Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Die Aussprache zum Einzelplan 02 – Staatsministerium – wird traditionell dazu genutzt, eine Ge neraldebatte über die Politik der Regierung zu führen. Ich möchte im Folgenden unter Verweis auf verschiedene The
menbereiche und Politikfelder darauf eingehen, welche Er fahrungen das Land, vor allem die Menschen in diesem Land, mit dieser Regierung aus Grünen und CDU, mit Ihrer Regie rung, Herr Ministerpräsident, gemacht haben.
Ich möchte eines vorwegschicken: Bei all den Problemen, die wir hier im Haus und auch in unserer Gesellschaft diskutie ren, geht es unserem Land, geht es den meisten Menschen, die hier leben, zumindest auf den ersten Blick gut. Wir haben ei ne historisch niedrige Arbeitslosigkeit mit einer Quote von na hezu 3 %, wir haben eine Jugendarbeitslosigkeit, die im welt weiten Vergleich sehr niedrig ist. Wir haben ein Wirtschafts wachstum und Exportquoten, die auf hohem Niveau stabil sind. In der Folge sind natürlich auch die Einnahmen aus Steu ern und Abgaben so hoch wie noch nie in der Geschichte un seres Landes.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, dies ist ganz sicher nicht das Verdienst dieser Landesregierung. Das ist das Verdienst der vielen Menschen in diesem Land, die diesen Wohlstand mit ihrer Hände Arbeit hart erarbeitet haben.
Meine Herren Kollegen aus den Regierungsfraktionen, ich glaube, es ist dann doch ein wenig verwegen, zu glauben, die Handlungsspielräume, die diese Landesregierung nun hat – vor allem auf der Ausgabenseite –, seien durch eigene Leis tungen zustande gekommen. Wenn wir uns mal einen genau en Blick in den Haushaltsplan gönnen, dann merken wir, was es mit den von Ihnen beschworenen Einsparungen so auf sich hat. Wenn man von reduzierten Zinsaufwendungen profitiert, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann ist dies kein Ausdruck höchster Regierungskunst. Auch höhere Ansätze im Haushalt wie z. B. im Haushalt des Innenministeriums für hö here Einnahmen aus Bußgeldern sind nicht wirklich Zeichen von Regierungskunst.
Und wo Sie sparen, sparen Sie dann auch noch an den fal schen Stellen. Denn Sparbeiträge werden z. B. bei den Kran kenhäusern, nämlich bei der Krankenhausinvestitionsförde rung, oder durch die Erhebung von Studiengebühren erbracht. Wir haben erst dieser Tage gehört, was dies bedeutet: In Ba den-Württemberg, einem Land, das weltoffen und vielfältig ist und dies auch in Zukunft sein wird, ist durch die Studien gebühren für ausländische Studierende die Zahl der Studie renden aus Nicht-EU-Ländern um über ein Fünftel gesunken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer dem Land Ba den-Württemberg Schaden zufügt, der regiert genau so, wie es Grüne und CDU hier im Land tun.
Und doch spüren wir, dass die Menschen in diesem Land Sor gen umtreiben – Sorgen, wie ihre Zukunft und die Zukunft ih rer Kinder aussehen soll, Sorgen, ob der Arbeitsplatz sicher sein wird, die Wohnung bezahlbar bleibt und ob das Leben in unserer weltoffenen und vielfältigen Gesellschaft auch in Zu kunft noch sicher ist.
Was aber tut diese Landesregierung, Ihre Regierung, Herr Mi nisterpräsident, um auf diese Sorgen der Menschen einzuge hen? Was sind denn die politischen Konzepte, mit denen Sie den Menschen die Zuversicht geben, auch diesen Herausfor derungen der Zukunft gewachsen zu sein?
Ich sage es an dieser Stelle ganz deutlich: Trotz voller Kas sen, trotz bester Einnahmen geben Sie in diesem Doppelhaus halt auf die Fragen der Menschen keine Antworten. Es ist kein politischer Plan für die Gestaltung der Zukunft in BadenWürttemberg erkennbar.
Dies ist auch ganz einfach erklärbar. Zwischen Grünen und CDU gibt es in viel zu vielen Politikfeldern keine Schnittmen gen, die einen wirklichen politischen Gestaltungsanspruch zu ließen. Es gibt nämlich keinen Plan, weder bei Ihnen, Herr Ministerpräsident, noch – dort gab es ihn wohl noch nie – bei Ihrem Stellvertreter von der CDU.
Es gibt deswegen auch keinen gemeinsamen Plan für das Land, keine Idee, wohin Sie das Land steuern wollen.
Deswegen müssen wir eigentlich auch alle froh sein, dass die ses erbarmungswürdige Theater auf diesem zugigen Balkon in Berlin irgendwann endete, und zwar ohne die Bildung ei ner Regierung. Denn dieser gemeinsame Plan, den Sie haben müssen, der notwendig ist, wenn Sie ein Land gestalten wol len, war bei diesen Partnern überhaupt nicht vorhanden. Die wirklich wichtigen Themen für dieses Land, nämlich Fragen zum Zusammenhalt der Gesellschaft, soziale Fragen, wären von dieser Regierung, die sich Jamaika genannt hätte, nie be antwortet worden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Dann haben Sie ja jetzt Gelegenheit, sich einzubrin gen, Herr Kollege!)
Herr Ministerpräsident, es ist schlicht und einfach anmaßend, wenn Sie beim Landesparteitag der Grünen die Aussage ma chen, dass Jamaika – Sie tun diesem Land, im Übrigen ein sehr schönes Land, sehr unrecht – besser gewesen wäre als al les andere, was jetzt noch kommen kann.
Zum einen wissen wir aus den Verhandlungen, dass angeblich noch mehrere Hundert Punkte nicht geklärt waren. Woher wollen Sie also wissen, was am Ende einer Regierungsbildung gestanden hätte? Und zweitens: Woher wollen Sie denn wis sen, was in einer Regierung der Zukunft in Deutschland ge regelt wird?
Ich glaube, die Menschen haben mehr verdient als das, von dem Sie glauben, mit einem Unfehlbarkeitsdogma wie dem der katholischen Kirche durchs Land ziehen zu können. Wir brauchen eine Regierung, die handelt, nicht eine Regierung, die vor Selbstgefälligkeit nicht mehr laufen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich konstatiere deswegen, dass Ihr Wunschmodell einer öko konservativen Regierung nicht zustande kam. Sie und Ihr Stellvertreter sind als Verlierer aus Berlin heimgekehrt.
Auch eine weitere Anmaßung können Sie uns zukünftig er sparen. Sie sprachen bezüglich dieser Balkonliaison von ei nem „Bündnis der bürgerlichen Mitte“.
Sind denn alle anderen Menschen, die sich zu keiner dieser Parteien hingezogen fühlen, nicht bürgerlich? Die Bürgerrech te, Herr Ministerpräsident, sind nicht davon abhängig, ob Ih nen die politische Gesinnung der Menschen gefällt oder nicht.
Aber kommen wir noch einmal zu Ihrem Zitat, Jamaika wäre besser gewesen als alles andere, was jetzt noch kommen kann. Besser? Für wen denn besser? Besser für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben – ein Arbeitsplatz, der möglicherweise bisher in der Automo bilindustrie ist, oder ein Arbeitsplatz, bei dem aufgrund der technologischen Entwicklung nicht sicher ist, ob er in einigen Jahren noch existiert? Was tut diese Landesregierung denn konkret für Fortbildung und Weiterbildung, sodass diese Men schen unterstützt werden können, um diesem Wandel auch standhalten zu können?
Ich war am Montag gemeinsam mit dem Kollegen Stefan Fulst-Blei in Mannheim bei General Electrics. Dort ist in ei ner Firma, die von GE übernommen wurde – vor etwas mehr als einem Jahr gab es dort noch 1 800 Arbeitsplätze –, ein Ab bau von 1 100 Arbeitsplätzen schon vor einem Jahr erfolgt. Und jetzt, wenige Tage vor Weihnachten, sagt man den Men schen in Mannheim, an einem traditionsreichen Standort: Die ser Standort wird in den nächsten Monaten plattgemacht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Menschen, die davon betroffen sind, brauchen Antworten, wie es für sie wei tergeht. Das kann nur gelingen, wenn wir den Menschen die Zuversicht geben – die sie durch Fort- und Weiterbildung be kommen –, dass sie nicht dauerhaft vom Arbeitsmarkt ver drängt werden.
Wäre Jamaika besser gewesen für Menschen, die für sich und ihre Familien bezahlbaren Wohnraum benötigen, diesen aber nicht finden? Ich rede hier nicht allein vom sozialen Woh nungsbau, ich rede auch davon, dass sich heute Menschen mit normalen Einkommen in Ballungsräumen wie Stuttgart oder Karlsruhe keine Wohnung mehr leisten können.
Was tut die Regierung denn dafür, außer wohlfeile Sonntags reden zu halten, eine Wohnraum-Allianz ins Leben zu rufen, sich dann aber, wenn es um die Umsetzung der Empfehlun gen geht, im politischen Fingerhakeln zu verlieren?
Ich verweise auf den Streit über die Reform der Landesbau ordnung, auf ideologische Unterschiede, wenn es um die Fra ge von Bauland geht.
Die Grünen schließen die Entwicklung neuer Baugebiete ka tegorisch aus, da sie aufseiten derjenigen stehen, die ihre Schäfchen im wahrsten Sinn schon im Trockenen haben,
Herr Ministerpräsident, dieses Thema ist zu ernst, als dass man hier weiterhin nichts tun dürfte. Es geht hier um Daseins vorsorge. Es geht darum, ob Menschen das Gefühl haben, in dieser Gesellschaft noch einen Platz zu finden, meine sehr ge ehrten Damen und Herren.
Wäre Jamaika besser gewesen für Kinder, die aus einkom mensschwachen Familien stammen, Kinder, die im von der CDU über Jahrzehnte geprägten Bildungssystem seit jeher schlechtere Chancen haben?
Gerade jetzt, gerade bei dieser sich verändernden Gesellschaft wären Investitionen insbesondere in die frühkindliche Bildung dringend notwendig, um herkunftsbedingte Benachteiligun gen zurückzudrängen. Auch Investitionen in die Grundschu len, in Sprachförderung und vor allem der weitere Ausbau der Ganztagsschulen wären jetzt geeignete Mittel, um in den Stu dien wieder bessere Ergebnisse zu erzielen.
Aber was tut diese Landesregierung, was tun insbesondere auch die Grünen? Sie lassen es zu, dass die CDU und das CDU-geführte Kultusministerium die gerade begonnenen Re formmaßnahmen zurückdrehen, und glauben, mit ihren Re zepten aus den Sechzigerjahren den Problemen der heutigen Zeit begegnen zu können.
Herr Ministerpräsident, ich werfe Ihnen auch persönlich vor, dass Sie die Deutungshoheit, was diese Studienergebnisse an geht, der CDU überlassen. Denn die Ursachen für diese Test ergebnisse, gerade auch was den Bereich der Grundschulen angeht, liegen garantiert nicht in den letzten fünf Jahren be gründet. Das wissen Sie sehr gut.
Wir brauchen in Deutschland, um herkunftsbedingte Benach teiligungen von Kindern auszuschließen, ein Bildungssystem, das vom ersten Tag an greift. Wir brauchen frühkindliche Bil dung in hoher Qualität, wir brauchen eine Unterstützung der Grundschulen, und wir brauchen in der Tat keinen ideologi schen Streit. Vielmehr brauchen wir jetzt Maßnahmen, die Bil dung besser und vor allem auch gerechter machen.