Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Aber trotzdem: Danke für den Abriss. Es war auch spannend, wie man vom Fahrrad zur stihlschen Motorsäge und zur Inte gration von Saarländern in die baden-württembergische Re gierung kommen kann. Ich bin einmal gespannt, was Minis ter Untersteller nachher dazu zu sagen hat.

Aber zurück zum Thema der Aktuellen Debatte „Baden-Würt temberg als Denkfabrik für Ressourceneffizienz“. Anfang der Woche erhielt ich einen Newsletter des Umweltministeriums, der einen Thinktank „Industrielle Ressourcenstrategien“ an kündigt. Keine Frage – es ist schon klar geworden in der De batte –: Das Thema ist wichtig, wenn es um wirksame und sparsame Nutzung endlicher Rohstoffe geht.

Kaum einer im Raum wird auch etwas gegen den effizienten Einsatz von Rohstoffen, die effiziente Erzeugung von Ener gie oder effiziente Technik haben. Aber was soll eine neue Denkfabrik, der – fast möchte ich sagen: großspurig – ange kündigte Thinktank, in Baden-Württemberg leisten? Was rechtfertigt ihn? Was sind seine konkreten Aufgaben und Pro jekte? Unklar ist aus meiner Sicht: Geht es hier um originäre Forschung oder um Vernetzung – oder vielleicht doch nur um eine zur Hälfte von den Steuerzahlern finanzierte Plattform zur Selbstdarstellung von Gipfeltreffen der Regierung mit der Industrie? Fragen, auf die der Umweltminister nachher viel leicht antwortet.

Die Broschüre des Umweltministeriums, die Anfang der Wo che verteilt worden ist – ich habe sie mir ausgedruckt –, in formiert uns, dass aufgrund der geplanten Zusammenarbeit von Industrie und Politik der Thinktank einzigartig sei und diese ihm die Freiheit, neue Wege zu gehen und weit über Er wartbares hinauszudenken, ermögliche. Auf der nächsten Sei te steht dann noch einmal, der Thinktank sei einzigartig und in der Lage, neue und überraschende Einsichten zu generie ren.

Lieber Herr Umweltminister, auch wenn wir uns im wichti gen Ziel der Ressourceneffizienz einig sind, so halte ich die in der Broschüre zum Ausdruck gebrachte Erwartung des Un erwartbaren und des Einzigartigen doch für ein sehr dick auf getragenes Eigenlob.

(Beifall bei der SPD – Abg. Anton Baron AfD: Steu erverschwendung ist das!)

Und vielleicht darf ich an die Adresse des Saarländers anfü gen: Das gilt, glaube ich, nicht nur für den schwäbischen Ge schmack, sondern mindestens auch für den baden-württem bergischen.

Da passt ins Bild, dass die Denker der Denkfabrik wieder ein mal nur aus Politik und Industrie kommen sollen. Wieder ein mal sucht man in der ganzen Broschüre vergeblich nach ei nem Wort zur Beteiligung von Arbeitnehmern oder Gewerk schaften.

Das Papier aus dem Umweltministerium gibt auch keine Ant worten darauf, ob es nicht sogar effizienter wäre, mit den für den Thinktank vorgesehenen Mitteln in Millionenhöhe die an gewandte Forschung an unseren Hochschulen zu stärken oder

auf bereits vorhandene Projekte der Forschungsgesellschaf ten aufzusetzen.

Ich bin gespannt, welche Antworten Umweltminister Unter steller auf die von mir aufgeworfenen Fragen geben wird.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Bravo! – Sehr gut!)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Frau Abg. Reich-Gutjahr.

(Abg. Anton Baron AfD: Etwas Vernünftiges!)

Guten Morgen, Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir ha ben heute das Thema auf der Tagesordnung: „Baden-Würt temberg als Denkfabrik für Ressourceneffizienz“. Sie haben schon sehr viele Aspekte davon angesprochen. Ich glaube, es ist auch wirklich wert, dass wir ein zweites Mal innerhalb von anderthalb Jahren darüber sprechen. Mir geht das Herz auf, wenn wir so früh am Morgen über ein so schönes Thema spre chen können.

Denn wer, wenn nicht wir, soll das leisten? Die Industrie, das Handwerk, der Handel, die Landwirte, die Gastronomie, die Bauwirtschaft, sie alle haben ein originäres Interesse daran, ressourceneffizient zu arbeiten

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

und die Potenziale zu heben, die es dazu gibt. Denn es spart Geld, und es schont die Umwelt.

Wenn ich dann aber an unsere Landesregierung denke, kom men mir Zweifel,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der AfD)

ob Baden-Württemberg das Land der Ressourceneffizienz, die Denkfabrik für dieses wichtige Thema ist.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Da schließt sich mir das Herz!)

Blicken wir einmal auf die Felder, auf denen man für Ressour ceneffizienz tätig werden kann: Materialeinsatz sparen, Ersatz für kritische Rohstoffe finden und Recyclingkreisläufe schaf fen, das sind drei wichtige Hebel.

Zweifel habe ich, wenn es um das Thema „Materialeinsatz sparen“ geht. Wir haben eine Vielzahl von Vorschriften z. B. im Bau, die Verschwendung geradezu produzieren:

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. An ton Baron AfD: Genau!)

an Wohngebäuden Fahrradstellplätze, die nachher keiner nutzt, Vorgaben zur Lage behindertengerechter Wohnungen in Gebäuden,

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

die dazu führen, dass 30 % mehr Fläche benötigt wird und der gesamte Baukörper aufgebläht wird. Wir haben leere Tiefga ragen in Studentenwohnheimen und altersgerechten Wohnge bäuden, weil die keiner braucht,

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

und wir haben Dämmvorschriften, die einen hohen Materi aleinsatz mit sich bringen –

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Anton Baron AfD)

alles Vorschriften, die diese Regierung geschaffen hat oder weiter bestehen lässt, die genau das Gegenteil von Ressour ceneffizienz bewirken.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Wir sind der Meinung, dass man den Menschen nicht sagen muss, was sie zu tun haben. Wir glauben, dass Menschen selbst sehr gut beurteilen können, was für sie aktuell das Rich tige ist.

(Abg. Anton Baron AfD: Sehr gut!)

Warum soll z. B. jemand, der seinen Energiebedarf zu 100 % aus erneuerbaren Energien deckt, noch eine dicke Dämmung auftragen? Die Bauwirtschaft klagt heute schon über fehlen de Deponien und hohe Materialpreise – Sie hatten es vorhin angesprochen, Frau Lisbach. Den Bedarf an Baumaterialien weltweit hat Herr Sobek einmal an folgendem Beispiel dar gestellt: Wenn auf der Welt alle so bauen wollten, wie die Deutschen dies tun, dann würde man bei dem aktuellen Be völkerungswachstum – das muss man sich einmal vorstellen – einen Bedarf an Baustoff in einem Umfang haben, der 2 km hoch und 30 cm dick – wie die Mauern bei uns eben sind – wäre und einmal um die Erde herum ginge. Das kann nicht die Lösung für die Probleme der Erde sein.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Wir sehen aber auch, dass wir beim Thema Ressourceneffizi enz natürlich immer in einem Spannungsfeld leben. Welche Ressource ist zu welchem Zeitpunkt die wichtigere? Das wird am besten durch die vor Ort Handelnden beantwortet.

Die Denkfabrik Baden-Württemberg sollte aus der politischen Ebene heraus wieder mehr Spielraum geben und Vorschriften beseitigen,

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

die dem entgegenlaufen, und vor allem technologieoffen sein in dem, was sie tut.

(Abg. Anton Baron AfD: Sehr schön!)

Ein weiteres Beispiel für das Thema Ressourceneffizienz ist die Tatsache, dass Sachen früher kaputtgehen als nötig. Man nennt das Produktobsoleszenz. Unsere Fraktion hatte dazu in der letzten Legislaturperiode einen Antrag eingebracht. Das wurde von der Regierung aber nicht wirklich aufgegriffen. Der Ministerpräsident hatte es dann im Rahmen einer Tagung,

die im Oktober 2016 stattfand, angesprochen. Herr Minister Untersteller, was ist denn daraus geworden? Gibt es mittler weile eine Initiative, an dieses Thema heranzugehen? Denn es kann nicht sein, dass Produkte früher kaputtgehen als nö tig.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das machen sie jetzt innerhalb der Koalition!)

Herzstück einer ressourceneffizienten Wirtschaft muss auch eine funktionierende Kreislaufwirtschaft mit ehrgeizigen Re cyclingquoten sein. Denn Wiederverwertung – das ist klar – ist die beste Ressourcenpolitik.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Leider hat Baden-Württemberg mit den anderen grün regier ten Ländern im Bundesrat die Bemühungen um ein neues Wertstoffgesetz blockiert, weil es ihnen nicht gefiel, dass hier der Mittelstand mitmachen sollte und keine Rekommunalisie rung stattfand. Jetzt gibt es ein neues, abgespecktes Verpa ckungsgesetz, das zum 1. Januar 2019 in Kraft treten wird. Wir hoffen, dass es in gleicher Weise wie das ursprünglich vorgesehene Gesetz wirksam wird.

Natürlich hatte die grüne Fraktion bei dem heutigen Thema nicht an so etwas Banales gedacht wie diese Themen, die ich gerade ansprach, sondern an die großen Strategien, die im Ko alitionsvertrag niedergeschrieben sind. „Wir wollen BadenWürttemberg als wirtschaftsstarkes, aber ressourcenarmes Land zum europaweiten Vorreiter machen“,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr gut, Frau Kol legin!)