Das ist auch die Herausforderung, die sich dieser Regierung gestellt hat und die wir einlösen müssen. Da werden wir na türlich nur Stück für Stück vorankommen. Wir versuchen, im Kabinettsausschuss einige Projekte, bei denen man merkt, es brennt wirklich – daran kann das Thema letztlich auch schei tern –, in Gang zu bringen, z. B. das Thema Arztversorgung. Arzt ist ein freier Beruf, und deshalb können wir nicht sagen, Ärzte müssen dort hingehen und sich dort niederlassen, wo wir sie brauchen, sondern wir müssen sie in diesem Sinn über zeugen.
Also brauchen wir im Zweifelsfall andere Formen der Be schäftigung. Wir probieren es mal aus – gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen, dem Gemeindetag BadenWürttemberg und dem Genossenschaftsverband – als Projekt des Kabinettsausschusses, ein, zwei, drei Modelle von Anstel lungsgenossenschaften zu finden, die vorzugsweise Frauen anstellen. Denn wir haben festgestellt: Es mangelt nicht an Medizinern in Deutschland und in Baden-Württemberg; die Zahl der Mediziner ist gleich geblieben oder sogar gestiegen. Aber die Struktur hat sich verändert. Es sind mehr Frauen in diesem Beruf; das ist durchaus zu begrüßen. Fast drei Viertel der Mediziner sind mittlerweile Frauen. Das hängt wahr scheinlich mit dem Numerus clausus zusammen.
Das ist so. Man muss einfach sagen: Frauen sind zielstrebi ger – überhaupt keine Frage –, arbeiten darauf hin. Wenn der NC 1,0 beträgt, dann wirkt sich das entsprechend aus.
Aber wir wissen aus Untersuchungen auch, dass deren Anfor derungsprofil ein anderes ist. Wir wissen aus Untersuchungen, dass sie z. B. auch eine gute Kinderbetreuung und ein gutes familiäres Umfeld wollen, dass sie gesicherte Vertretungen haben wollen.
Das alles kann ein Landarzt in klassischer Form nicht leisten. Also brauchen wir neue Beschäftigungsformen. Das probie ren wir mit dem Genossenschaftsmodell aus, indem dann eben nicht nur eine Frau als Medizinerin bzw. Ärztin angestellt wird, sondern zwei oder drei, die sich gegenseitig vertreten können, und Strukturen vorhanden sind, bei denen sie ihr Ide albild vom Leben auf dem Land ein Stück weit umsetzen kön nen. Wir haben keine andere Wahl, als solche Formen zu ent wickeln, weil wir uns nach dem Willen und den Wünschen der Frauen richten müssen und nicht einfach sagen können: „Jetzt müsst ihr aber machen.“ Das ist der entscheidende Punkt.
Genauso gibt es eine ganze Reihe anderer Projekte, die der Kabinettsausschuss aufgreift, etwa in der Frage der Mobilität. Wir haben – das muss man wirklich sagen – tolle individuel le Mobilitätsprojekte von Kommunen, von Organisationen und dergleichen mehr. Diese wollen wir jetzt einmal zusammen tragen. Denn das muss nicht jeder neu denken. Man braucht nicht immer selbst Neues zu erfinden, man darf hier auch ab schauen und gute Modelle für die eigene Gemeinde überneh men. Solche Themen sind im Kabinettsausschuss angesiedelt.
Wir stehen natürlich auch vor der Frage – die haben wir jetzt hier im Kabinettsausschuss, Herr Kollege Nelius –, wie wir die Flächenproblematik überwinden. Das ist gar nicht so ein fach. Zu Mobilitätsfragen haben wir – das hat mein Amtsvor gänger noch in Auftrag gegeben – eine Erreichbarkeitsstudie von der Uni Stuttgart und, ich glaube, der Uni Düsseldorf am Modell Calw entwickeln lassen. Calw ist ein gutes Modell für einen ländlichen Kreis, weil Teile davon ballungsraumnah sind und vom Ballungsraum beeinflusst sind und andere Tei le wirklich streng ländlich sind. Zudem ist dort die Topogra fie schwierig, weil dort die Nord-Süd-Täler schwierig nach Osten und Westen zu überwinden sind und dergleichen mehr. Es ist also ein gutes Beispiel für den ländlichen Raum.
Wir haben festgestellt, dass zur Mobilitätssicherung letztlich mehrere Maßnahmen notwendig sind. Es geht nicht nur, aber auch um Straßenausbau – um auch das klar zu sagen, Winne Hermann –; den brauchen wir auch im ländlichen Raum, auch dort, wo die Fahrzeugbelastungen nicht so hoch sind wie im Ballungsraum. Das muss man klar sagen; das ist völlig lo gisch.
Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Zur ganzen Wahrheit bei der Mobilitätssicherung und Erreichbarkeitssicherung ge hört eben auch, dass man auch anders denken muss. Es geht nicht nur darum, wie der Bürger irgendwo hinkommt, sondern die Frage ist, wie man Ziele letztlich auch erreichen kann. Es kann auch der umgekehrte Fall eintreten, dass der Bürger selbst angefahren wird, beispielsweise von einer Gemeinde verwaltung.
Nutzen wir doch einfach die Digitalisierung. Warum müssen überall dezentrale Ortschaftsverwaltungen etc. aufrechterhal ten werden? Im Zweifelsfall kann auch der Gemeindebeamte mit dem Laptop und dem Koffer vor Ort den Passantrag auf nehmen. Das kommt im Zweifelsfall günstiger, als Gebäude, Räumlichkeiten etc. zur Verfügung zu stellen.
Es geht auch um die Frage der Nutzung der E-Mobilität im ländlichen Raum. Es kann gut sein, dass die Gemeindeverwal tung ein Elektroauto vorhält. Aber warum soll dieses abends, nachts und am Wochenende in der Gegend herumstehen, wenn es die Verwaltung nicht braucht? Eine der Gemeinden, die sich an dem Versuch beteiligt haben, stellt ein solches Fahrzeug außerhalb der Dienstzeit den Bürgern zur Verfügung, die dann im Prinzip unproblematisch quasi Carsharing betreiben kön nen.
Das sind Modelle, die wir einfach ausprobieren müssen. Nicht jedes Modell wird zum Erfolg führen. Nicht jedes Modell ist geeignet, übertragen zu werden, aber die Vielzahl und die Vielfalt sind es, die im Prinzip am Ende den Erfolg ausma chen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen in Zu kunft aber auch eine flächendeckende Landwirtschaft. Bäue rinnen und Bauern arbeiten täglich ziemlich hart für gute und gesunde regionale Lebensmittel und für den Erhalt der Kul turlandschaft. Deshalb will ich den Regierungsfraktionen herz lich dafür danken, dass es möglich war, in einer besonderen Notsituation ein Zeichen zu setzen. Es ist notwendig und rich tig, dass wir den landwirtschaftlichen Betrieben im Land auf grund der Frostkatastrophe mit nahezu 50 Millionen € helfen. Ich habe es an anderer Stelle schon gesagt: Der Frost war jetzt nicht ungewöhnlich, aber die Tatsache, dass die Auswirkun gen ungewöhnlich waren, hängt mit der Klimaveränderung zusammen, weil der letzte März
(Abg. Rüdiger Klos AfD: Das ist eine steile These! – Gegenruf des Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Für den, der keine Ahnung hat, schon!)
das ist keine steile These, sondern das ist belegt – der wärms te März seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen in Deutschland war. Das steht fest. Eine Kulmination der Höhe punkte und der Sondersituationen ist in den letzten 30 Jahren belegt.
Herr Kollege, Sie mögen immer noch zu den Leugnern des Klimawandels zählen, aber wir sind uns über die Ursachen ei nig. Fragen Sie doch einmal die Winzer, die Herr Stein vor hin angesprochen hat, und in Ihren landwirtschaftlichen Run den, die Sie machen wollen. Fragen Sie doch einmal, wie sich die Vegetationszeit entwickelt hat.
Dabei werden Sie feststellen, dass wir um 14 Tage längere Ve getationszeiten und eine Klimaerwärmung um 2 Grad Celsi us haben. Das ist nicht wegzuleugnen, um das einmal ganz klar zu sagen. Sie können Herrn Trump Guten Tag sagen und ihn willkommen heißen.
Sie mögen immer noch behaupten, dass die Klimaerwärmung nichts mit menschlichen Einflüssen und dem Verbrennen fos siler Brennstoffe zu tun habe. Aber das ist eine Einzelmei nung, und damit werden Sie sich im Zweifel selbst Ihr eige nes politisches Grab schaufeln.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Anton Baron AfD: Aha! – Glocke der Präsi dentin)
(Abg. Rüdiger Klos AfD: So viel zum Grab! – Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Eine Frage! Eine höfliche Frage!)
Sie müssen sich daran gewöhnen, dass Sie einen politischen Diskurs betreiben, und brauchen nicht zu meinen, durch Zwi schenrufe könnten Sie die Politik in Deutschland und in Ba den-Württemberg beeinflussen.
Deshalb noch einmal herzlichen Dank für die Frosthilfe, die notwendig war, die aber auch gezeigt hat: Wir müssen im Lau fe der nächsten Jahre das Risikomanagement im Bereich des Klimawandels und die Risikovorsorge auf andere Füße stel len.
Wir haben in Deutschland immer gedacht, wir seien nicht so stark betroffen. Andere Länder – beispielsweise Italien und Frankreich, eigentlich 17 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – machen schon etwas zum Thema Risikovorsorge; sie haben unterschiedliche Systeme von Versicherungs- und Fonds lösungen auf Gegenseitigkeit geschaffen. Überall beteiligen sie auch Landwirte, und die Landwirte müssen sich auch an der Vorsorge beteiligen. Aber überall – das ist innerhalb der Europäischen Union Common Sense und auch Usus – betei ligt sich der Staat an den Prämien und an der Vorsorge.
Dahin müssen auch wir kommen, dass wir einen Fonds schaf fen, Versicherungslösungen schaffen, bei denen – das Land muss das ja nicht allein schultern – Bund und Länder gemein sam mit den Landwirten, die wir in die Verantwortung neh men wollen, ein Risikomanagement aufbauen, damit wir nicht jedes Mal über Frostprogramme, Unwetterprogramme, Hoch wasserprogramme, Sturmprogramme und Schadensbeteili
gung reden müssen, sondern eine entsprechende Vorsorge tref fen können. Das ist eine Aufgabe, die ich mir ganz persönlich stelle, auch in den Bund-Länder-Verhandlungen der nächsten Jahre, auch in den Koalitionsverhandlungen,
die jetzt immer wieder, Herr Bullinger, so schlechtgeredet werden. Das Sondierungspapier war ja kein Koalitionspapier. Ich fand es hervorragend.
Ich hielt es für die Landwirtschaft in Deutschland für einen Fortschritt, und Sie haben sich vom Acker gemacht. Das ist doch die Wahrheit. Das muss man doch auch mal sehen!
(Lebhafter Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das lässt tief bli cken, wenn Sie dieses Papier auch noch gut finden und verteidigen! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP/DVP)
Das muss nicht tief blicken lassen. Sie dürfen mir schon zu trauen, dass ich von der Sache – der Kollege Dr. Bullinger hat mir das durchaus auch attestiert – etwas verstehe.
Aber ich sage nochmals: In der politischen Bewertung war das ein gutes Programm. Dieses Programm hätte für die Land wirtschaft in Deutschland in den nächsten vier Jahren einen wirklichen Schub nach vorn gebracht.