Sie meinen, vorgeben zu kön nen, was Kunst ist und was nicht. Diese linke Deutungshoheit lösen wir auf.
Deswegen zum Schluss: Die AfD spaltet nicht die Gesellschaft; von uns wird diese Spal tung hingegen angesprochen und thematisiert. Die Aufkündi gung der Solidargemeinschaft bringen wir, die AfD, zur Spra che. Wir haben sie nicht herbeigeführt.
Den gesellschaftlichen Zusammenhalt – gerade diesen – möch ten wir pflegen und in all seiner Fragilität erhalten. Dafür ste hen wir, und dafür setzen wir uns ein: für unsere Kultur und für die gemeinsamen gewachsenen Werte.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die essenzielle Rolle von Kunst und Kultur für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft steht gerade für uns So zialdemokraten außer Frage. Wir haben uns in unserer Ge schichte immer auch als Kultur- und Bildungsbewegung ver standen, mit der zentralen Aufgabe, die Politik der Sozialde mokratie auf der einen Seite sowie künstlerische und intellek tuelle Impulse auf der anderen Seite zusammenzubringen. Hil mar Hoffmanns Konzept von einer „Kultur für alle“ in den Sechziger- und Siebzigerjahren war ein Meilenstein in dieser Entwicklung.
Gerade heute sind kulturelle Vielfalt, die Künste, Kulturwis senschaften und die Kreativwirtschaft noch viel wichtiger ge worden. Sie verleihen unserer Zeit ihren Ausdruck, stiften Werteorientierung und Identitäten, üben Kritik und unterhal ten manchmal auch ganz einfach.
Kulturpolitik ist zu einer zentralen gesellschaftlichen Gestal tungsaufgabe im Spannungsfeld zwischen der Kultur als öf fentlichem Gut und einer zunehmend globalisierten Kulturin dustrie geworden.
Zudem sind in der globalisierten Wissensgesellschaft und im Zeitalter der Digitalisierung politische Zukunftsaufgaben nach unserer Auffassung eben nicht ohne den Beitrag von Kultur und Kreativität zu lösen.
Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle eines klar sagen – das scheint mir nach dem, was wir gerade gehört ha ben, besonders wichtig –: Diesen unsäglichen Forderungen nach einer deutschen Leitkultur erteilen wir eine klare Absa ge.
Wir stehen für ein Konzept einer offenen, demokratischen und toleranten Kultur in unserem Land. Wir wollen ein buntes Land, das Kraft aus seiner kulturellen und kreativen Vielfalt schöpft und in dem Kunst und Kultur kein Nischendasein fris ten, sondern in unserer Gesellschaft einen zentralen Raum ein nehmen können.
Meine Damen und Herren, Kultur – das wurde schon mehr fach angesprochen – ist mehr als eine Ware. Sie gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen, sie ist Teil der Daseinsvor sorge. Deswegen brauchen wir ein starkes, auch finanzielles öffentliches Engagement in diesem Bereich. Kultur ist der Schlüssel zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft und muss eben auch finanziell entsprechend unterstützt werden.
So weit möchte ich einige grundsätzliche Anmerkungen zu diesem Thema gemacht haben. Aber wir sollten, wenn wir im Landtag von Baden-Württemberg darüber diskutieren, auch ganz konkret über Maßnahmen und Aktivitäten sprechen, über die wir hier entscheiden können und die uns den Zielen, die eigentlich von uns allen gesehen werden, näherbringen.
Eine konkrete Tat – das wurde vom Kollegen Kern schon an gesprochen – wäre z. B., endlich auf den Eintritt bei den Dau erausstellungen der Landesmuseen in unserem Land zu ver zichten. Das war ein Vorschlag der SPD-Fraktion; in den letz ten Haushaltsberatungen wurde es abgelehnt, den Museen die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Reso nanz, die wir hier drüben im Württembergischen Landesmuse um oder auch im ZKM Karlsruhe bei der Ausstellung „Open Codes“ sehen können, ist überwältigend. Es kommen viel mehr Leute. Die Resultate sind eigentlich völlig klar. Man muss da nicht mehr diskutieren, sondern man muss handeln und die entsprechenden Haushaltsmittel zur Verfügung stel len.
Ich will hier auch noch über ein zweites Thema sprechen – Kollege Kern hat es auch angesprochen –: Es geht um das Thema „Kulturelle Bildung“ in unserem Land. Nach unserer Auffassung brauchen wir in Baden-Württemberg, aber auch bundesweit jetzt einen breit angelegten Pakt für kulturelle Bil dung. Denn die Kulturvermittlung und die Museumspädago gik, aber auch die Medienpädagogik, der Umgang mit dem Internet, mit Facebook, mit all diesen Dingen sind eben auch ein Stück Demokratieerziehung, und hier gilt gerade für die jungen Leute der Grundsatz: Auf den Anfang kommt es an. Oder, wie man früher sagte: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
Deswegen müssen wir in diesem Bereich massiv investieren. Die Grundsteine für die Art und Weise, wie Menschen Kultur wahrnehmen, begreifen, nutzen und auch aktiv gestalten, wer den in der Kindheit und Jugend gelegt, und zwar durch Erzie hungs- und Bildungsprozesse. Kulturelle Bildung ist deswe gen eben nicht nur Wissensvermittlung, um dann vielleicht ir gendwann einmal an einer Quizshow teilnehmen zu können, sondern kulturelle Bildung ist vornehmlich Selbstbildung in kulturellen Lernprozessen. Sie führt zu sozialer Mündigkeit, fördert die demokratische Reife und ermuntert zu aktiver Teil nahme am gesellschaftlichen Leben.
Meine Damen und Herren, bei diesem Pakt für kulturelle Bil dung müssen alle Akteure zusammenwirken. Es geht um die Politik, es geht um den Staat, es geht darum, dass die zivilge sellschaftlichen Gruppierungen mitwirken. Das Land muss nach unserer Auffassung hier die treibende Kraft sein. Es hilft auch nicht, zu kleckern und mal hier und mal da ein Projekt zu fördern – solche Projekte sind ja auch hier schon zum Teil angesprochen worden –, sondern ein solcher Pakt muss wirk lich mit erheblichen finanziellen Mitteln unterlegt werden.
Mich wundert es jetzt schon etwas: Hier wurden ja richtige Forderungen gestellt. Solche Forderungen müssen Sie aber in den Haushaltsberatungen stellen. Wenn wir im Finanzaus schuss darüber sprechen und entsprechende Anträge stellen, dann müssen Sie zustimmen. Sie sollten es nicht dabei belas sen, hier schöne Worte zu machen, sondern wichtig sind kon krete Taten.
Wenn es darum geht, Geld zur Verfügung zu stellen, darf man eben nicht bei Nein die Hand heben, sondern muss man bei Ja die Hand heben.
Leider konnten wir bei den letzten Haushaltsberatungen die Hände aufseiten der Regierungskoalition und natürlich insbe sondere in den Reihen der Grünen immer nur dann sehen, wenn das Nein gefragt war.
Meine Damen und Herren, ich will es einmal so sagen: Da können sich die Frau Ministerin oder auch die Frau Staatsse kretärin ein Beispiel am Herrn Justizminister oder am Um weltminister nehmen, die bei den letzten Haushaltsberatungen massiv Stellen zugesprochen bekommen haben. Die haben für ihr Anliegen geworben, haben Mehrheiten besorgt. Das sind die Vorbilder.
Nach dieser Art und Weise – – Das sind die Vorbilder dafür, sich Stellen zu sichern, natürlich in einem Kampf, wenn es darum geht, Gelder zu verteilen. Da habe ich leider aus dem Bereich der Kulturpolitik praktisch nichts gehört. Die Be reiche Umwelt und Justiz haben ihre Ansprüche angemeldet und sie auch entsprechend durchgesetzt. Ich behaupte jetzt, dass der Leidensdruck gerade im Bereich der kulturellen Bil dung mindestens genauso groß ist wie der in der Umweltver waltung. Man muss ihm jedoch entsprechend Gehör verschaf fen, und das, meine liebe Frau Bauer und Frau Olschowski, ist eigentlich Ihre Aufgabe.
Zusammenfassend will ich es durchaus als positiv bewerten, dass sich der Landtag von Baden-Württemberg nun mit die sem Thema befasst. Dass wir dabei mit Rudi Dutschke anfan gen, hat auch mich überrascht. Ich habe mich gefragt, ob Ru di Dutschke eigentlich den gleichen Weg genommen hätte wie Sie, Herr Kern – aber schauen wir mal. Er hätte vielleicht auch irgendwo hier gesessen.
Meine Damen und Herren, in aller Ernsthaftigkeit noch ein mal: Wir müssen uns schon, nicht nur in diesen Aktuellen De batten und in Sonntagsreden – die hier zwar aktuell an einem Mittwoch stattfindet – um dieses Thema kümmern, sondern ganz konkret auch Maßnahmen ergreifen. Jetzt hat vor andert halb Jahren Frau Staatssekretärin Olschowski hier angekün digt, dass es eine neue Kunstkonzeption geben soll. Es wur den bereits Leitlinien vorgestellt. Anderthalb Jahre ist das her. Konkrete Taten haben wir noch nicht gesehen. Der Diskussi onsprozess hat noch nicht begonnen.
Wir hatten, als diese Debatte hier nun aufgerufen wurde, die Hoffnung, dass mit dem Thema Kunstkonzeption jetzt hier der Startschuss gegeben wird. In den Beiträgen der Regie rungsfraktionen habe ich zu diesem Thema nichts gehört. Ich bin jetzt gespannt, was die Frau Staatssekretärin zu diesem Thema sagen wird. Dann können wir in einer zweiten Runde vielleicht noch einmal darauf eingehen.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns ist noch die jüngste Debatte in der Aktuellen Stunde in Erinnerung – „Kunst ist eine Tochter der Freiheit“ –, eine Debatte anlässlich des Falles Serebrennikow hier in Stuttgart, in der wir uns einmütig für die Kunstfreiheit als wertvolles und essenzielles Kommuni kationsgrundrecht und gegen Repressionen gegen das Ande re, gegen das Fremde ausgesprochen haben.
Heute diskutieren wir über die Rolle von Kunst und Kultur für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Auf den ersten Blick drängt sich der Eindruck auf, dass die vermeintliche Ideenlo
sigkeit bei der Antragstellung wohl auch damit zu tun haben könnte, dass aktuell wenige grüne Themen vorhanden sind, die nicht mit einer negativen oder unerfreulichen Überschrift verbunden sind.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Herr Kollege, wie kommen Sie denn da rauf?)