Protokoll der Sitzung vom 31.01.2018

Deshalb möchten wir nicht verschweigen, dass es bei uns im Land durchaus Regionen gibt, in denen die Hilfsfristen nicht eingehalten werden.

(Abg. Klaus Dürr AfD: Im ländlichen Raum!)

Deshalb ist es nicht richtig, Herr Kollege Rülke, hier einfach zu pauschalisieren.

(Abg. Anton Baron AfD: Und dann schließen Sie die Krankenhäuser! – Zuruf des Abg. Klaus Dürr AfD)

Sie haben es schon erwähnt: Wir haben eine doppelte Hilfs frist als Plangröße. So sollen der Notarzt und der Rettungs wagen in 95 % aller Fälle nach höchstens zehn, jedoch spä testens nach höchstens 15 Minuten bei den Betroffenen an kommen. Das sind in der Tat hohe Ansprüche, aber das ist auch gut so. Hier geht es um die Gesundheit der Menschen, hier geht es um den sozialen Zusammenhalt, und hier geht es schlicht um Menschenleben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU und der SPD)

Wenn wir uns die Zahlen der letzten Jahre anschauen, dann stellen wir fest, dass diese hohen Standards eben nicht flächen deckend eingehalten werden. Das ist für uns Grüne, aber auch für die Landesregierung Aufgabe und Ansporn zugleich. Wir wollen besser werden. Wir wollen, dass den Menschen schnel ler Hilfe zuteilwird. Wir wollen, dass Menschen – gerade im ländlichen Raum – sicher sein können, in kürzester Zeit Hil fe zu bekommen.

(Abg. Anton Baron AfD: Was haben Sie bisher ge tan?)

Die Rettungsdienstbereiche Stuttgart, Göppingen, aber auch Ostalb zeigen uns, wie es funktioniert.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Gerade hier haben wir hervorragende Zahlen. Ganz anders sieht es im Landkreis Waldshut und im Rettungsdienstbereich Heilbronn aus. Wir können daher nicht pauschal sagen, dass im Land eine Unterversorgung herrsche. Vielmehr müssen wir genau hinschauen und dann eben individuell die Faktoren identifizieren, die dazu führen, dass es in dem einen Bereich gut und in dem anderen schlecht läuft.

Noch ein Einwand: Sich nur auf die Hilfsfristen zu konzent rieren wäre einfach eine verkürzte Sicht der Dinge.

(Zuruf von der AfD)

Es nützt einem Patienten, einer Patientin, der bzw. die einen Schlaganfall oder einen Herzstillstand hat, gar nichts, wenn die Hilfsfrist von zehn Minuten eingehalten wird.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Denn eben in diesen Fällen sollte der Rettungsdienst spätes tens nach vier, maximal fünf Minuten vor Ort sein. Aber ich brauche Ihnen nicht zu erklären, dass es unmöglich ist, dies umzusetzen. Deshalb ist die Fokussierung allein auf die Hilfs frist falsch. Wir müssen die gesamte Rettungskette anschau en. Da gilt die „Golden Hour“: Vom Eintritt des Notfalls bis

zur Übergabe im Krankenhaus sollte nicht mehr als eine Stun de vergehen.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Deshalb müssen wir auch die Selbsthilfefähigkeit der Men schen vor Ort stärken.

Zur Qualität: Die Qualität im Rettungsdienst steht für uns an oberster Stelle. Um die Qualität sicherzustellen, haben wir das trägerübergreifende Qualitätsmanagement SQR in BadenWürttemberg eingeführt.

(Abg. Rainer Hinderer SPD: Wer hat das eingeführt?)

Ab 2018 werden wir endlich flächendeckend Zahlen für die einzelnen Rettungswachen haben. Eine enge Zusammenarbeit des SQR mit dem Innenministerium wird dann dafür sorgen, dass Bereiche, die nicht gut aufgestellt sind, durch entspre chende Maßnahmen verbessert werden.

(Unruhe bei der AfD)

Wo liegen die Schwierigkeiten des Rettungsdienstes? Herr Dr. Rülke hat es schon angesprochen: im Fachkräftemangel. Die große Herausforderung, die wir meistern müssen, ist die Schaf fung attraktiver Arbeitsplätze. Wir brauchen uns doch nicht zu wundern, wenn junge Menschen den Beruf des Notfallsa nitäters nicht ergreifen. Niedrige Bezahlung, 45-Stunden-Wo che, Schichtdienst,

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Jawohl! Sehr gut!)

starke körperliche und psychische Belastung

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Ja!)

und dann noch die Gewissheit, den Beruf nicht bis ins Ren tenalter ausüben zu können – da brauchen wir uns wirklich nicht zu wundern, wenn junge Menschen diesen Beruf nicht ergreifen. Hier brauchen wir Lösungen, seien es Umschulun gen oder Weiterbildungen, aber auch eine bessere technische Ausstattung der RTWs, welche zumindest die körperliche Be lastung reduziert. Grundsätzlich muss jedoch gewährleistet sein, dass Menschen bis zum Renteneintritt in diesem Bereich tätig sein können.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der AfD)

Ein zweiter Punkt: Einsätze und Fehleinsätze. Die Zahl der Einsätze hat sich in den letzten Jahren exorbitant gesteigert. Dabei handelt es sich beim Rettungsdienst wie übrigens auch bei der Feuerwehr nicht immer um notwendige Einsätze. Die Zahl der Fehleinsätze macht dem Rettungsdienst immer mehr zu schaffen. Obwohl die Hilfsorganisationen in vielen Ret tungsdienstbereichen mehr Personal eingestellt haben, kön nen sie mit der Zunahme der Einsätze einfach nicht Schritt halten. Menschen rufen in ihrer Not den Rettungsdienst an, weil sie Hilfe brauchen, jedoch oft nicht einschätzen können, an wen sie sich sonst wenden sollten.

Auf der anderen Seite gibt es dafür natürlich auch strukturel le Gründe: Die Ausdünnung des kassenärztlichen Notdiens tes, das Zurückgehen der Zahl der Hausarztbesuche daheim und die sich verändernde Krankenhausstruktur sorgen dafür,

dass sich die Menschen immer mehr auf den Rettungsdienst konzentrieren.

Um diese Entwicklung zu stoppen, brauchen wir zwei Ansät ze: Zum einen müssen wir die Leitstellendisponenten besser schulen. An ihnen liegt es, den Menschen die richtige Hilfe zuteilwerden zu lassen; denn sie können viel Druck von den entsprechenden Instanzen nehmen. Zum anderen brauchen wir aber auch eine groß angelegte, flächendeckende Kampagne zur Sensibilisierung der Bevölkerung. Die Menschen im Land müssen wissen: Wofür ist der Rettungsdienst da und wofür nicht?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Rettungsdienst hat Pro bleme. Aber wir können auch stolz sein auf die Leistungen, die die Lebensretterinnen und Lebensretter jeden Tag erbrin gen. Es hilft niemandem, nun kategorisch ein Mehr an allem zu fordern. Was wir brauchen, sind eine Versachlichung der Debatte, passgenaue Lösungen und das Zusammenwirken ver schiedener Stellen.

Das Innenministerium hat bereits erste Konzepte vorgelegt. So installiert es nun die ersten vier Ärztlichen Leiter Rettungs dienst in Baden-Württemberg für eine effektive Ausübung der Aufsicht über die Geschehnisse im Rettungsdienst. Am 2. März wird es zur Zukunft des Rettungsdienstes ein Fachsymposi um mit allen im Rettungsdienst Involvierten in Stuttgart ge ben. Es ist also verfehlt, zu sagen, die Landesregierung sei un tätig. Es ist eben nur so, dass die Aufgabenfülle groß und vor allem sehr komplex ist. Es gibt nicht die eine Maßnahme, die alle Probleme lösen könnte. Wir brauchen einen bunten Strauß von Maßnahmen, um den Rettungsdienst im gesamten Land gut aufzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Anton Baron AfD: Sie sind schon im siebten Jahr in der Regierung!)

Das fängt mit besseren Berufsbedingungen für die Notfallsa nitäter und Rettungsassistenten an, das geht über eine bessere technische Ausstattung der RTWs – Einzugshilfen, Intensiv tragen, Reanimierungshilfen –, das geht über die eventuelle Unterstützung durch Luftrettung, aber möglicherweise auch die Installation neuer Rettungswachen wie z. B. im RemsMurr-Kreis, die Sensibilisierung der Bevölkerung bis hin zu einer Stärkung der Helfer vor Ort.

Ich möchte zum Schluss noch meinen Dank und meine Aner kennung auch im Namen der grünen Landtagsfraktion an alle im Rettungsdienst Involvierten aussprechen. Ich bin mir si cher, dass Innenminister Strobl, nachdem wir nun in letzter Zeit viele Maßnahmen zur inneren Sicherheit ergriffen haben, im Jahr 2018 den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz in den Fokus der Innenpolitik stellen wird.

Danke.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Kollegen Blenke.

Herr Präsident, werte Kollegin nen und Kollegen! Die Menschen, die hauptamtlich und eh renamtlich im Rettungsdienst arbeiten, sind 24 Stunden am

Tag, 365 Tage im Jahr allzeit bereit, Leben zu retten, in Not lagen zu helfen und für die Menschen da zu sein – und das im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht nur physisch, sondern oft mals auch psychisch sehr anspruchsvoll und sehr belastend ist. Diese Menschen verdienen von uns allen Dank und Aner kennung.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Sie kommen, wenn die Bürger die Nummer 112 wählen, und sie kommen so schnell, wie es geht.

(Abg. Anton Baron AfD: Leitstellen!)

Richtig ist auch, dass der Rettungsdienst – das hat die Kolle gin Schwarz schon gesagt – vor großen Herausforderungen steht. Die Einsatzzahlen steigen stetig. Das hat verschiedene Gründe: Es liegt u. a. an der anhaltenden Umstrukturierung in den Krankenhäusern. Maßgeblich ist hier vor allem aber auch – das haben meine Vorredner schon gesagt – die Schnittstelle zwischen dem Rettungsdienst für Notfälle, der echten Notfäl len vorbehalten ist, und dem kassenärztlichen Bereitschafts dienst, der für alle anderen medizinischen Probleme zustän dig ist, der hierfür außerhalb der Praxisöffnungszeiten eigent lich zuständig ist.

Hier besteht ein Sensibilisierungsbedarf in der Bevölkerung. Wir müssen die Bevölkerung stärker dafür sensibilisieren, nicht immer gleich den Krankenwagen zu rufen, wenn ein kleineres gesundheitliches Problem auftritt. Dafür sind die niedergelassenen Ärzte in den Bereitschaftsdiensten zustän dig. Wenn diese Tendenz zu sehr überhandnimmt – und sie nimmt zum Teil sehr überhand –,

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Das kann ein Laie gar nicht so beurteilen! – Zuruf des Abg. Anton Ba ron AfD)

dann werden die Rettungswagen blockiert und stehen für die echten Notfälle vielleicht nicht zur Verfügung. Das ist eine ungute Entwicklung; dies geht so nicht.

Deswegen, meine Damen und Herren, müssen wir beispiels weise auch besser für Folgendes sensibilisieren: Es gibt eine eigene Telefonnummer für die kassenärztlichen Bereitschafts dienste, nämlich 116117. Diese Nummer muss bekannter wer den; die kennt vielleicht nicht jeder. Sie muss also bekannter werden. Da können wir etwas tun.