Akkreditierungsentscheidung zu treffen ha ben und deshalb ihre Verfahren – so ist es zu erwarten – we niger komplex ausgestalten müssen, was den Aufwand am En de mindert. Auch die Verlängerung der Akkreditierungsfris ten oder der Verzicht auf die Akkreditierung der Agenturen zugunsten eines formalen Zulassungsverfahrens wird am En de Kosten sparen.

Ich kann für die CDU-Fraktion jedenfalls feststellen: Die Richtung des Staatsvertrags stimmt. Bei aller Kritik, die zu hören war, ist es der Landesregierung doch gelungen, gemein sam mit den anderen Ländern – immerhin mit unterschiedli chen Regierungskonstellationen und anderen Studienbedin gungen, als wir sie hier bei uns vor Ort vorfinden – eine län derübergreifende Lösung zu finden.

So können die Gleichwertigkeit der Abschlüsse und ein ein facher Hochschulwechsel sichergestellt werden. Ich finde, das sind wir den Studierenden schuldig. Deshalb wird die CDUFraktion diesem Verfahren zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD-Fraktion er teile ich Herrn Kollegen Dr. Balzer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Durchaus in Eile, in unziemlicher Eile soll hier ein Gesetzentwurf beraten werden. Vom Bundesverfassungsgericht wurde am 17. Feb ruar 2016 das nordrhein-westfälische Landeshochschulgesetz mit dieser Art von Akkreditierungen in Nordrhein-Westfalen für verfassungswidrig erklärt.

Der Gesetzgeber

ich zitiere –

hat die Normierung inhaltlicher und verfahrens- und or ganisationsbezogener Anforderungen an die Akkreditie rung durch die vorgelegte Regelung somit faktisch aus der Hand gegeben, ohne die für die gewichtigen Eingrif fe in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG wesentlichen Entscheidun gen selbst zu treffen. Vielmehr sind dem Akkreditierungs rat wesentliche Entscheidungen überlassen; dieser eröff net wiederum den Agenturen sehr weitreichende Spiel räume.

So heißt es in der Begründung des Beschlusses des Bundes verfassungsgerichts.

Kaum ein Jahr später wird genau dieses verfassungswidrige Landeshochschulgesetz mit minimalen Änderungen auf das gesamte Bundesgebiet ausgeweitet. Jetzt gilt es, sich hier mit dem Warum zu befassen.

Worum geht es? Gibt unser Land mit diesem Akkreditierungs vertrag ohne Not eine wichtige hoheitliche Aufgabe ab? Die neue Rolle der Agenturen ist zu untersuchen. Wenn Organi sationen wie private Akkreditierungsagenturen Geld dafür be kommen, Studiengänge zu verändern, einzuführen, dann wer den sie das auch tun, möglichst oft und möglichst zahlreich. Das Resultat wird sein, dass es immer mehr verschiedene Stu diengänge geben wird: an staatlichen Hochschulen, an privaten Hochschulen und an Dependancen der ausländischen Hoch schulen in Deutschland.

Bündnis 90/Die Grünen haben in ihrem Grundsatzprogramm die Freiheit von Wissenschaft und Lehre vor staatlicher Be vormundung stehen. Deshalb sollten Sie jetzt eigentlich hier besonders wachsam sein. Es ist jedoch zu bemerken, dass die Wachheit nicht mehr vorhanden ist, geistig zu durchdringen, womit wir es hier zu tun haben. Denn Wissenschaft und Leh re werden hiermit nicht von staatlicher Gängelung befreit, sondern werden unter eine andere Gängelung, die Gängelung durch wirtschaftliche Interessen, fallen. Es tritt also genau das Gegenteil dessen ein, was eigentlich beabsichtigt war.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wer garantiert die Objektivität der Akkreditierungsagenturen? Es sind keine Beamten. Sie sind somit von Geldgebern abhän gig. Wer mehr bezahlt, wird schneller anerkannt. 360 Millio nen € sollen allein bis 2012 für Akkreditierungen ausgegeben worden sein. Und wir alle wissen: Wer mehr zahlt, hat auch mehr Freunde – gerade bei den Agenturen.

Der Akkreditierungsrat ist eine Stiftung, und das Ganze spielt sich im schönen Nordrhein-Westfalen ab – wunderbar –, der Heimat der Bertelsmann Stiftung. Hier versucht ein weltweit tätiger Wirtschaftskonzern Einfluss auszuüben, Einfluss auf die Politik, speziell auf die Bildungspolitik.

Ich zitiere: „Kompatibilität mit den auf europäischer Ebene vereinbarten Standards und Leitlinien für die Qualitätssiche rung“ sollte ein Ziel des Vertrags sein. Warum? Waren die deutschen Hochschulen bisher so schlecht? Wozu dann diese Kompatibilität?

Bei der Angleichung von Standards gibt es erfahrungsgemäß – heute ist oft der Begriff Kompromiss gefallen – eine Nivel lierung. Nach unten. Dann wird das Ergebnis sein: Der Exzel lenzstandard der deutschen Hochschulabschlüsse wird nach unten nivelliert. Jedermann weiß – das frage ich an dieser Stel le –: Ist ein rumänischer Ingenieursabschluss vergleichbar mit einem deutschen Ingenieursabschluss? Diesen Exzellenzstan dard möchte man möglicherweise nivellieren.

Worum geht es also in Wirklichkeit? Geht es darum, dass auch bei Ingenieuren und anderen Akademikern das europäische Lohndumping ermöglicht wird? Die europäische Freizügig keit macht es möglich. Mit einer europaweiten Angleichung der Abschlüsse setzt man die Absolventen einem europawei ten Konkurrenzdruck aus. Mancher wird fragen: Ist das schlimm? Die Arbeitgeber – insbesondere die internationalen Konzerne – werden sich darüber freuen.

Wie war es bisher? Der deutsche Ingenieur genoss Weltruhm, die deutsche Industrie ebenfalls. Das eine war ohne das ande re nicht denkbar.

Nun träumen manche – sicher nicht alle – Arbeitgeber davon, sich die Rosinen picken zu können: gute, in Deutschland aus gebildete Ingenieure zum Preis eines europäischen Facharbei ters.

Meine Damen und Herren, wir haben hier Verantwortung für den Bürger, der uns gewählt hat, und für die Zukunft der Kin der. Wir werden negative Auswirkungen nicht zulassen. Wir werden diesen Vertrag sehr kritisch hinterfragen.

Die Kosten der Akkreditierungen sind hoch, ich meine, zu hoch. Je nach Studiengang 10 000 €; das summiert sich sehr schnell. Die Summe von 360 Millionen € erwähnte ich be reits.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, ich bitte, zum Ende zu kommen.

Eine Minute noch, jawohl.

Nein, nicht eine Minute! Einen Satz.

(Heiterkeit)

Einen Satz noch. – Die Akkre ditierungen sollen zudem – es wurde vorhin schon angespro chen – einen Wechsel zwischen Hochschulen ermöglichen.

Doch schon bisher war ein Hochschulwechsel relativ prob lemlos möglich. Ich selbst habe in meinem Studium gewech selt. Das ist also nichts Neues und hat mit der Akkreditierung nichts zu tun. Diese Qualitätsmechanismen sind teuer, aber ineffizient.

Zum Schluss frage ich nach der Legitimation. Gibt es eine de mokratische Legitimation, eine wissenschaftliche Legitima tion? Ich frage: Wird die Freiheit der Lehre, der individuellen Hochschullehre, nicht eingeschränkt? Denn es sollte Konsens sein – –

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, das ist ein langer Satz.

(Abg. Anton Baron AfD: Also, die Schachtelsätze werden immer länger im Plenum! – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Wir können das! – Heiterkeit bei der AfD)

Wissenschaft darf nur den Re geln der Wissenschaftlichkeit unterliegen und nicht wirtschaft lichen Interessen.

Ich danke für das Zuhören.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Frau Kollegin Rolland.

Herzlichen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehr te Damen und Herren! Ich muss jetzt einfach einmal als Re plik auf die Ausführungen meines Vorredners sagen: Seit ich studiert habe, hat sich der Studiengang doch erheblich verän dert. Ich glaube, egal, welchen Studiengang in Baden-Württem berg oder in Deutschland wir auch anschauen, keiner gleicht heute dem wie vor zehn, 15, 20, 25 oder 30 Jahren. Wenn Sie es besser wissen, sagen Sie es mir bitte nachher.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Zahnmedizin!)

Sehr geehrte Damen und Herren, das Bundesverfassungsge richt hat tatsächlich den Ländern ins Stammbuch geschrieben, ein rechtskonformes Gesetz, eine rechtskonforme Regelung für die Akkreditierung der Studiengänge zu schaffen. Die SPD-Fraktion sieht dabei vier Punkte im Akkreditierungsver fahren als wesentlich an: