Wenn wir die professionellen Pflegeangebote vor allem auch in der ambulanten Pflege und die Kinder- und die Kinderta gesbetreuung verbessern, Ganztagsangebote an Schulen schaf fen, erst dann – davon bin ich überzeugt – legen wir den He bel wirklich an die gläserne Decke.
Für Baden-Württemberg haben wir in der Vergangenheit be deutende und nachhaltige Erfolge gerade und vor allem im öf fentlichen Dienst erzielt. Wir haben die Kinderbetreuung mas siv ausgebaut – das ist eben schon angesprochen worden –,
und wir haben auch die Möglichkeiten des Ganztagsschulan gebots mit Mittagstisch deutlich ausgebaut. Gerade in dieser Woche sind die neuesten Veröffentlichungen hierzu vonstat tengegangen.
Im öffentlichen Dienst haben wir die Arbeitszeitregelungen so verändert, dass sie besser mit den Erfordernissen der Sor gearbeit in Einklang zu bringen sind. Das verbriefte Recht der Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit ist im öffentlichen Dienst Wirklichkeit.
Uns freut, dass mittlerweile zumindest ein Teil der Privatwirt schaft hier neue Wege geht. SAP hat in der letzten Woche ein Modell veröffentlicht, das den Mitarbeiterinnen und Mitarbei tern die Möglichkeiten lässt, weitestgehend selbst zu bestim men, an welchen Orten sie arbeiten wollen, und nur einen klei nen Prozentsatz der Arbeitszeit in der Firma zu leisten. Das Ganze hat den Hintergrund, dass mittlerweile längst klar ge worden ist, dass es letztendlich auf die Effektivität der Arbeit ankommt und nicht auf den Ort des Einsatzes. Auch da gibt es also von Unternehmensseite – in diesem Fall SAP – die große Möglichkeit, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Fa milie und Sorgearbeit oder Familie und Beruf besser verein baren können.
Wir haben im öffentlichen Dienst eine Vorreiterposition, und wir sollten das auch in Richtung Wirtschaft ausweiten. Für uns im öffentlichen Dienst ist die Telearbeit eine große Mög lichkeit. Sie stellt bei uns in der Verwaltung eher die Regel als die Ausnahme dar.
Aber wir müssen, wie gesagt, auch dringend an das Thema Pflege heran. Wie Sie wissen, tun wir, das Ministerium für So ziales und Integration, das mit Herzblut. Die Strategie 2020 ist auch aus gleichstellungspolitischer Sicht ein Leuchtturm. Diesen Weg müssen wir ganz konsequent weitergehen.
In diesem Sinn möchte ich noch erwähnen: Wir, Minister Lucha und ich, haben uns letzte Woche mit dem neu gewähl ten Landesfrauenrat – dessen Mitgliedern ich an dieser Stel le noch einmal sehr herzlich zu ihrer Wahl gratuliere – getrof fen. Wir haben uns da sehr offen ausgetauscht und konstruk tiv über die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit gesprochen. Wir sind uns sehr einig darüber, wie wichtig es ist, dass wir als zwei zentrale Partner in diesem Land sehr viel mehr zu sammenarbeiten müssen, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.
Der Landesfrauenrat hat uns zu Recht auf das Thema „Perso nalentwicklung und Frauen in Führungsverantwortung in den
Landesministerien“ angesprochen. Wir nehmen das Thema „Frauen in Führung“ sehr ernst. Wir wollen ein Gesamtkon zept auf den Weg bringen, das auf den folgenden Säulen steht:
Transparenz herstellen: Wir wollen für die Amtsspitze und die personalwirtschaftlichen Entscheidungsträgerinnen und Ent scheidungsträger ein Monitoring erarbeiten, das offenlegt, wie hoch der aktuelle Frauenanteil in welchen Besoldungsgrup pen ist. Denn nur wer die Tatsachen und Zahlen kennt, kann fundierte Entscheidungen treffen und nachsteuern, wo es not wendig ist.
Coaching, Mentoring und Peer Groups: Wir greifen hier so wohl auf moderne Arbeitsorganisation als auch auf Erfahrun gen aus dem klassischen Netzwerkgedanken in Organisatio nen zurück – doch nicht als informelles Machtinstrument, son dern als breites Instrument der beruflichen Entwicklung.
Und wir möchten uns in einem weiteren Schritt breiter auf stellen. Solche Angebote sollen nicht nur zur Verfügung ste hen, wenn der nächste Schritt auf der Karriereleiter ansteht. Vielmehr wollen wir Frauen und Männer bei ihrer individu ellen Berufsplanung begleiten, um früh zu unterstützen und Potenziale zu fördern.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Sorgearbeit wollen wir wei ter ausbauen. Das richtet sich gerade an Führungsfunktionen. Wir wollen unsere positiven Erfahrungen mit geteilter Füh rung und geteilter Arbeit weiter ausbauen. Denn die Übernah me von Führung am Arbeitsplatz und die Übernahme von Ver antwortung in der Sorgearbeit dürfen sich nicht ausschließen. Dazu brauchen wir neue Modelle und eine entsprechende Of fenheit.
Herr Haußmann, Sie haben am Schluss Ihrer Rede die Ratifi zierung der Istanbul-Konvention angesprochen. Auf diese möchte ich noch kurz eingehen. Hier liegt einer unserer Schwerpunkte. Wir sind erst einmal sehr froh, dass es die Kon vention gibt, weil sie auch einen sehr guten Rahmen dafür schafft, in welchem Maß wir aktiv werden müssen, um z. B. gemeinsam mit den Kommunen Konzepte zu erarbeiten, wie Frauen- und Kinderschutzhäuser in der Fläche gut organisiert und installiert, aber auch finanziert werden können. Das ist ei ner der Schwerpunkte, die wir in diesem Jahr in der Frauen politik auf Landesebene in unserem Ministerium ausgemacht haben und zu dem wir auf jeden Fall am Ende des Jahres ein klares Konzept vorlegen werden, um zu schauen, wie wir es auf verbindliche und gute Füße stellen können.
Wir müssen letztendlich – das ist das Fazit der heutigen De batte – die gläserne Decke durchbrechen. Das ist keine leich te Aufgabe. Eben hat sich sehr deutlich herauskristallisiert, wie viele Bausteine da zusammenkommen müssen, an wel chen Stellschrauben gedreht werden muss. Wir können es nur weiterhin versuchen. Wir können die gläserne Decke an einer Seite anheben, bis sie kippt und dann zerbricht.
Uns allen geht es doch darum – das ist heute sehr deutlich ge worden –, Erwerbsarbeit und Sorgearbeit viel besser aufzu teilen, sodass wirklich eine Gleichstellung möglich ist.
Wir stellen fest: Auch in Baden-Württemberg machen sich Ar beitnehmer- und Arbeitgeberverbände dafür stark, dass der Frauenanteil in den Führungsgremien deutlich erhöht wird.
Genau das, was Sie eben gesagt haben, ist eine ganz wichti ge Erkenntnis, die sich Bahn bricht. Die Zusammenarbeits kultur in Unternehmen, aber z. B. auch in Behörden oder im Parlament wird deutlich besser, wenn wir eine gut gemischte Belegschaft haben, wenn der Frauenanteil deutlich größer ist. Frauen und Männer sind sehr verschieden, sie haben unter schiedliche Wahrnehmungen. Beiden gehört die Hälfte der Macht.
Wir haben jetzt sehr viel über das Thema Gleichstellung gehört. Nach Artikel 3 des Grundge setzes sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Und das ist auch gut so.
die ebenso die Genderideologie als Pseudowissenschaft er funden haben. Was bedeutet eigentlich „Genderideologie“? Dale O’Leary beschreibt in ihrem Buch „The Gender Agen da“ fünf Leitsätze, von denen ich vier zitieren werde:
xuelle Vergnügungen. Es braucht die Abschaffung der Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowie die Abschaffung der Vollzeit-Mütter.
kann, braucht es freien Zugang zu Verhütung und Ab treibung für alle und Förderung homosexuellen Verhal tens, da es dabei nicht zur Empfängnis kommt.
Kinder und Jugendliche, der zu sexuellem Experimen tieren ermutigt; es braucht die Abschaffung der Rech te der Eltern über ihre Kinder.
tenregelung für alle Arbeits- und Lebensbereiche. Alle Frauen müssen zu möglichst allen Zeiten einer Er werbsarbeit nachgehen.
Weil Frauen unterdrückt werden, müssen Frauen ihre weibliche Identität verleugnen, um in den Genuss der Pri vilegien von Männern zu kommen.
Was vor einigen Jahrzehnten noch skurrile Thesen von Radi kalfeministinnen waren, ist heute bereits Teil der Regierungs programme.
Doch nun konkret zur gläsernen Decke: Es ist im beruflichen Alltag nichts Ungewöhnliches, dass Arbeitnehmer trotz sub jektiv empfundener Eignung nicht gefördert werden. Trotz al ler Bemühungen gibt es kein Weiterkommen. Kollegen und Externe werden stets bevorzugt. Der Betroffene stößt an eine sogenannte imaginäre gläserne Decke – bei Männern alltäg lich, bei Frauen dagegen stets ein untrügliches Anzeichen für die allgegenwärtige Diskriminierung.
Doch warum erklimmen weniger Frauen als Männer die Kar riereleiter? Werden sie tatsächlich von den Männern daran ge hindert, nur weil sie Frauen sind? Aus feministischer Sicht ist dies selbstverständlich. Diese Sichtweise ist einfach zu ver stehen, und jedes weitere Nachdenken, woran es tatsächlich liegen könnte, wird überflüssig.