Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

Dass sich die Landwirtschaft in einem dramatischen Wandel befindet, sich auch dramatisch wandeln muss, ist in diesem Haushalt nicht sofort erkennbar. Ich erspare mir und Ihnen die Wiederholung von vorausgegangenen Debattenbeiträgen in diesem Jahr. Ich denke an Themen wie „Ökologischer Land bau“ und Biodiversität. Im Übrigen haben auch die Kollegen hier zum Teil noch einmal ihren Beitrag dazu geleistet.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir begrüßen grund sätzlich die Mittelerhöhungen im FAKT-Programm, auch wenn wir letztendlich gespannt sind, für welche Maßnahmen diese Mittel am Ende eingesetzt werden und ob das für die Arten vielfalt im Land wirklich von Nutzen ist.

Das Wenige an Kreativität in diesem Haushalt kann obendrein – das ist das hohe Risiko – noch komplett der globalen Min derausgabe von 20 Millionen € zum Opfer fallen. Änderungs anträge der Regierungsfraktionen bei den Haushaltsberatun gen, die 35 000 € mehr für den sogenannten digitalen Bauern hof vorsehen,

(Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Das sind 300 000 €, Herr Kollege!)

entpuppen sich möglicherweise nur noch als digitales Deck mäntelchen.

Besonders dunkel sieht es leider ausgerechnet beim Verbrau cherschutz und bei den Kontrollen von Lebensmitteln und Tierhaltungen aus. Bei der CDU war das schon immer in schlechten Händen, den Grünen ist das anscheinend zwischen zeitlich leider auch ziemlich egal.

(Beifall bei der SPD)

Es reicht ja auch, wenn im Wahlprogramm oder in den Sonn tagsreden von Verbraucherschutz, Tierwohl und Tierschutz die Rede ist. In Rheinland-Pfalz beispielsweise wird im sta tistischen Mittel alle drei Jahre ein Nutztierhalter kontrolliert. Im Mittelpunkt stehen dabei u. a. die Fragen: Sind die Tiere ge sund? Sind sie entsprechend den Haltungsverordnungen un

tergebracht? Stimmt das Futter? In Baden-Württemberg kommt im statistischen Mittel

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

nur alle zwölf Jahre einmal ein Kontrolleur vorbei. In unse ren Augen ist dies ein unhaltbarer Zustand, denn nur tatsäch lich stattfindende staatliche Kontrollen verringern das Risiko für den Verbraucher und erhöhen das Tierwohl.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Hinzu kommen noch die vielfältigen Aufgaben der Lebens mittelaufsicht bei der Kontrolle von Betrieben der Lebensmit telbranche, der Gastronomie, der Schlachthöfe und der priva ten Tierhalter. Über 200 Veterinäre fehlen im Land. Das haben nicht nur die Veterinäre selbst, sondern das hat vor ein paar Jahren auch die Landesregierung festgestellt. Unter Grün-Rot haben wir deshalb die Personalstärke kontinuierlich in meh reren Schritten erhöht. Wir wollen bzw. wollten weitere Er höhungen

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Das haben wir auch gemacht!)

um je 35 Stellen in den Jahren 2018 und 2019 vornehmen. Aber die Landesregierung schmückt sich mit ganzen zehn Stellen für beide Jahre zusammen. Dazu kommen noch ein paar Stellen für Chemische und Veterinäruntersuchungsämter sowie in den RPs. Das reicht unserer Meinung nach vorn und hinten nicht und spricht dafür, dass eine höhere Kontrolldich te gar nicht gewollt ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass diese Regierung und damit auch die Grünen die Verbraucherberatung auf einem Ni veau einfrieren lassen wollen, das deutlich hinter dem in an deren Flächenländern zurückbleibt, halten wir für besonders enttäuschend, und dies, obwohl sich immer neue Aufgaben felder auftun – von der Gesundheitsrechtsberatung, die kein Verbraucher anderswo kostengünstig bekommt, bis hin zur unabhängigen Beratung in allen Angelegenheiten der Pflege, des Onlinehandels oder der Versicherungswirtschaft.

Noch immer gibt es große weiße Flecken im Land – vor al lem in den ländlichen Räumen –, in denen die Verbraucher zentrale nicht erreichbar ist. Ich denke, Herr Minister Hauk – er stammt als Minister für den Ländlichen Raum selbst aus dem ländlichen Raum – sollte bei diesen Prozessen zumindest ein wenig nachdenklich werden. Vielleicht wäre dies auch ei ne Aufgabe für den Kabinettsausschuss „Ländlicher Raum“, dafür zu sorgen, dass auch hier die Fläche des Landes – im Hinblick auf die Verbraucherberatungsstellen – nicht zu kurz kommt.

Denn nicht alles lässt sich am Telefon oder per E-Mail klären, z. B. wenn die gemeinsame Einsicht in Dokumente vorgenom men werden muss. In manchen Gegenden bedeutet dies in der Praxis Autofahrten von zwei bis drei Stunden, vielleicht bis zur nächsten Beratungsstelle; denn einige dieser Beratungs stellen sind nur mit einer Person besetzt, die logischerweise nicht über alle Bereiche und Themen Bescheid weiß.

Wir werden daher einen Änderungsantrag stellen, der eine auskömmliche Finanzierung der Verbraucherzentrale BadenWürttemberg vorsieht, und zwar mit zusätzlich 1 Million € jährlich. Sollten Sie diesen Antrag ablehnen, werden wir auch dem Einzelplan 08 nicht zustimmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, alles in allem ist festzustel len: Die Landwirtschaft in unserem Land steht vor einem gro ßen Wandel. Sie ist sogar schon mittendrin. Sie ist bisher bei Weitem nicht so nachhaltig, dass Böden und Grundwasser wirksam geschützt wären und die Artenvielfalt von der Bie ne bis zum Rebhuhn oder vom Torfmoos bis zur Orchidee er halten würde.

Wir müssen bei der Tierhaltung ebenso umdenken und neue Wege gehen wie beim Ackerbau und beim Pflanzenschutz, aber nicht so, wie es Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt bei seinem Alleingang in Sachen Glyphosat getan hat – wo bei wir mit Interesse vernommen haben, dass Frau Braun das ebenfalls vehement kritisiert. Wir sind allerdings gespannt, welche Auswirkungen diese Kritik in Baden-Württemberg in einer grün geführten Landesregierung hat.

All das, was ich soeben kritisiert habe, ist in diesem Haushalt nicht erkennbar, jedenfalls bei Weitem nicht in der Deutlich keit, die nötig wäre.

Zusätzlich werden der Verbraucherschutz und – aufgrund der viel zu geringen Kontrollen – auch der Tierschutz vernachläs sigt.

Wir können diesem Einzelplan deshalb – ich füge in Klam mern hinzu: voraussichtlich – nicht zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Bullinger das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Die Bauern des Landes haben es nicht verdient, dass bei dieser Debatte, in der es um den ländlichen Raum, um die Kultur landschaft, um Mittel fürs Leben geht, hier die CDU-Seite mit 14 oder 15 von 40 Abgeordneten vertreten ist und es auf der Seite der Grünen nicht anders aussieht. Das haben die Bauern nicht verdient, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der AfD sowie Abge ordneten der SPD – Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE – Unruhe bei den Grünen)

Ich werde die Anträge, die hier und heute sowie im Finanz ausschuss bereits angesprochen wurden, nicht noch einmal wiederkäuen. Auch werde ich nicht auf die Lobhudelei der Koalitionsfraktionen eingehen. Vielmehr werde ich mich mit ein paar grundlegenden Fragen vor allem auch der Agrarpo litik und des ländlichen Raums beschäftigen. Wir haben auch unsere Anträge, die im Finanzausschuss abgelehnt wurden, nicht erneut eingebracht, um Ihnen nicht den Gefallen zu tun, diese sinnvollen Anträge zum zweiten Mal ablehnen zu kön nen.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Meine Damen und Herren, in der Politik muss man auf 51 zäh len können, demnächst wahrscheinlich auf 53. Ich möchte ein paar Worte zur politischen Großwetterlage sagen. Im Augen blick ist eine Koalitionsfindung im Gang, und abgesehen von der Energiebranche schaut kaum eine andere Branche so be sorgt wie die Landwirtschaft darauf, was jetzt kommt.

Das sogenannte Sondierungspapier von Union, Grünen und FDP war agrarpolitisch voller Formelkompromisse. Das Be denklichste jedoch war, dass die eigentlichen Probleme der Branche wie z. B. mangelnde Rahmenbedingungen für ein zu kunftssicheres Risikomanagement in den Betrieben oder die finanziellen und sicherheitstechnischen Herausforderungen beispielsweise für Smart Farming, die es gibt, in einem Sam melsurium ideologischer Kreuzzüge niedergeschrieben wur den.

Es ist daher gut, dass diese Koalition nicht zustande gekom men ist. Denn es fehlten klare Aussagen zum unternehmeri schen landwirtschaftlichen Bereich, zum Eigentum und zum Wettbewerb. Es gab viel Prosa und viele Klammern,

(Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Hat die FDP da nichts eingebracht? – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

viel Prüfen-Möchten und Prüfen-Sollten, viel Blabla. Ich glau be, es war gut, dass diese Koalition nicht zustande gekommen ist.

Aber wohin, meine Damen und Herren, nun diese womöglich zustande kommende Neuauflage der sogenannten Großen Ko alition führt – – Das sind ja diese Wahlverlierer, die zusam men auf 53 % kommen. Hier gibt es schon vor der Regie rungsbildung klare Fouls. Gerade haben wir ja schon etwas darüber gehört. Hier gibt es schon sehr früh ein Foul. So, wie Umweltministerin Hendricks, lieber Kollege, von der SPD zwei Tage vor der Bundestagswahl im Alleingang und gegen den Willen von Bundesagrarminister Schmidt ein Angelver bot ausgerufen hat, so hat Schmidt im Alleingang gehandelt. Herzliche, freundliche Zusammenarbeit, wenn das etwas wer den soll, meine Damen und Herren!

Noch widersprüchlicher ist aber auch – da komme ich zu den Freunden der Grünen – die Diskussion über dieses Teufels zeug Glyphosat, wie es immer genannt wird, gegeißelt als Pflanzengift, aber völlig inkonsequent, meine Damen und Her ren. Sie müssen – gerade Sie, Frau Kollegin, als Ökobäuerin – klar und deutlich sagen, dass man mit dem Kupfersulfat ei nen ähnlichen Stoff hat. Kupfersulfat ist bei Ihnen aber ein Pflanzenstärkungs- und ein Pflanzenbehandlungsmittel und kein Pflanzengift. Seien Sie einfach mal konsequent, und ver suchen Sie, auch dieses Schwermetall Kupfer herauszubekom men. Erklären Sie das Ihren Ökobauern! Danach können wir darüber reden, und dann sind Sie auch wieder glaubwürdig. So sind Sie nicht glaubwürdig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der AfD – Zuruf von den Grünen: Unfug! – Abg. Martina Braun GRÜNE: Es gibt einen großen Unterschied zwischen anorganischen und organischen Pflanzen schutzmitteln!)

Sie wollen sagen: „Kupfergift ist organisch“. Da habe ich wieder etwas völlig Neues gelernt. Tut mir leid, dass ich das

bisher nicht wusste. Herzlichen Glückwunsch dazu, dass Sie mich aufklären konnten.

(Heiterkeit bei der AfD – Zuruf des Abg. Karl Zim mermann CDU – Unruhe)

Wenn man diese Widersprüchlichkeiten sieht, wundert es ei nen nicht, dass die forsa-Studie erbracht hat, dass ausgerech net Ihr Vorzeigeminister in Niedersachsen dafür gesorgt hat, dass Sie bei der letzten Bundestagswahl nicht mit mehr als 1 % der Stimmen bei den Landwirten gewählt wurden. Das sagt alles über Ihre Agrarpolitik, meine Damen und Herren.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Auch die Großwetterlage müssen wir sehen, also nicht nur Trump, Putin und Erdogan, sondern vor allem auch das, was die Vereinigten Staaten machen. Wir sind dabei, im Agrarbe reich sehr stark in den Protektionismus zu gehen, und Sie sind bei der Abschottung sicherlich gern dabei.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der AfD)

Inzwischen setzt Washington diese Linie auch mit den ersten Maßnahmen um. Im November 2017, also vor ein paar Tagen, kündigte das amerikanische Handelsministerium Strafzölle für spanische Oliven an. Für die deutsche Landwirtschaft geht es um Agrargüter im Wert von 1,8 Milliarden € für die Verei nigten Staaten: Milchprodukte, Wein, Fleisch, Wurstwaren. Das ist die Tendenz, und das ist der falsche Weg, meine Da men und Herren.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Werte Kolleginnen und Kollegen, schon heute hungern Mil lionen Menschen. Auch in wenigen Jahren wollen täglich 8 000 Millionen – das sind 8 Milliarden – Menschen Brot und Wasser. Eine romantische Landwirtschaft, eine technikfeind liche Entwicklungspolitik können wir uns nicht leisten, son dern wir müssen genau prüfen, in welche Richtung wir gehen. Ja, technischer Fortschritt dort, wo er mit Natur und Umwelt und Kulturlandschaft vereinbar ist. Aber auch da sind Sie, meine Damen und Herren, in der Regel eher die Bremser.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Nichts verstanden! – Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Dinosauriermäßig! – Weitere Zurufe)