Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Wir durften vor Kurzem ja schon 150 Jahre Baden-Württem bergischer Genossenschaftsverband feiern. Das zeigt, glaube ich, dass Baden-Württemberg irgendwie Genossenschaft ist. Dies ist also ein Gedanke, der bei uns gut gelandet ist, den es schon sehr lange gibt, ein Modell, das gut läuft und sich in ei ner Art weiterentwickelt, dass man fast sagen kann: BadenWürttemberg, wir sind Genossenschaft.

Ich glaube, die Vorteile des Genossenschaftswesens, die ho he Insolvenz- und Krisenfestigkeit und auch die Pflichtprü fungen, insbesondere aber, dass es keine Abhängigkeiten von Quartalsabschlüssen gibt, das alles macht die Genossen schaftsunternehmen fast so unabhängig wie Firmen, die auf Stiftungen beruhen. Es ist ganz wichtig, eine solche Stabilität zu haben, die es überhaupt erst ermöglicht, eine Idee auch dann umzusetzen, wenn sie nicht bereits im ersten Vierteljahr die erwartete hohe Rentabilität bringt. Das ist das, was unser Land braucht und was es voranbringt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Zwar ist der Gründungsimpuls vor mehr als 180 Jahren im ländlichen Raum gewesen, aber längst sind die Genossen schaften in allen Bereichen angekommen. Wenn wir uns ein mal die neueren Themen anschauen – Quartiersentwicklung, Wohnungsbaugenossenschaften, auch Energiegenossenschaf ten –, dann sehen wir: Wir sind mit den Genossenschaften längst über den ländlichen Raum hinaus in allen Lebensberei chen mittendrin. Das ist wichtig. Das zeigt auch, dass Genos senschaften nicht von gestern sind, sondern eine wichtige Rol le bei der Lösung von Problemen der Gegenwart und, wie es aussieht, auch der Zukunft spielen. Dafür werden sie große Anteile übernehmen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Wichtig ist: Genossenschaften finden passgenaue Lösungen. Genossenschaften bieten Möglichkeiten für passgenaue Lö sungen. Genossenschaften können breit eingesetzt werden und dienen dem Gemeinwohl. Das Schlagwort Gemeinwohlöko nomie ist daher nicht ganz so weit weg. Denn das ist sozusa gen die Ökonomie, die allen dient; das ist ja das, was im wei testen Sinn in diese Richtung geht und wichtig ist.

Wir begrüßen ausdrücklich das Engagement der Genossen schaften in unserem Land und danken insbesondere für das hohe Engagement des Baden-Württembergischen Genossen schaftsverbands, der unlängst seinen 150. Geburtstag feiern durfte. Meine Fraktion und ich bedanken uns für seine Arbeit, mit der er die Genossenschaften auf ihrem Weg in die Zukunft begleitet.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Gern. – Genossenschaften wur den häufig aus der Not heraus gegründet und sind jetzt viel fach hoch erfolgreiche Unternehmen. Wir gratulieren den Ge nossenschaften zu der Art und Weise ihres Arbeitens und zu ihrem Beitrag zur Stabilität unseres Landes. Sie als Partner in Wirtschaft und Gesellschaft auf unserer Seite zu haben ist ein hohes Gut. Herzlichen Dank für ihre Arbeit.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Für die Fraktion der AfD er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Podeswa.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! 2018 wird auch als Raiffeisenjahr bezeichnet. Meine beiden Vorredner haben ausgeführt, welche Gründe dahinter stehen und von welch überragender Bedeutung der Genossenschaftsgedanke für die Entwicklung des Gemeinwesens in Baden-Württem berg, aber auch weit darüber hinaus in Deutschland, in Euro pa und in der ganzen Welt ist.

Vor diesem Hintergrund kann ich mich den Ausführungen meiner Vorredner nur vollumfänglich anschließen und gratu liere natürlich auch von hier aus Herrn Raiffeisen zum 200. Geburtstag.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Was macht die CDU aus diesem bedeutenden Ereignis? Sie macht daraus eine Schaufensteranfrage. Die CDU bringt eine Große Anfrage mit 21 Fragen ein, das von der CDU geführte Wirtschaftsministerium beantwortet die Große Anfrage aus führlich, lang und breit, ohne wesentliche neue Aspekte zu be leuchten oder Regierungsarbeit zu dokumentieren. Welche Be deutung diese Anfrage in der Regierung hatte, zeigt auch die Abwesenheit der Wirtschaftsministerin, die diese Anfrage be antwortet hat.

Wir dürfen also feststellen: Die CDU nutzt diese Schaufens teranfrage zur Selbstdarstellung, und das hat Herr Raiffeisen zum 200. Geburtstag sicherlich nicht verdient.

(Beifall bei der AfD)

Er hat sich sicherlich nicht träumen lassen, von einer siechen den Volkspartei hier vereinnahmt zu werden.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Nun, meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben auf die große Bedeutung der Genossenschaften hingewiesen, und Sie haben dieses Thema hier ins Parlament gebracht – nicht in Form einer Festschrift, sondern in Form einer Debatte. Sie dürfen sich natürlich auch nicht darüber wundern, wenn ich diese Möglichkeit aufgreife.

(Abg. Claus Paal CDU: Zum Inhalt können Sie nichts sagen?)

Zum Stadtbild jeder größeren Gemeinde in Baden-Württem berg – das ist eine der sichtbarsten Ausdrucksformen des Ge nossenschaftsgedankens – gehört die lokale Sparkassenfilia le, die auf der Genossenschaftsidee beruht

(Zurufe: Sparkasse? – Vereinzelt Lachen – Abg. Rein hold Gall SPD: Da sieht man mal wieder: keine Ah nung!)

die ohne jeden Zweifel auf der Genossenschaftsidee beruht –, und gewöhnlich – in Ihrer Gemeinde ist es wahrscheinlich genauso wie in den meisten anderen Gemeinden – steht auf der anderen Seite oder daneben die Volks- und Raiffeisenbank.

(Zuruf von der CDU: Ah!)

Beide zusammen bestreiten – auch das wurde von meinen Vor rednern schon erwähnt – rund 80 % der Mittelstandsfinanzie rung in Baden-Württemberg. Vor diesem Hintergrund muss man auf die überragende Bedeutung der Sparkassen sowie der Volks- und Raiffeisenbanken nicht mehr weiter eingehen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Allein die Volks- und Raiffeisenbanken beschäftigen über 23 000 Mitarbeiter und haben noch rund 2 800 Filialen in Ba den-Württemberg.

Die größte Genossenschaftsbank der Welt ist allerdings we niger bekannt als die Volks- und Raiffeisenbank, die wir aus dem Stadtbild kennen. Die größte Genossenschaftsbank der Welt ist die Europäische Zentralbank. Nun gut, die EZB ist nicht in der Rechts- und Unternehmensform einer Genossen schaft organisiert. Trotzdem: Getreu dem wichtigen genossen schaftlichen Prinzip hat die EZB für jeden Miteigentümer un abhängig von seinem Kapitaleinsatz genau eine Stimme. Deutschland darf zwar für rund 30 % des Risikos bürgen, hat aber genau eine Stimme – wie z. B Malta.

Allerdings ist es nicht der Förderzweck – jede Genossenschaft muss einen Förderzweck definieren – der Europäischen Zen tralbank, die Ersparnisse – wohlgemerkt: hauptsächlich der deutschen Bevölkerung – in die europäischen Staatskassen zu transferieren. Genau das tut die EZB aber mit ihrer Zinspoli tik mit zunehmendem Erfolg.

Damit entzieht sie natürlich auch den Volks- und Raiffeisen banken die Geschäftsgrundlage. Die Folge kann jeder Bürger sehen: Allein in den letzten Jahren sind in der Fläche 25 % al ler Bankfilialen geschlossen worden. Danke dafür, CDU.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Daniel An dreas Lede Abal GRÜNE: Gehört die Bank der CDU?)

Die Politik der EZB entzieht den Bürgern darüber hinaus die Möglichkeit einer sinnvollen Altersvorsorge. Lebensversiche rungen, Bausparverträge: tot. Welche Auswirkungen das auf genossenschaftliche Finanzgruppen wie z. B. die Bausparkas se Schwäbisch Hall hat, brauche ich hier nicht weiter auszu führen. Auch dafür: Danke, CDU.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Abg. Dr. Podeswa.

Nicht genug damit, akkumu lierte die EZB in den letzten Jahren Billionen fauler Kredite – dies entgegen geltender Rechtsprechung, unwidersprochen und kräftig gefördert durch eine CDU-geführte Regierung. Auch dafür herzlichen Dank, liebe CDU.

Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Weirauch.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir freuen uns, dass wir inmitten von – das kann man schon sagen – zwei be wegten Plenartagen auch die Gelegenheit haben, über die Ge nossenschaften in Baden-Württemberg oder in Deutschland allgemein zu sprechen und anlässlich des Raiffeisenjahrs 2018 ein besonderes Augenmerk auf diese Unternehmensform len ken zu können. Ich freue mich, dass wir hier – das kann man schon so sagen – gemeinsam, also konsensuell, die Rolle der Genossenschaften würdigen und gerade auch die für BadenWürttemberg, für unser Land so prägende mittelständische Wirtschaft würdigen.

Der Schirmherr des Raiffeisenjahrs, Bundespräsident FrankWalter Steinmeier, hat darauf hingewiesen, dass in Zeiten tief greifender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umbrüche Friedrich Wilhelm Raiffeisen für seine Mitmenschen Verant wortung übernommen hatte und dies deutlich macht, dass das Engagement des Einzelnen und die Solidarität vieler gerade in schwierigen Zeiten viel bewirken können.

Genossenschaften – das wurde schon erwähnt – gelten insbe sondere in Krisenzeiten als insolvenzresistente Unternehmens formen. Die Verankerung vor Ort und die persönliche Bin dung an die Mitglieder, die alle ein gleiches Stimmrecht in ih rer Genossenschaft haben, machen Genossenschaftsunterneh men insbesondere nachhaltig und demokratisch.

Gerade wir Sozialdemokraten – das nehmen wir für uns in An spruch – können uns mit den Prinzipien der Genossenschaf ten in besonderem Maß identifizieren. Die Prinzipien Selbst hilfe, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung und deren Um setzung in solidarischem Wirtschaften und einer demokrati schen Unternehmenskultur fügen sich nahtlos ein in unseren sozialdemokratischen Wertekanon.

Wenn wir heute, im Raiffeisenjahr, einen Blick zurück auf die Geschichte der Genossenschaften werfen, denken wir Sozial demokratinnen und Sozialdemokraten auch an unsere eigene Geschichte. Die Gründung von Genossenschaften, Konsum genossenschaften, genossenschaftlich organisierten Unterneh men war für die junge Sozialdemokratie gerade auch in Zei ten von Sozialistengesetzen und staatlicher Repression einer der Bausteine einer fortschrittlichen und auf Selbsthilfe zäh lenden Arbeiterkultur.

Mit Blick nach vorn und insbesondere mit dem Blick auf Ba den-Württemberg sehen wir in Selbsthilfe, Selbstverantwor tung – vor allem: mit beiden Beinen auf regionalem Boden verankert – das, was die baden-württembergische Wirtschaft vielfach auszeichnet.

(Beifall bei der SPD)

Traditionell als Kreditanstalt in der Landwirtschaft oder im Gewerbe, nun auch in neuen Tätigkeitsfeldern im kommuna len Bereich, in der Energiewirtschaft, in der Gesundheitsbran che und vielem mehr: Die Genossenschaften spielen für die Solidität der baden-württembergischen Wirtschaft und für die Versorgung der Bevölkerung gerade auch im ländlichen Raum eine tragende Rolle.

Gerade im Sektor Wohnungsbau – immer wieder Thema hier im Parlament – wird deutlich, dass Genossenschaften oft wichtige Akteure da sind, wo es knirscht und wo der Markt es eben nicht regelt, wo der Einzelne nicht das leisten kann, was die Kraft vieler erreichen kann.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen aber auch im Blick haben – das möchte ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen –, dass der gute Ruf der Genossenschaft als solides Unternehmen, als solide Unterneh mensform, bei der der nachhaltige Nutzen für die Mitglieder über dem Diktat der absoluten Gewinnmaximierung steht, nicht als Deckmantel für windige Geschäftsideen dienen darf. Auf einzelne Fälle – glücklicherweise tritt dies nur sehr ver einzelt auf – möchte ich hier nicht eingehen. Sie alle haben darüber in den Medien lesen können. Ich möchte nur anmah nen, dies eingehend auf mögliches Fehlverhalten zu überprü fen, um Schaden von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von der bewährten Marke Genossenschaft abzuwenden.

Vereinzelte schwarze Schafe dürfen aber auch nicht dazu füh ren, dass das bewährte Genossenschaftsmodell aufsichtsrecht lich überreguliert wird. Das betrifft nicht nur die europäische Ebene – wir alle haben die Diskussion bei der Bankenstabili sierung bzw. der Finanzmarktstabilisierung erlebt –, sondern auch kapitalmarktaufsichtsrechtliche Vorschriften auf Bun desebene. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass nur durch eine gemeinsame politische Intervention die Verwal tungspraxis der BaFin bei der Umsetzung des Kapitalanlage gesetzbuchs entschärft werden konnte und dadurch regiona len Energiegenossenschaften Luft zum Atmen blieb.