Protokoll der Sitzung vom 08.03.2018

Das Thema Einlagensicherung ist aber noch ein relativ mil des Beispiel. Schlimmer ist das Verständnis von Demokratie, von demokratischer Teilhabe und Kontrolle, das Sie hier zum Thema EU zum Ausdruck bringen. Im Gesamtbild der Maß nahmen handelt es sich um einen Machtzuwachs Brüssels, der im Ergebnis von Ihnen allen nicht nur unterstützt, sondern so gar prinzipiell gefordert wird.

Die Masse an tiefgreifenden Veränderungen, die von der EU auf uns herunterkommen sollen, ist unglaublich. Es wird an EU-Sozialversicherungen gearbeitet, sodass geräuschlos und für die Bürger weniger durchschaubar nun auch über die So zialversicherung Geld aus unserem Land abgepumpt werden kann. Und es werden wieder die kleinen Leute besonders be troffen sein.

(Abg. Josef Frey GRÜNE: Quatsch! – Gegenruf des Abg. Anton Baron AfD: Das ist kein Quatsch! Das ist Realität!)

In diesem Zusammenhang wäre es auch interessant, wie die Landesregierung zu jener Neufassung der Dublin-Verordnung steht, die am 16. November im EU-Parlament beschlossen wurde. Danach wird ein Asylbewerber in einen EU-Staat sei ner Wahl überstellt;

(Zuruf von der AfD: Ohne Pass!)

er braucht nur zu behaupten, Verwandte oder Bekannte in die sem Staat zu haben. Beweisen muss er das natürlich nicht. Die bloße Behauptung ist auch hier als bare Münze zu nehmen, sofern nicht der aufnehmende Staat das Gegenteil beweisen kann – was ihm kaum gelingen wird.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Unvorstellbar!)

Dieser Vorschlag konterkariert die Beteuerungen der BundesCDU, vorgebliche Flüchtlinge europaweit verteilen zu wol len. Noch schlimmer, dieser unselige Beschluss ist im EUParlament auch mit den Stimmen von sehr vielen Unionsab geordneten durchgewinkt worden.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Unglaublich! – Zu ruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Die EU und die sogenannten etablierten Parteien wollen eine dra matische Ausweitung der finanziellen Verpflichtungen Deutsch lands. Die Umwandlung des Eurorettungsmechanismus ESM in einen Europäischen Währungsfonds ist nicht eine Petites se, die unter Punkt 22 der heutigen Tagesordnung ohne Aus sprache abgehandelt gehört.

(Beifall bei der AfD)

Hier geht es um massivste Strukturänderungen mit enormen finanziellen Auswirkungen. Und so etwas wollen Sie ohne ausführliche Aussprache durch diesen Landtag winken? Wel ches Verständnis von Demokratie haben Sie, wenn Sie Be schlüsse zum Nachteil der Bürger durchwinken? Sollen öf fentliche Diskussionen über tiefgreifende Veränderungen un terdrückt werden?

Als Krone obendrauf wird dann noch ein fürstliches Budget bereitgestellt, um Pro-EU-Propaganda zu finanzieren – ich denke an den Landeshaushalt.

Meine Damen und Herren, wir, die Abgeordneten des Land tags, sind das Herz der Demokratie im Land.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE – Glocke des Präsidenten)

Ich rufe Sie auf – parteiübergreifend, bei allen Gegensätzen in der Sache –: So geht das nicht.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos] – Zuruf von der AfD: Bravo!)

So können wir als Demokraten nicht die Weichen für die Zu kunft unseres Landes stellen. Die genannten Themen – und es gibt noch mehr davon – gehören diskutiert – im Landtag und in der Öffentlichkeit.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos] – Abg. Andreas Stoch SPD: Da braucht man keine Forderungen zu stellen, wenn man im Präsidium nichts sagt!)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Hofelich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, wer te Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Zu meinem Vorredner: Sie werden bestimmt mit Ihrer Fraktions führung darüber reden, ob Sie im Präsidium eine Debatte über den Tagesordnungspunkt beantragt haben, meine Herren von der AfD.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Kein Ton!)

Kein Ton offenbar.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Verpennt!)

Meine Damen und Herren, am heutigen Abend wird in der Reithalle in Stuttgart Wolfgang Schorlau seinen neuen Roman vorstellen – Dengler ermittelt in Griechenland –, und er wird dabei eine andere Version der griechischen Krise erzählen als die, die hinter den Glasfassaden der Bankenhochhäuser kur siert. Wo immer dann genau die Wahrheit liegt und was im mer es an individuellen Verfehlungen gegeben hat – – Wenn ich im Rückblick daran denke, was alles gesagt worden ist, und wenn ich daran denke, dass auch Menschen leiden – nicht nur in Griechenland –, dann darf ich vielleicht auch einmal zu ein bisschen Gelassenheit raten und – dabei schaue ich in die eine Richtung dieses Parlaments – sagen: Rechthaberei und Arroganz sind kein guter europäischer Ratgeber, meine Da men und Herren.

(Beifall bei der SPD, Abgeordneten der Grünen und der FDP/DVP sowie der Abg. Sylvia Felder CDU)

Zusammenhalt braucht Überzeugung und Unterstützung, nicht Überredung und Beugung. Zusammenhalt braucht im konkre ten Fall auch Sparen und Investieren, und er braucht vor al lem politische Konsistenz. Konsistenz wiederum – auch die ses Missverständnis müssen wir einmal ausräumen – ist nicht Zentralismus, sondern Konsistenz ist das Zusammenwirken von dezentralen Einheiten, die wir in Europa und in einem Eu ropa der Regionen wollen.

Aber in der globalen Wirklichkeit – gerade bei uns in Europa – müssen die großen Aufgaben eben auch an der richtigen Stelle erledigt werden. Deswegen spricht vieles für europäi sche Konsistenz, meine Damen und Herren. Wer dies nicht erkannt hat, kann hier nicht das Gefühl vermitteln, dass ihm an Baden-Württemberg liegt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Sylvia Felder CDU)

Es war in den letzten Wochen und Monaten richtig, dass wir angesichts von Trump & Co. den Freihandel gemeinsam wehr haft gemacht haben. Es konnte nicht sein, dass wir in eine Si tuation hineinschlittern, bei der wir nur noch Objekt und nicht Subjekt der Handelspolitik sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Es wird als nächste Aufgabe richtig sein, dem Steuersenkungs karussell, für das am Ende weltweit die kleinen Leute bezah len müssen, eine konsistente europäische Haltung bei den Ge winnsteuern für Unternehmen entgegenzusetzen – ebenso wie Steuerbetrug und Steuerdumping zu bekämpfen. Dazu hat heute noch niemand etwas gesagt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Wilhelm Halder GRÜNE)

Und es war nach innen in Europa notwendig, den Orbans – –

(Abg. Udo Stein AfD: Hat da der Herr Scholz nichts gemacht?)

Bisher ist er noch gar nicht in der Regierung gewesen. – Es war nach innen notwendig, den Orbans

(Zuruf des Abg. Udo Stein AfD – Glocke des Präsi denten)

dieses Kontinents aufzuzeigen, dass Rechtsstaatlichkeit nicht disponibel ist und ihre Verletzung in Europa teuer wird, mei ne Damen und Herren – auch wenn das, wie wir genau wis sen, in der europäischen Einmütigkeit nicht immer einfach wird.

Klar ist aber, dass die politische Auseinandersetzung nach au ßen wie nach innen für Europa damit allein nicht gewonnen ist. Diese Haltung haben wir, und die sollten wir auch haben. Die repräsentative Parteiendemokratie, wie sie nach dem Krieg weltweit erfolgreich entwickelt wurde – gerade bei uns in Eu ropa –, läuft hier wie auch weltweit auf dünnem Eis. Autori täre Lösungsmuster mit demokratischem Anstrich wirken ver führerisch.

Wir haben jetzt bei den Wahlen in Italien auch erlebt, dass wir hier in schwierige Situationen hineinkommen. Regierungser folge zahlen sich nicht unbedingt immer aus, weil es auch Ir rationales gibt. Umso wichtiger ist es, zu sagen – und es ist Zeit, dies auch hier in diesem Parlament zu tun –: Wir denken europäisch, wir denken demokratisch, und wir wollen sozial Flagge zeigen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben – reden wir über Erfolge – in der Europäischen Union einen Rückgang der Arbeitslosenquote von 11 % im Jahr 2013 auf nun 8,7 % zu verzeichnen. In 26 von 28 EUStaaten wurden gegenüber dem Vorjahr Verbesserungen er reicht. Das hat auch mit europäischer Politik zu tun. Es hat auch mit den Strukturfonds zu tun, die die Kollegin und der Kollege von der CDU und den Grünen angesprochen haben. Und es hat damit zu tun, dass wir auch eine konsistente Poli tik bestreiten konnten.

Wir wollen, dass dies mit dem Finanzrahmen auch weiter ge schieht. Das heißt auch, dass wir ein Interesse haben, dass Mittel gegen die Jugendarbeitslosigkeit europaweit eingezahlt werden und dass wir sie einsetzen. Wir wollen keine weitere verlorene Generation in Europa. Das würde uns schaden. Wir brauchen europaweit Mindestlöhne und Sozialstandards. Es gilt, das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit am glei chen Ort durchzusetzen. Wir denken auch daran, dass eine eu ropäische Altersvorsorge als Grundsicherung wichtig ist. Sie beschädigt nicht unsere deutsche Sozialversicherung. All das ist wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen will ich nur einmal darauf hinweisen, meine Da men und Herren, dass wir von der Bundesebene eine gute Un terstützung in dem Regierungsprogramm haben. Die europä ische Einigung wird dort zu Recht als Erfolgsgeschichte ein gestuft. Sie steht an erster Stelle im Programm. Von der sozi alen Marktwirtschaft wird eine Renaissance erwartet.

Deutschland stimmt EU-Erweiterungen dann zu, wenn die Kriterien für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie komplett er füllt sind. Wir sind dann zu höheren Beiträgen an die EU be reit, wenn europäischer Mehrwert sichtbar wird. Wir wollen die Eurozone stärken

(Glocke des Präsidenten)

danke – und sind bereit, ihr einen Investivhaushalt zum Ge lingen des Strukturwandels zu geben, bestehen aber darauf, dass Risiko und Haftung verbunden bleiben. All diejenigen, die etwas anderes in diesen Koalitionsvertrag hineininterpre tieren, liegen falsch. Dies ist eine proeuropäische Haltung, und wir sollten diese in Baden-Württemberg mit der Landes regierung unterstützen und dazu stehen, meine Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Sylvia Felder CDU – Bravo-Rufe von der SPD)