Herr Ministerpräsident, wir sind auch dankbar – Sie werden ja anschließend, wie ich annehme, die fehlende Liegestütze von heute Morgen nachholen –, dass Sie zunächst das Parla ment haben reden lassen und nicht den Versuch unternommen haben, diesen unsäglichen Haushalt durch eine einführende Regierungserklärung auch noch zu rechtfertigen. Sonst hätte man mit dem Aphoristiker Werner Mitsch sagen müssen: „In alten Märchen steckt oft mehr Wahrheit als in neuen Regie rungserklärungen.“ Aber das werden wir wahrscheinlich an schließend im zweiten Anlauf feststellen.
Unseriös ist dieser Haushalt insgesamt. Unseriös ist auch der Haushalt des Ministerpräsidenten. Die Landeshaushaltsord nung in der ursprünglichen Fassung hätte vorgesehen, dass Sie rund 4,2 Milliarden € Schulden tilgen und nicht diese ho möopathische Dosis von 500 Millionen €. Mit 4,2 Milliar den €, meine Damen und Herren, hätten wir rund 10 % der Altschulden tilgen können,
Derselbe Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat übri gens in seiner Zeit als Oppositionspolitiker immer nahegelegt, diese Haushaltssolidität, die er als Oppositionspolitiker ein gefordert hat, müsse Verfassungsrang bekommen, weil sonst die Gefahr bestünde, dass irgendwann unsolide Regierungen ins Amt kommen und mit einfacher Mehrheit das ändern, was
zu Haushaltssolidität führt. Das war damals das Petitum des Oppositionspolitikers Winfried Kretschmann.
Sie wurden selbst Ministerpräsident und haben prompt die Landeshaushaltsordnung so geändert, dass Sie eben nicht die Altschulden so tilgen müssen, wie es geboten wäre, sondern nur in homöopathischer Dosis, sodass diese grün-schwarze Koalition weiter kräftige Schlucke aus der Pulle nehmen kann. Diese 250 Millionen € pro Jahr als Erfolg zu bezeichnen ist ein schlechter Witz, meine Damen und Herren.
Es ist auch ein schlechter Witz, mit niedrigen Zinsen zu argu mentieren, zu sagen: „Die Zinsen sind ja so niedrig, und des halb brauchen wir nicht zu tilgen.“ Wer sagt Ihnen denn, wie lange diese Zinsen so niedrig bleiben, meine Damen und Her ren? Wer sagt Ihnen, dass die Konjunktur Ihnen weiter so in die Hände spielt wie im Moment?
Nebenher machen Sie eine Haushaltspolitik, die alles andere als nachhaltig ist. Mit Ihrem Stellenaufwuchs in den Ministe rien, in der Umweltverwaltung, in allen Bereichen schaffen Sie Verpflichtungen über Jahrzehnte, einschließlich Pensions lasten; kurzfristige Einsparungen sind da nicht möglich.
Irgendwann könnten sich die negativen Entwicklungen jedoch einmal kreuzen: ein gewaltig aufgeblähter Haushalt, ein Kon junktureinbruch, steigende Zinsen. An dieser Stelle nur der Hinweis – Frau Sitzmann, ich nehme an, man hat es Ihnen auch schon vorgerechnet –: Ein Prozentpunkt Zins mehr be deuten 460 Millionen € pro Jahr zusätzliche Zinslast für das Land. Wie die Diskussionen in diesem Haus laufen, wenn das alles zusammenkommt, kann ich mir schon vorstellen. Da wird es dann heißen: „Jetzt sollte die Regierung eigentlich sparen.“ Dann wird sich die Finanzministerin hier hinstellen und sagen: „Ja, wo soll ich denn sparen?
Umso verwerflicher ist es, meine Damen und Herren, in Zei ten wie diesen einen Haushalt so aufzublähen, den Personal körper so aufzublähen und Altschulden eben nicht zu tilgen oder nur in homöopathischem Maß zu tilgen.
Auch jenseits der Personalausgaben sieht man, wenn man in Ihren Haushalt blickt – Herr Ministerpräsident, Sie werden dann wahrscheinlich hinterher wieder sagen: „Das sind doch überschaubare Haushaltsposten“ –: 300 000 € für einen Me dienkongress zum Thema Mediennutzung – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
An anderer Stelle ist in einem anderen Zusammenhang zu le sen, zum bevorstehenden 70. Geburtstag des Ministerpräsi denten sei ein Buch zum Thema „Demokratische Öffentlich keit“ angedacht. Aha! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Of fensichtlich geht es darum, die Geburtstagsfeierlichkeiten, die Selbstbeweihräucherung dann mit Steuermitteln zu finanzie ren. Solange ein Buch dabei herauskommt, geht es ja noch. Ich hoffe nicht, dass es dann irgendwann in die Richtung ab gleitet, die Theodor Mommsen vor gut 100 Jahren im Zusam menhang mit dem alten Rom beschrieben hat. Ich darf zitie ren – das Zitat bezieht sich auf die Geburtstage der Kaiser; nur schlechten Kaisern sei es versagt –:
Man sollte mit Lorbeeren bekränzt und unter Freudens bezeugungen den Geburtstag feiern oder verflucht der Ra che des Jupiter und Cäsar verfallen sein.
Das war die Ansage an das Volk. Wir hoffen, dass wir von so etwas noch ein bisschen verschont bleiben. Aber, meine Da men und Herren, es ist auch nicht in Ordnung, mit Steuermit teln dann diese Geburtstagsfeierlichkeiten in die Wege zu lei ten.
Ein weiteres Bei spiel: Für den Strategiedialog Automobilwirtschaft BW sind 20 Millionen € im Staatshaushalt hinterlegt, meine Damen und Herren. Ich frage mich, wozu. Zum Autogipfel sind Sie nicht hingegangen. Geht es wieder darum, dass der Kollege Hermann die individuelle Mobilität unterbindet, oder um die Innovationspeitsche, um Fahrverbote, die blaue Plakette oder die Ansage: „Weniger Autos sind besser als mehr“?
Der Gipfel der Unredlichkeit dieser Landesregierung ist, dann in dieser Koalition noch zu behaupten, Sie hätten im Jahr 2019 800 Personalstellen weniger. Wir haben dies beim Finanzmi nisterium einmal hinterfragt, und da wurde uns dann gesagt: „Wir haben die Bediensteten aus den Landesbetrieben nicht mitgerechnet, und die Anwärter haben wir auch nicht mitge rechnet.“ Die werden sich freuen, dass sie nicht mitgerechnet sind. Aber das Tollste an der Geschichte ist – –
Jawohl. – Das Tolls te an der Geschichte ist, dass Minister Strobl bei den Polizis ten die Anwärter mitrechnet. Sie behaupten dann, schon zur Mitte der Legislaturperiode hätten Sie die 1 500 geliefert, aber in der Realität haben Sie 2 021 Polizisten weniger auf der Stra ße.
Das Tolle an dieser Geschichte, meine Damen und Herren, ist: Wenn es darum geht, den Haushalt schönzurechnen, dann werden die Anwär ter herausgerechnet.
Wenn es hingegen darum geht, Sicherheit vorzugaukeln, dann rechnen Sie die Anwärter mit. Das ist der Gipfel der Unredlichkeit, meine Da men und Herren.
Frau Präsiden tin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Baden-Württem berg jedenfalls geht es heute so gut wie selten zuvor.
Baden-Württemberg ist ein starkes Land, die Wirtschaft flo riert, die Auftragsbücher sind voll, die Arbeitslosigkeit ist so gering wie seit über einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Ba den-Württemberg ist das sicherste Land der Republik.
Aber klar ist auch: Wir leben natürlich nicht auf einer Insel der Seligen und schon gar nicht in einer Festung. Es gibt fun damentale Umbrüche, große Chancen und Herausforderun gen. Es gibt natürlich bei uns auch Menschen, die verunsi chert sind und Angst haben.
Wir brauchen deswegen Mut und Durchblick, wir brauchen Zuversicht im Wandel, um die Zukunft zu gestalten.
Das erkläre ich auch gern den Menschen draußen, wenn sie sagen, wo sie der Schuh drückt, etwa dem Arbeiter, der sich wegen der Zeitenwende beim Automobil Sorgen macht, oder Menschen, die der Zuzug der Flüchtlinge beunruhigt, oder de nen, die Angst vor einem Terroranschlag oder den Folgen der Klimakrise haben. Unsere Politik hat ein großes Ziel: Wir wol len, dass den Menschen die Zukunft nicht abhandenkommt, dass sie Zuversicht haben und keine Angst; denn das wäre Gift für den Zusammenhalt.
Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst – die namenlose, blinde, sinnlose Angst, die die... Anstrengung... lähmt,...
Roosevelt hat recht, und darum setzen wir der Angstmache rei der Populisten eine Politik des Mutes und der Zuversicht entgegen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])
Wir sagen aber auch, dass es in einer Welt des Wandels eben nicht genügt, einfach den Status quo zu verteidigen. Wir wol len nicht nur unbeschadet über die Runden kommen ange sichts der vielen Umbrüche und Veränderungen, die wir in Wirtschaft und Gesellschaft haben, angesichts von Globali sierung, Digitalisierung und weltweiter Migration. Eine blo ße Statussicherung ist kein Konzept für die Zukunft.