Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

(Heiterkeit)

Herr Kollege Reinhart, wissen Sie, was Sie mir da vorhalten? Ich meine, wir haben ja eine ganz gute Kommunikationsba sis.

(Oh-Rufe – Heiterkeit des Abg. Dr. Wolfgang Rein hart CDU – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wollen Sie seine Karriere ruinieren?)

Das vergiftet. Das sagen Sie selbst, Herr Rülke. Ich meine das aber ernst.

Habe ich mit einem Wort das getan, was Sie mir vorwerfen? Habe ich den Klimawandel geleugnet? Das habe ich nicht ge tan. Ich habe vielmehr gesagt: Hier wollen welche den Kli mawandel aufhalten. Das ist jedoch Hybris, das ist nicht zu machen – schon gar nicht von Baden-Württemberg aus. Das ist eine Geschichte, die man relativ gut faktenbasiert belegen kann, und ich lege Wert darauf, dass ich, wenn ich solche Sa chen hier sage, auf Fakten Rückgriff nehme.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Wir haben doch ein Insektensterben! Das kann man doch nicht leug nen! – Abg. Reinhold Gall SPD: Solche Aussagen ka men aus der AfD-Fraktion!)

Moment! Herr Reinhart, das ist mein nächster Punkt. Ich bin zunächst beim Klimawandel und habe gesagt: Nur ein Narr würde den Klimawandel leugnen. Das tun wir aber nicht. Wir behaupten lediglich, dass es ausgesprochen schwer bis un möglich sein dürfte, den mit Maßnahmen der baden-württem bergischen Landespolitik und des Landeshaushalts in irgend einer Form zu steuern, und dies aus gutem Grund. Das ist ein Unterschied.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zurufe, u. a. Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Nicht ausschließ lich! Auch! Das müssen alle machen!)

Jetzt komme ich zu Ihrer Aussage, ich hätte das Insektenster ben geleugnet. Auch das habe ich nicht getan. Ich habe viel mehr gesagt, dass das, was die Grünen hier machen, im Kern wirklich Ökoideologie ist und man da einmal ein bisschen ge nauer hinschauen muss, ob die Zahlen, die da genannt wer den – beispielsweise die Angabe, 70 % der Insektenpopulati on seien verschwunden –, sauber faktenbasiert sind.

Dann habe ich auf die Studie verwiesen, auf die die Grünen sich berufen, und habe gesagt: Das ist alles andere als valide. Denn vom Umgang mit Statistiken verstehe ich etwas. Das sind keine validen Daten, auf die Sie Bezug nehmen. Das ist die Problematik an dieser Geschichte. Damit negiere ich kein Insektensterben. Dass es weniger Insekten gibt, mag durch aus sein –

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Also gut! Sie ha ben es relativiert! Wie immer!)

ich persönlich halte das sogar für wahrscheinlich –, aber hier eine Panikmache zu betreiben – 70 % der Insekten seien weg oder so etwas –, ist, mit Verlaub, nicht faktenbasiert. Ich mei ne die Pflicht zu haben, darauf hinzuweisen, wenn das nicht sauber recherchiert ist, und das ist es nicht.

(Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Genau!)

Ein Drittes: In der vergangenen Woche hatten wir das Thema Paralleljustiz. Da wurde mir der gleiche Vorwurf gemacht. Auch da habe ich gesagt: Lassen Sie uns eine anständige Mit telausstattung sicherstellen, damit wir recherchieren können, inwieweit es diese Paralleljustiz gibt. Das ist das, was wir, die Fraktion der AfD, wollen. Wir wollen, dass auf der Basis sau ber recherchierter Fakten Politikentwürfe gemacht werden. Darauf lege ich Wert.

(Beifall bei der AfD)

Ein einziger und letzter Satz zu Ihrer Rüge, Frau Präsidentin. Ich nehme das demütig an. Ich habe aber große Schwierigkei ten damit, mir eine andere Formulierung zu ersinnen, wenn der Kollege Stoch hier – offenkundig wissend, dass es unzu treffend ist – Wahrheitswidriges über mich behauptet. Dann liegt das Wort, das ich verwendet habe, nahe. Eine andere For mulierung mag mir dazu nicht einfallen. Damit will ich es ein Bewenden haben lassen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Auch ich möchte es an dieser Stelle nicht zu lange ausdehnen. Aber ich möchte insbesondere in Rich tung der Frau Finanzministerin, die im Moment leider nicht anwesend ist,

(Abg. Rüdiger Klos und Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Wie der Ministerpräsident!)

eines sagen: Frau Finanzministerin Sitzmann hat vorhin ver sucht, die Kreditermächtigungen am Beispiel der Hinterle

gung eines Avalkredits für eine Mietkaution zu erläutern. Mit Verlaub: Knapp vorbei ist eben auch daneben.

(Zuruf: Ja!)

Das Beispiel Avalkredit funktioniert für den Fall der Kredit ermächtigungen eben nicht als Nachweis. Ich habe vorhin in meiner Rede als Beispiel den Dispokredit genommen, das heißt, die Möglichkeit, einen Kredit in Anspruch zu nehmen, von der allerdings kein Gebrauch gemacht wird. Ich glaube, das Beispiel Dispokredit ist weit näher an der Realität als das Beispiel Avalkredit.

Deswegen sollte sich auch eine Finanzministerin des Landes Baden-Württemberg nicht zu nicht zutreffenden Vergleichen versteigen, die die Wirklichkeit verschleiern. Wer so tut, als würde er Schulden tilgen, die es gar nicht gibt, der senkt nicht die Schuldenlast des Landes, liebe Kolleginnen, liebe Kolle gen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Rainer Podes wa AfD)

Ein weiterer Punkt, der hier angesprochen wurde, ist das an geblich ach so gute Verhältnis zu den Kommunen. Liebe Kol leginnen, liebe Kollegen – Kollege Reinhart hat es vorhin an gesprochen –, in der Gemeinsamen Finanzkommission von Land und Kommunen wird in aller Regel – ich sage: fast im mer – eine Einigung zu erzielen versucht und auch erzielt, be vor man in die Haushaltsberatungen für die kommenden Haus haltsjahre geht. Am vergangenen Mittwoch wurde hier der Landeshaushalt für die beiden Jahre 2018 und 2019 einge bracht. Nach unseren Informationen haben sich das Land und die Kommunen in dieser Gemeinsamen Finanzkommission nicht geeinigt. Aus Gesprächen konnten wir entnehmen, dass die Kommunen dem Land bei vielen zukunftsträchtigen Pro jekten, bei denen es um die Frage einer Kofinanzierung geht, die Hand gereicht haben, das Land auf das Angebot der Kom munen aber nicht eingegangen ist.

Ich nenne Ihnen ein paar Felder, in denen aus meiner Sicht das Land fahrlässig nicht die Partnerschaft mit den Kommu nen eingeht.

Da geht es zum einen um die Finanzierung der Digitalisierung von Schulgebäuden sowie die Umsetzung der Multimedia empfehlungen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie können hier im Parlament noch so viel von einer neuen Bil dungsplattform erzählen: Wenn diese neue Bildungsplattform für eine große Zahl der Schulen im Land Baden-Württemberg gar nicht verwendet werden kann, weil nämlich die techni schen Voraussetzungen an diesen Schulen nicht gegeben sind, dann bauen Sie diese Multimediaempfehlungen und diese Bil dungsplattform auf Sand, dann gehen Sie nicht verantwort lich mit der Zukunft des Landes um. Gute Bildung braucht auch die digitale Infrastruktur in den Schulen. Die müssen Sie gemeinsam mit den Kommunen schaffen. Das tun Sie nicht, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Das Gleiche gilt im Übrigen auch für den von Herrn Kolle gen Schwarz jetzt schon – bevor er überhaupt existiert – be sungenen Pakt für Familien II. Wir haben in unserer Regie

rungszeit einen Pakt für Familien mit den Kommunen ge schlossen.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja!)

Dieser Pakt für Familien hat dafür gesorgt, dass Baden-Würt temberg im Bereich der frühkindlichen Bildung nicht mehr – wie dies noch bis 2011 unter der Regierung von CDU und FDP/DVP war – am Ende der Tabelle in Deutschland steht, sondern, sowohl was die Zahl der Plätze als auch was den Be treuungsschlüssel angeht, auf Platz 1 in der Bundesrepublik steht.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Wer tut also etwas für frühkindliche Bildung? Ganz sicher nicht die Herrschaften von CDU und FDP, leider im Moment auch nicht erkennbar die Herrschaften von den Grünen, mei ne sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: Falsch! Haben Sie nicht zugehört? – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE: Falsch!)

Wenn Sie hier gelobt werden wollen, dann müssen Sie diesen Pakt für Familien II überhaupt erst einmal verhandeln;

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja! Da sind wir dran, Herr Kollege!)

denn diese Gespräche haben erst begonnen. Es wäre richtiger gewesen, diese Verhandlungen so zu führen, dass sie bereits Eingang in diesen Haushalt 2018/2019 hätten finden können. Das ist nämlich ein weiterer Punkt auf der Liste der Kommu nen: der im Koalitionsvertrag angekündigte Pakt für gute Bil dung und Betreuung.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch der von mir vorhin aufgeworfene Punkt – wie finanzieren wir Integration über 2018 hinaus? – steht auf der Liste der Kommunen. Auch dort verlangen die Kommunen vom Land – nicht nur vom Bund, Frau Kollegin Sitzmann, sondern auch vom Land – Ant worten. Aus meiner Sicht brauchen nicht nur die Kommunen, sondern vor allem die Menschen, die in den Kommunen le ben, Planungssicherheit über 2018 hinaus, die sie von Ihnen jedenfalls bislang nicht bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Rülke hat vorhin auch Zitate angeführt, wie z. B. der Landkreistag das Verhalten des Sozialministers, Herrn Lucha, betitelt. Wenn dort von Wortbruch die Rede ist, dann halte ich das schon für einen schwerwiegenden Vorwurf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es dann um die Fragen der Folgen des Bundesteilhabegesetzes auf der kommunalen Seite geht, dann brauchen die Kommunen vor Ort eben Antworten, weil die Konnexität, also die Verursa chung der Kosten für die Kommunen durch Veränderungen auf Bundes- und Landesebene, offensichtlich noch nicht in frage gestellt wurde. Wenn Sie aber die Konnexität anerken

nen, dann müssen Sie schlicht und einfach die Mehrkosten, die auf der kommunalen Seite entstehen, auch tragen und kön nen sich nicht einen schlanken Fuß machen und sagen, es sei en lediglich freiwillige Ausgaben. Das ist eine Täuschung der Öffentlichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte neben diesen Beispielen, die die Kommunen be treffen, noch einmal auf die Frage der impliziten Verschul dung zurückkommen. Herr Kollege Reinhart, Sie haben das Thema hier gerade noch einmal aufgeworfen. Ich kann Ihnen sagen: Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode im mer von einem Dreiklang gesprochen, nämlich einem Drei klang aus Sanieren, Investieren und Konsolidieren. Wir haben den Haushalt konsolidiert – sonst hätte es nicht schuldenauf nahmefreie Jahre gegeben –, wir haben darüber hinaus auch Sanierungsausgaben getätigt – Thema „Implizite Verschul dung“ –, und wir haben investiert.

Das Problem, das wir jetzt mit der Änderung der Landeshaus haltsordnung, die von Ihnen vorgenommen wurde, haben, ist, dass Sie durch die neuen Formulierungen inflationär fast alle Ausgaben der öffentlichen Hand als Tilgung von impliziten Schulden umetikettieren können.

(Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP: Genau! – Zuru fe von den Grünen: Nein!)