(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Nichts verstanden! – Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Dinosauriermäßig! – Weitere Zurufe)
Quo vadis, Agrarpolitik? Die Gemeinsame Europäische Ag rarpolitik wird 2020 neu ausgerichtet. Hier wurde natürlich einiges angekündigt. Der EU-Agrarkommissar hat angedeu tet, dass man vielleicht etwas mehr Spielraum bekommt, und da sind wir, aber auch der Bauernverband gefordert. Ich sehe ei ne große Chance. Unser Landesbauernverband und der Deut sche Bauernverband sind im Augenblick Sprecher der euro päischen Bauern. Diese Chance muss die neue Bundesregie rung nutzen, um wirklich eine zukunftsgerichtete Agrarpoli tik zu machen.
Gefordert sind also, meine Damen und Herren, zunächst markt konforme Antworten. Selbstverständlich brauchen wir hier Frostbeihilfen, und wir werden dem, was die Landesregierung mit knapp 50 Millionen € Entschädigung auf den Weg ge bracht hat, zustimmen. Das entspricht auch unseren Forderun gen vom 15. April 2017.
Ich fordere vor allem auch eines: dass wir strukturelle Refor men im Steuerrecht bekommen. Nötig wären vor allem eine echte steuerfreie betriebliche Risikoausgleichsrücklage und die Ausweitung der von Schwarz-Gelb 2012 eingeführten Ver sicherungssteuerbefreiung von landwirtschaftlichen Mehr fachversicherungen. Das sind Themen, Herr Agrarminister, die Sie der neuen Bundesregierung – egal, wie sie heißt – über den Bundesrat beibringen sollten.
Landwirte verdienen deutlich mehr; das hat der Kollege ge sagt. Ich will nur eines sagen: Wir haben hier in Baden-Würt temberg das höchste Lohnniveau, die besten Arbeitsplätze und die ärmsten Bauern – und das auch nach sieben Jahren grüner Regierung in Baden-Württemberg.
Denn die Zahlen besagen klar und deutlich: In Baden-Würt temberg betrug das Einkommen pro Betrieb 2015/2016 gerade mal 35 000 €. Bundesweit lag es im Schnitt bei rund 39 000 €.
Dies ist, glaube ich, bezeichnend und zeigt, dass Ihre Agrar politik überhaupt nur sehr begrenzt wirkt und Sinn macht, meine Damen und Herren.
Ein weiterer Punkt: Wenn die Gesellschaft insgesamt eine an dere Landwirtschaft will, wenn sie ebendiese Vorteile einer hervorragenden, sicheren Versorgung will, wenn sie Kultur landschaft will, dann braucht die Landwirtschaft nicht mehr Gängelung, nicht mehr Vorschriften, sondern auch die ent sprechende Unterstützung. Deshalb ist es richtig, dass man dies auch in der Landesagrarpolitik tut.
Meine Damen und Herren, kommen wir hier einmal zu den grün-schwarzen Sünden. Zunächst einmal: Das Ausschlach ten des Ressorts halte ich für völlig falsch. Es darf nicht sein, dass man Naturschutz und Landwirtschaft so trennt, wie man es getrennt hat. Der Landwirtschaftsminister – das muss ich sagen: es ist ein Landwirtschaftsminister mit Sachverstand – wird von der eigenen Fraktion und mit dem Oberaufseher Staatssekretär Baumann letztendlich bei jeder sinnvollen Än derung im Jagdrecht, im Fischereirecht, im Bereich der Un terstützung – ob es die Wolfsromantik ist oder sonst etwas – im Stich gelassen. Da sage ich der Union schon: Unterstützen Sie Ihren Minister besser!
Die CDU hat in den BLHV-Wahlprüfsteinen z. B. zugesagt, bei einer Regierungsbeteiligung das Verbandsklagerecht der Tierschutzorganisationen zurückzunehmen. Sie hat eine Bi berentschädigung, Herr Kollege Burger, zugesagt. Alles Fehl anzeige, nichts ist in diesem Haushalt zu finden.
Du hast dich gerade gemeldet, das passt genau zu meiner Vorlage: Die CDU hat früher die unsinnige Einführung des FSC-Standards im Staatswald kritisiert. Patrick Rapp sprach 2012 von einer „unnötigen Aufblähung der Bürokratie“, von wirtschaftlichen Nachteilen. Wenn ich mir das Gutachten von HessenForst ansehe, dann muss ich sagen: Du hast damals Recht gehabt.
Nun noch kurz zu unseren Haushaltsanträgen. Wir haben ge fordert, die Naturparks stärker zu unterstützen. Hier hat die grün-schwarze Regierung natürlich – das muss ich ganz klar anerkennen – mehr gemacht, hier hat sie auch nachgelegt. Aber, meine Damen und Herren, für diese Aufgabe, die vor allem auch ehrenamtlich erfüllt wird, bedarf es mehr Unter stützung. Wir wollten dafür nochmals zusätzlich eine halbe Million Euro bereitstellen – Mittel, die möglich wären, die viel sinnvoller eingesetzt wären als für diese Totalreservate des Nationalparks und das Luxusbesucherzentrum. Die Na turschutzparks hätten dort wirklich effektiv etwas gemacht. Diese Parks bedürfen der Unterstützung, und ihr habt das im Finanzausschuss abgelehnt, liebe Freunde.
Zu den Amtstierärzten wurde deutlich gesagt, wir brauchten – das haben wir beim letzten Haushalt schon gesagt – drin gend mehr Stellen. Hier ist der Landwirtschaftsminister mit ein paar Stellen abgespeist worden. Es ist nicht in Ordnung, dass man so verfährt.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich jetzt auch gern noch einmal bedan ken, vor allem bei den Bäuerinnen und Bauern, bei den Land frauen, die den ländlichen Raum in verschiedenster Art wirk lich am Leben erhalten. Ich möchte mich bedanken bei den Beamten und den Beratern im Weinbau, bei der Landesforst verwaltung, der Landwirtschaftsberatung, beim Verbraucher schutz, bei der Aus-, Weiter- und Fortbildung, den Fachschu len, aber auch den Hochschulen – die Frau Wissenschaftsmi nisterin ist nicht da – Nürtingen und Hohenheim, die durch aus praxistaugliche Forschung machen,
und auch bei der Flurneuordnung, die Gott sei Dank immer noch ein bisschen die Wirtschaftlichkeit im Auge hat.
Wir haben im Finanzausschuss vier Kapitel abgelehnt, fünf Kapiteln zugestimmt. Wir werden hier dem Gesamthaushalt, weil er wirklich die Schwerpunkte verfehlt, nicht zustimmen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war jetzt schon interessant, die Stellungnah men der Oppositionsfraktionen zu hören, die ganz unterschied lich eingreifen.
Herr Kollege Dr. Bullinger, Sie haben anfangs eine Schärfe in dieses Thema hineingebracht, die nicht wirklich notwendig ist
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ja! Das war ja bisher schläfrig! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Nicht Schärfe, sondern Leidenschaft!)
und die die vielen Gemeinsamkeiten, die es über die Fraktio nen hinweg im Ausschuss bisher gab – da nehme ich die AfD einmal aus –, auch ein Stück weit konterkariert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Baden-Württem berg ist auch agrarpolitisch ein Erfolgsmodell. Dazu will ich gleich noch ein paar Takte sagen.
Was macht das Land zum Erfolgsmodell in Europa? Die Ant wort ist eigentlich klar. Es sind starke, lebenswerte ländliche Räume, die auf Augenhöhe mit den Metropolregionen stehen. Das liegt zweifelsohne daran – es wurden schon Zahlen ge nannt –, dass sich 70 % der Menschen dem ländlichen Raum verbunden fühlen; tatsächlich leben dort aber nur 30 %. Wenn man die Landesabgrenzungen nimmt: 70 % der Bevölkerung leben in den Metropolregionen und Ballungsräumen, während 30 % im ländlichen Raum leben, der wiederum 70 % der Lan desfläche ausmacht.
Eine ganz andere Zahl zeigt, dass es eben nicht so ist wie bei spielsweise in Frankreich, dass die ländlichen Räume irgend wie abgehängt werden oder am wirtschaftlichen Leben nicht teilhaben. Also zwischen Paris und dem Atlantik finden sich nur noch ein paar Kühe,
ein paar Felder und Ackerbau. Mehr ist dort nicht mehr los. Machen wir uns nichts vor. Bei uns finden Sie allüberall wirt schaftliche Betätigung – zwar außerhalb der Landwirtschaft, aber in starken ländlichen Räumen. 30 % der Menschen – die Menschen im ländlichen Raum – erwirtschaften etwa auch 30 % des Bruttosozialprodukts. Das heißt, die Menschen im ländlichen Raum nehmen im Verhältnis zu ihrem Bevölke rungsanteil in gleicher Weise an der wirtschaftlichen Entwick lung und an der Wertschöpfung teil wie die in den Ballungs räumen.
Deshalb ist es wichtig, dass wir den ländlichen Raum auch als ganzheitliche Politikentwicklung begreifen. Die Landesregie rung hat den Kabinettsausschuss „Ländlicher Raum“ einge richtet, weil wir ganzheitlich ein paar Dinge angehen müssen, bei denen wir die Mithilfe aller Ressorts – ich will mich aus drücklich bedanken, dass die Zusammenarbeit innerhalb der Landesregierung wirklich gut klappt – und aller Fachbereiche brauchen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, hart arbeitende, hei matverbundene Landwirte sind ein unverzichtbarer Bestand teil ländlicher Räume – das verbindet man damit –, und sie halten auch das offen, was ein Stück weit Landeskultur aus macht. Wenn Sie morgens das Fenster öffnen und grüne Wie sen, Streuobstbäume, Felder und Wälder sehen, dann ist das ein Teil der Kulturlandschaft Baden-Württembergs. Es ist ein Teil des Lebensgefühls der Baden-Württemberger, und in die sem Lebensgefühl fühlen sich auch außerlandwirtschaftliche Bereiche wohl. Es ist kein Wunder, dass sich viele der Hid den Champions gerade nicht in Stuttgart und den Metropol regionen Mannheim, Freiburg und anderen ansiedeln, sondern irgendwo anders, wo man heute aus regionalplanerischen Überlegungen heraus mit Sicherheit keinen Industriestandort vermuten würde.
Ich denke dabei etwa an fischer in Waldachtal oder an ebmpapst in Mulfingen. Das sind einfach gewachsene Strukturen in den ländlichen Räumen, die dazu beitragen, dass Industrie, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft Hand in Hand laufen. Diese Situationen müssen wir halten und bewahren.