Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

Gerade – ich habe vorhin das Thema Integration angespro chen – in Zeiten einer verstärkten Zuwanderung wird uns al len vor Augen geführt, wie wichtig es ist, dass Bildung unab hängig von der Herkunft jedem Einzelnen zuteil wird. Je frü her ein Kind entsprechend gefördert wird, desto besser.

Ja, es ist richtig: In Baden-Württemberg gibt es bereits einige Städte und Gemeinden, die den Weg zur Gebührenfreiheit er folgreich beschreiten. Wenn es aber nur finanziell gut situier ten Städten möglich ist, eine gebührenfreie Kita anzubieten, wird es junge Familien noch mehr dorthin ziehen, und genau das wäre der Todesstoß für so manche ländliche Gemeinde. Deswegen brauchen wir eine Gleichbehandlung. Wir brau chen überall im ganzen Land Baden-Württemberg mindestens ein beitragsfreies Jahr im Kindergarten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Mit diesen konkreten Forderungen in meiner Rede konfron tiert, wird an diesem Haushaltsentwurf eines deutlich: Trotz voller Kassen haben Sie nicht nur keinen gemeinsamen Plan für die Zukunft des Landes, schlimmer noch: Sie verschlie ßen an manchen Stellen auch die Augen vor den Sorgen und Nöten der Menschen. Wir von der Opposition und ganz sicher auch die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben immer noch die Hoffnung, dass sich diese Regierung endlich für die relevanten Probleme der Menschen in diesem Land zu inter essieren beginnt.

Ganz im Gegenteil haben wir jedoch den Eindruck, dass die se Regierung abgehoben ist und keinen wirklich Eindruck von der Realität bei den Menschen hat. Wie kann ein Ministerprä sident – er ist leider jetzt nicht da, er hat leider nur den Regie rungsfraktionen zugehört –

(Zurufe der Abg. Peter Hofelich und Gabi Rolland SPD)

des Landes Baden-Württemberg überrascht davon sein, dass für einen Normalbürger die Anschaffung eines Autos eine enorme finanzielle Aufwendung darstellt? Immerhin zeigte sich unser Ministerpräsident davon überrascht, dass die For derung nach Fahrverboten für viele Menschen bedeuten wür de, dass sie mit ihrem Fahrzeug nicht mehr in die Innenstäd te fahren können.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber er hat wenigstens den Diesel gekauft!)

Aber wer erst dann erkennt, dass für die Menschen die Frage des Erwerbs eines Fahrzeugs eine große Ausgabe sein kann, der zeigt mir eines ganz sicher: Das Sein bestimmt eben das Bewusstsein. Und das Bewusstsein in dieser Regierungsfrak tion für die Sorgen und Nöte der Menschen in diesem Land ist nicht vorhanden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

Wir haben eine bestimmte Vorstellung von diesem Land: ein Land, das auf Augenhöhe mit den Kommunen verhandelt und das die wirklichen Sorgen und Nöte der Menschen ernst nimmt.

Eines wird dabei jeden Tag wieder klar: Das Bündnis von Grü nen und CDU ist allein von dem Zweck getragen, die Macht in diesem Land zu verwalten. Eine Idee, wie die Lebenswirk lichkeit der Menschen verbessert werden kann, haben Sie nicht wirklich. Ein Stillhalteabkommen zwischen Kretsch mann und Strobl, die ihre jeweiligen auseinanderdriftenden Lager zu domestizieren versuchen, ersetzt keine moderne Po litik aus einem Guss. Für uns Sozialdemokraten entsteht gu te Politik eben nicht nach Gutsherrenart wie bei Ihnen, son dern von unten nach oben. Der Dreiklang aus Ökonomie, Öko logie und den sozialen Fragen steht dabei im Mittelpunkt.

Eine Politik, die sich diesen Problemen zuwendet, ist die bes te Gewähr dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Lan des ohne Angst und mit Zuversicht in ihre Zukunft gehen. Dies ist das beste Rezept, um die Menschen in diesem Land immun zu machen gegen diejenigen politischen Kräfte, die in der Abgrenzung, in neuen Grenzen und in der Spaltung unse rer Gesellschaft ihr politisches Ziel haben.

Lassen Sie uns gemeinsam die hervorragenden Ausgangsbe dingungen des Landes nutzen, um in eine gute Zukunft für die Menschen zu investieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Für die FDP/DVP-Frakti on erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rül ke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ein letztes Wort in diesem Haus zu Herrn Meuthen:

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Das finde ich jetzt aber überraschend!)

Was von Ihnen in Erinnerung bleiben wird – wahrscheinlich das einzig Nennenswerte –, ist der heutige Ordnungsruf. An sonsten kann ich Ihnen sagen – das gestehe ich Ihnen durch aus zu –: Es ist eine kluge Entscheidung, dass Sie ins Euro päische Parlament gehen. Denn im Europäischen Parlament werden Sie ja der einzige Abgeordnete der AfD sein.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Nicht lange!)

Das hat einen bestechenden Vorteil: Wenn man der Einzige ist, kann man sich schon nicht spalten –

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP sowie Ab geordneten der Grünen und der SPD)

es sei denn, man ist schizophren, Herr Meuthen.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Es geht! Es gibt Krank heitsbilder, die machen das möglich!)

Es sei denn, man ist schizophren; das hatte ich ja gesagt.

Insofern: Alles Gute!

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Es rührt mich!)

Aber am heutigen Tag geht es ja um den Haushalt und um die verehrte Frau Finanzministerin – die am heutigen Morgen et was verspätet zur Sitzung kam.

(Ministerin Edith Sitzmann: Eine Minute!)

Es wurde dann aber trotzdem schon vermutet, Sie würden vielleicht so wie Dagobert Duck im Geldspeicher baden. Sie haben ja in der vergangenen Woche mit einer gewissen Selbst gefälligkeit gesagt: Wer ist nicht gern Finanzministerin in sol chen Zeiten?

In der Tat, Frau Sitzmann, es ist nicht besonders schwierig, in solchen Zeiten Finanzministerin zu sein, in Zeiten solch über bordender Steuereinnahmen, in einer derart günstigen Situa tion. Deshalb haben Sie sich in der vergangenen Woche auch über einen längeren Zeitraum mit dem Thema Sekt auseinan dergesetzt.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sekt? – Zuruf der Ministerin Edith Sitzmann)

Ja, es waren schon einige Sätze. Das ist ja auch okay. Ich finde es schon gut, dass Sie Sektexpertin sind und dann die entsprechenden Metaphern gebrauchen – der Korken in der Flasche, das Perlen usw.

Aber, Frau Ministerin, ich muss Ihnen schon sagen: Wer Ihre Haushaltspolitik betrachtet, der kommt zu dem Ergebnis: Was Sie uns da präsentieren, das ist kein qualitätsvoller Winzer sekt aus dem Land, sondern es ist bestenfalls Sekt der Marke Rotkäppchen, was Sie da anbieten.

(Zuruf von der AfD: Jetzt beleidigen Sie aber nicht diese Marke! – Weitere Zurufe)

Ich weiß, ich weiß. Das Produkt ist aus dem Osten. Aber trotzdem, unser – –

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Carola Wolle AfD: Da war nicht alles schlecht!)

Nein, es war nicht alles schlecht.

(Heiterkeit)

Welche Phase der deutschen Geschichte meinen Sie jetzt, in der nicht alles schlecht war?

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Okay, das wollen wir mal nicht so genau hinterfragen.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Jedenfalls hat die Finanzministerin festgestellt: Die größten Fehler werden in guten Zeiten gemacht. In der Tat, Frau Sitz mann: Genau diese Fehler machen Sie mit diesem Haushalt. Wenn wir uns anschauen, wie sich dieser Haushalt steigert, wenn wir uns das Volumen, das Steigerungsvolumen dieses Haushalts anschauen, wenn wir uns anschauen, welche Steu ereinnahmen Sie haben, und wenn man sich dann anschaut, wie überdimensioniert Sie jetzt in diesem Haushalt – das war

aber auch schon im Vorgängerhaushalt der Fall – die Perso nalstellen ausweiten, dann wird schon deutlich, dass Sie Feh ler machen, die dann in der Zukunft auf uns zurückfallen.

Herr Kollege Stoch, Sie haben vorhin darüber philosophiert, was den Unterschied ausmacht, wenn die SPD in der Regie rung dabei ist. Sie werden verstehen, dass wir uns mal die Fra ge gestellt haben, was der Unterschied ist, wenn die FDP/DVP in der Regierungskoalition ist, und haben uns einmal die Haushaltsentwicklung seit 1996 angeschaut. Von 1996 bis 2011 war die FDP/DVP in Regierungsverantwortung. In die sem Zeitraum hat sich das Haushaltsvolumen gesteigert von umgerechnet 31,8 Milliarden € im Jahr 1996 auf 35,1 Milli arden € im Jahr 2011. Das ist eine Steigerung um 10,3 % in 15 Jahren.

Dann kam der Zeitpunkt, seit dem die FDP/DVP nicht mehr in der Landesregierung ist.

(Zuruf von den Grünen)

Zunächst haben SPD und Grüne die Verantwortung für die Entwicklung des Haushalts übernommen, und jetzt ist statt der SPD die CDU dabei. Von 2011 bis 2019 – in acht Jahren, also in der halben Zeit – haben wir eine Steigerung von 35,1 Milliarden € auf 51,1 Milliarden €, meine Damen und Herren. Das sind keine 10,3 % wie in den 15 Jahren unserer Re gierungszeit, sondern, meine Damen und Herren, das sind 45,6 %, und das in der halben Zeit.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf von der FDP/DVP: Hört, hört!)