Protokoll der Sitzung vom 15.12.2017

Warten Sie einmal, es geht noch weiter. – Was Sie überhaupt nicht thematisieren, ist, dass wir noch zwei Tarifrunden vor uns haben. Das sind für die Jahre 2018 und 2019 geschätzt ungefähr 400 Millionen €, die noch nicht einmal ansatzweise berücksichtigt wurden.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Das steht den Be amten zu! Wir sind fürsorgliche Begleiter, Herr Kol lege!)

Herr Reinhart, Entschuldigung, wen wollen Sie denn für dumm verkaufen? Ihr Bildungsetat ist völlig unzureichend fi nanziert. Das hat nichts mit Zukunftsgestaltung zu tun, das ist Raubbau an unseren Schulen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hans Peter Stauch AfD – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Fünf Jah re habt Ihr nichts gemacht! Wir erhöhen jetzt!)

Es wird Ihnen auch nicht gelingen, den Mangel schönzudefi nieren. In der Inklusion haben Sie bereits im Frühjahr ange fangen und die Order von oben erteilt, bei der Bedarfsfeststel lung genauer hinzuschauen. Kritik von Eltern und Lehrkräf ten an diesem Vorgehen – so empfinden es viele – wird wie mit dem eisernen Besen behandelt. Das gilt übrigens auch, wenn es um Nachfragen kritischer Natur zu den Themen Ge meinschaftsschule oder Aufstiegsqualifizierung geht. „Reso lut oder rüde?“, so fragte die „Südwest Presse“ am 12. De zember 2017 mit Blick auf den Politikstil der Kultusministe rin.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Frau Ministerin, bei allem Respekt, aber Sie müssen aufpas sen, dass es am Ende des Tages nicht heißt: Beides – resolut im Schönrechnen und rüde im Abbügeln.

(Beifall bei der SPD)

Aber, Kolleginnen und Kollegen, Täuschungsversuche sind das eine, verpasste Chancen sind das andere. Stichwort „Ge bührenfreiheit in Kindertagesstätten“: Auch hierzu stehen Sie bei den Bürgerinnen und Bürgern im Wort. Wir sind damit einverstanden, dass Sie mehr als 80 Millionen € in eine Qua

litätsoffensive investieren wollen. Wir werden Sie übrigens auch nicht aus der Verantwortung entlassen, bis ein schlüssi ges Konzept vorliegt. Die jetzige Haushaltslage erlaubt aber trotzdem, gleichzeitig den Einstieg in die Gebührenfreiheit vorzunehmen. Zwei so wichtige Themen jetzt gegeneinander auszuspielen ist kurzsichtig und schadet dem Land.

Die Gebührenfreiheit ist ein wichtiges Signal für die Famili en. Über Jahrzehnte trug Baden-Württemberg unter den CDUregierten Ländern die rote Laterne beim Ausbau frühkindli cher Bildungs- und Betreuungsangebote.

(Abg. Andreas Stoch SPD: So ist es!)

Erst mit dem Regierungswechsel 2011 hat maßgeblich die SPD die Wende eingeleitet und dieses Land in Sachen Quali tät auf einen Spitzenplatz geführt.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: Ja, das sieht man!)

Fragen Sie bei der Bertelsmann Stiftung nach.

(Beifall bei der SPD)

Sie werden sich heute entscheiden müssen: Bleiben Sie – –

(Unruhe bei der CDU)

Ich bin da völlig entspannt.

(Zuruf von der CDU: Das ist ja das Dilemma! – Hei terkeit)

Das Lob kommt nicht von uns, es kommt von der Bertelsmann Stiftung, die Baden-Württemberg außerordentliche Verdiens te zugewiesen hat. Das hat auch mit dem damaligen Kultus minister Andreas Stoch zu tun. Darauf sind wir noch heute stolz.

(Beifall bei der SPD – Unruhe bei der CDU)

Nein, Sie werden sich heute entscheiden müssen: Bleiben Sie einmal mehr nur bei Lippenbekenntnissen und Sonntagsre den? Oder sind Sie bereit, bei der wichtigen gesellschaftspo litischen Maßnahme „Gebührenfreiheit für den Kindertages stättenbesuch“ voranzukommen? Die SPD in Baden-Würt temberg will Familien entlasten. Stimmen Sie unserem An trag zu. Der Einstieg in die Gebührenfreiheit für den Besuch von Kindertagesstätten muss jetzt kommen.

(Beifall bei der SPD)

Qualität – da sind wir uns, wie ich glaube, im Hause einig – ist nicht nur für Kindertagesstätten wichtig.

(Zuruf von der CDU: Ja, genau!)

Ja, Kollegin Boser, ja, Kollege Röhm, wir brauchen bessere Ergebnisse. Darum wollen wir Ihre Lehrerstellenstreichung zurücknehmen. Wir haben solide gegenfinanzierte Anträge für die Einstellung von Gymnasiallehrkräften vorgelegt. Ich ha be es gesagt: Über 2 200 Lehrkräfte

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Welcher Qualität?)

haben in diesem Jahr keine Stelle bekommen, während an den Schulen Unterricht ausfällt. Das grenzt an einen Skandal.

Wir fordern eine deutliche Einstellungsoffensive. Wir fordern die Schaffung von 100 Stellen für Gemeinschaftsschulen, 100 Stellen für die beruflichen Schulen und 75 Stellen für die Auf stockung der Krankheitsreserve und des Entlastungskontin gents auch an den Gymnasien.

Wir fordern Stellen für die dauerhafte Entfristung der Lehr kräfte, die in der Sprachförderung an Schulen tätig sind. Wir fordern eine Aufstockung um 200 Studienplätze in der Son derpädagogik. Frau Boser, wenn Ihnen Inklusion so wichtig ist, warum haben Sie seitens der Fraktion GRÜNE unsere An träge dazu abgelehnt?

Auch für die Bezahlung befristeter Lehrkräfte über die Som merferien fordern wir Mittel, insbesondere sofern von Anfang an klar ist, dass diese Lehrkräfte nach den Sommerferien wei terhin gebraucht werden. Ferner brauchen wir Stellen für den Abbau des Beförderungsstaus bei Fachlehrern und techni schen Lehrkräften, damit sich der Quereinstieg lohnt.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Seit wann sind Sie im Landtag?)

Außerdem fordern wir deutlich mehr Geld für die Schulsanie rung und eine Stärkung des lebenslangen und demokratischen Lernens. Wir wollen eine deutliche Aufstockung der Förde rung der Volkshochschulen und kirchlichen Weiterbildungs träger. Wir müssen in diesem Land zumindest den bundes deutschen Durchschnitt erreichen.

Kolleginnen und Kollegen, Zukunft gestalten Sie nicht mit dem eisernen Besen. Zukunft im Bildungsbereich gestalten Sie durch eine ausreichende Anzahl von Lehrerstellen und ei ne motivierte Lehrerschaft, die bereit ist für Fortbildung und neue Methoden, demokratische Impulse und eine Stärkung der Familien im Land. Dafür steht die SPD.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das war moderner Unterricht! Er stellt sich sei ne Fragen selbst!)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Dr. Kern das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Auf der einen Seite umfasst der Kul tushaushalt heute immerhin 11 Milliarden €, aber auf der an deren Seite fällt an den Schulen in unserem Land in erhebli chem Maß Unterricht aus oder muss fachfremd erteilt werden. Dieser Widerspruch legt doch ganz erhebliche grundsätzliche Störungen im Betriebssystem Schule offen.

Darum wird es allerhöchste Zeit für eine fundierte Erhebung des Bedarfs an Lehrerstellen, wie ich sie im Namen der FDP/ DVP-Fraktion nun schon seit Jahren gebetsmühlenartig for dere.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Dass der Rechnungshof mit dieser Aufgabe betraut wurde, stimmt uns hoffnungsfroh, auch wenn der Bericht nun schon seit über einem halben Jahr auf sich warten lässt. Roland Mu schel hat es diese Woche vollkommen richtig formuliert – ich zitiere –:

Ein zweiter Schönheitsfehler ist das Fehlen eines längst erwarteten Rechnungshof-Gutachtens über den Kultus bereich. Die Schüler-Lehrer-Relation ist in Baden-Würt temberg besser als andernorts; jeder fünfte Euro, den das Land investiert, fließt in die Schulen – leider mit beschei denem Erfolg. Eine kritische Analyse, ob die 117 000 Leh rer im System alle gewinnbringend eingesetzt werden, ob es mehr Stellen oder einer besseren Steuerung oder bei der Maßnahmen bedarf, ist daher überfällig.

„Südwest Presse“ vom 13. Dezember 2017. – Und er hat voll kommen recht.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Denn es geht auch anders. Das Land Hessen beispielsweise erfasst den Unterrichtsausfall systematisch, hat dadurch einen guten Überblick über den tatsächlichen Bedarf einer Schule an Lehrern und kann jeder Schule ein Budget für die Unter richtungsversorgung zuweisen nach dem Muster: 100 % für den Pflichtunterricht plus x als Reserve gegen Unterrichtsaus fall oder für besondere inhaltliche Schwerpunkte der jeweili gen Schule. So wird die Eigenverantwortung der Schulen ge stärkt, und zwar nicht, indem ihnen nur einseitig mehr Aufga ben übertragen werden, sondern auch, indem ihre Ausstattung transparent und auskömmlich berechnet wird. Das sind unse re Vorstellungen von guter Schulpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Thomas Hentschel GRÜNE)

Wenn die Kultusministerin es mit ihrem Qualitätsversprechen wirklich ernst meint und sie die Unterrichtsversorgung subs tanziell verbessern will, muss sie nach unserer Auffassung auch die Eigenverantwortung der Schulen stärken.

Aus diesem Grund haben wir beantragt, dass die frei werdenden Mittel aus den rund 600 zu Beginn des Schuljahrs 2017/2018 nicht besetzten Lehrerstellen nicht, wie von der Landesregie rung geplant, in den Landeshaushalt zurückfließen. Die Mit tel sollten vielmehr bei den betroffenen Schulen verbleiben. Davon könnten sie Verwaltungskräfte, Pädagogische Assis tenten oder Schulsozialarbeiter einstellen. Dadurch entlastet man Schulleiter und Lehrer, damit diese sich endlich wieder mehr ihrer Kernaufgabe zuwenden können, nämlich der päd agogischen Arbeit.

(Beifall bei der FDP/DVP)