Protokoll der Sitzung vom 20.12.2017

Stellen Sie sich einen Augenblick vor, viele – sogenannte – Gastarbeiter in den Sechziger- und Siebzigerjahren

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE zur AfD: Ist das heute Ihr Leistungsnachweis? – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

oder viele Kriegsflüchtlinge aus Jugoslawien in den Neunzi gern wären nicht gekommen: Dann wäre mancher Daimler nie gebaut, manche IT-Firma nie gegründet, manches Restau rant nie eröffnet worden und mancher Handwerker mangels Nachwuchs Pleite gegangen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP – Zurufe von der AfD, u. a. Abg. Dr. Heiner Merz: Die, die jetzt kommen, bekommen zu 70 % Hartz IV, auf Dauer!)

Sie setzen auf Abschottung, auf Abgrenzung, auf das Schüren von Ressentiments.

(Zuruf zur AfD: Das ist doch ein dummes Geschwätz! – Gegenruf: Ihres vielleicht! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Keine Ahnung! – Glo cke des Präsidenten)

Wir setzen auf ein weltoffenes Baden-Württemberg, meine Damen und Herren. Deshalb ist es nur gut und richtig, dass Ihre Anträge im Finanzausschuss und auch hier im Plenum entschieden abgelehnt worden sind.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Anton Baron AfD: Integrationsmanager! Ge nau!)

Zum Thema Schuldentilgung: 2017 haben wir 400 Millionen € implizite Schulden getilgt, 2018 und 2019 tilgen wir weitere 3,8 Milliarden € implizite und erstmals auch explizite Schul den – explizite Schulden: Kreditmarktschulden; implizite Schul den: insbesondere Abbau des Sanierungsstaus bei landeseige nen Gebäuden und Straßen. Es ist also insgesamt ein Schul denabbau in Höhe von 4,2 Milliarden € in nur drei Jahren. Meine Damen und Herren, das gab es in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg noch nie. Das ist eine historische Trendwende, und es ist ein Meilenstein für nachhaltige Finan zen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Und keine Leistung dieser Regierung!)

Wir bauen kräftig Kreditmarktschulden und implizite Schul den ab, wir vergrößern die Spielräume für kommende Gene rationen, und wir machen den Haushalt wetterfest. Die Oppo sition hat kein tragfähiges alternatives Konzept, kein tragfä higes Gegenkonzept vorgelegt, nein. Mal hieß es, wir würden Kreditmarktschulden nur in homöopathischer Dosis tilgen, dann wurde kritisiert, dass wir implizite Schulden tilgen. Bei de Vorwürfe sind Unsinn, und beides weise ich hier entschie den zurück.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Lassen Sie mich – weil Sie die Vorwürfe wiederholt vorge bracht haben – noch einmal ein paar Fakten nennen: Um die Schuldenbremse des Grundgesetzes auf Landesebene einzu halten, wurde im Jahr 2012, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in der Landeshaushaltsordnung eine stufenwei se Rückführung der Neuverschuldung verankert. Ziel war: 2020 keine neuen Schulden. Dieses Ziel haben wir aber schon 2015, 2016 und 2017 erreicht und werden es auch 2018 und 2019 erreichen, also viel früher als gesetzlich vorgeschrieben. Das ist doch ein großartiger Erfolg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Auch mein Vorgänger Nils Schmid hat an diesem Erfolg sei nen Anteil, ebenso wie – ich habe es auch eingangs schon ge sagt – Günther Oettinger, der während seiner Amtszeit als Mi nisterpräsident einen klaren Konsolidierungskurs begonnen hat.

Die gute Entwicklung der Steuereinnahmen hat jetzt dazu ge führt, dass sich das Recht auf neue Schulden in eine Verpflich tung zur Tilgung umgekehrt hat. Das ist positiv. Wir nehmen das ernst, wir setzen das um, und zwar vollständig.

Im letzten Jahr haben wir die Verordnung zur Landeshaus haltsordnung geändert. Das ist richtig. Der Landtag hat dies übrigens mehrheitlich im Staatshaushaltsgesetz 2017 so be schlossen.

(Abg. Anton Baron AfD: Na ja!)

In der Verordnung zu § 18 LHO ist klar geregelt, was unter implizite Verschuldung fällt. Da Sie alle immer so tun, als wä re das nicht geregelt, lese ich Ihnen das jetzt einmal vor:

(Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP: Sie wissen aber auch, was der Landesrechnungshof dazu gesagt hat! – Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Gut zuhören!)

Unter Schulden sind sowohl die Schulden am Kreditmarkt als auch die implizite Verschuldung zu verstehen. Als im plizite Verschuldung ist der verdeckte Teil der öffentlichen Verschuldung anzusehen. Die implizite Verschuldung kann insbesondere abgebaut werden durch Sanierungs- und Er haltungsmaßnahmen

(Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD)

beziehungsweise Ersatzinvestitionen oder durch die Til gung von Eventualverbindlichkeiten, zum Beispiel aus übernommenen Bürgschaften oder sonstigen Gewährleis tungen. Dem entspricht die Zuführung von Mitteln an Rücklagen, soweit sie diesem Zweck dienen. Unter Ersatz investitionen sind solche Investitionen zu verstehen, die dem Ersatz abgenutzter oder funktionsuntüchtiger Ver mögensgegenstände dienen.

Meine Damen und Herren, das ist doch eine ganz klare Defi nition. Wo ist eigentlich Ihr Problem?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Aden?

Bitte schön.

Kollege Dr. Aden, bitte.

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Frau Ministerin, Sie wissen aber selbst: In der letzten Sitzung des Finanzausschusses, in der wir den Staatshaushaltsplan beraten haben, hat ein Vertre ter des Landesrechnungshofs groß und breit erklärt, was im plizite Verschuldung ist. Dann habe ich nachgefragt: Werden die Kriterien, die der Landesrechnungshof zum Prinzip der impliziten Verschuldung aufgestellt hat, von der Regierung eingehalten? Geben Sie mir zu – das ist jetzt meine Frage –, dass die Antwort ein ganz klares Nein war?

Ich glaube, da waren Sie in einer anderen Sitzung als ich.

(Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP: Das glaube ich allerdings nicht!)

In der Stellungnahme des Rechnungshofs vom 21. November 2016 ging es um die Frage der impliziten Verschuldung. Ich lese Ihnen einmal vor, was der Rechnungshof schreibt:

Der bestehende Sanierungsstau kann nach Auffassung des Rechnungshofs als implizite Verschuldung angesehen wer den. Der Rechnungshof erhebt keine grundsätzlichen Ein wendungen, wenn während der Übergangszeit die impli zite Verschuldung reduziert und auf die Tilgung von Kre ditmarktschulden verzichtet wird.

(Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD)

Der Rechnungshof findet es in dieser Niedrigzinsphase also explizit wirtschaftlicher, den Sanierungsstau abzubauen, als nur Kreditmarktschulden zu tilgen. Genau dies, Herr Kollege

Dr. Aden, hat Herr Dr. Walch in der Sitzung des Finanzaus schusses auch so gesagt. Es gibt lediglich einen Punkt,

(Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP: Aha!)

bei dem der Rechnungshof uns kritisiert. Das ist die Unter stützung der Kommunen durch den kommunalen Sanierungs fonds. Der Rechnungshof ist für die Tilgung von Kreditmarkt schulden, er ist für die Zuführung von 120 Millionen € an den Versorgungsfonds, die wir vornehmen. Der Rechnungshof un terstützt uns, wenn wir den monatlichen Versorgungsbeitrag bei Personalwechsel auf 750 € und bei zusätzlichen Stellen auf 1 000 € ab 2020 erhöhen. Der Rechnungshof stimmt dem Abbau des Sanierungsstaus zu, und der Rechnungshof hat auch keine Einwände gegen den Abbau von Eventualverbind lichkeiten wie z. B. den Zuschuss zur NECKARPRI. Das ist das, was der Rechnungshof ausgeführt hat. Das, was Sie hier behaupten, Herr Dr. Aden, ist einfach nicht richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP)

Also, meine Damen und Herren, wir halten die Priorität für öffentliche Investitionen in dieser Situation der Niedrigzins phase für absolut richtig. Das sehen nicht nur wir so, auch vie le Experten sehen das so. Sie kennen alle die Fratzscher-Kom mission, Sie kennen die Bertelsmann Stiftung. Die sind alle zu dem Ergebnis gekommen, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um das landeseigene Vermögen – Straßen und Gebäude – zu sanieren.

Insgesamt werden wir mit diesem Doppelhaushalt 1,65 Mil liarden € zusätzliches Geld für Sanierungen haben – 400 Mil lionen € davon für die Universitätsklinika. Das, meine Damen und Herren, ist eine einmalige Chance, um die landeseigenen Straßen und Gebäude auf Vordermann zu bringen.

Liebe Kollegen von der FDP/DVP, wenn wir dann vor Ort sind, die Sanierungsmaßnahmen abgeschlossen sind und wir vielleicht das sanierte Gebäude einweihen, müssen wir leider immer konstatieren, dass Sie nicht für diese Sanierung waren, weil Sie nur für die Tilgung von Kreditmarktschulden und nicht für die Sanierung unserer Gebäude waren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Das gilt dann bei der Hochschule Weingarten, beim Bildungs zentrum Schwäbisch Gmünd, bei der Universität Freiburg, der Universität Stuttgart, der JVA Mannheim, der JVA Rottenburg oder dem Landwirtschaftlichen Zentrum in Wangen. All die sen Sanierungen haben Sie dann nicht zugestimmt, liebe Kol leginnen und Kollegen.

(Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

Also überlegen Sie sich noch einmal gut, ob Sie wirklich bei Ihrer Linie bleiben wollen. Denn es geht hier ja nicht nur um Stein. Da geht es um Menschen, da geht es um die Beschäf tigungsbedingungen, um Studienbedingungen. Da geht es bei den Universitätsklinika auch darum, ob die Patientinnen und Patienten in einer angenehmen und gesundheitsfördernden Umgebung behandelt werden können. All das ist der FDP/ DVP leider nicht wichtig – uns schon.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, gestern habe ich ein Gespräch mit dem Bund der Steuerzahler gehabt. Der Bund der Steuerzah ler ist mit der Finanzpolitik dieser Landesregierung

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

und der sie tragenden Fraktionen zufrieden.

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Besonders bei den Stellenschaffungen! – Abg. Anton Baron AfD: Oje, oje! Das besorgt mich jetzt schon!)