Ja, wir sprechen nun schon seit Jahrzehnten über den demo grafischen Wandel. Dessen erwartete Auswirkungen wurden berechnet, beschrieben und interpretiert. Wir können ganz ba nal sagen: Der demografische Wandel ist da. Allerdings stellt er sich etwas anders dar, als noch vor wenigen Jahren erwar tet wurde. So hatten wir damals einen deutlich größeren Be völkerungsrückgang prognostiziert. Ich schaue bei diesem Stichwort in Richtung des ehemaligen Kultusministers und der amtierenden Kultusministerin, und ich richte meinen Blick auch auf die kommunalpolitisch Engagierten: Worüber haben wir in den letzten 15, 20 Jahren in den Kommunen nicht alles debattiert? Prognostiziert wurde eine deutlich sinkende Zahl der Schülerinnen und Schüler, und wir sprachen allgemein über Fragen der Gestaltung des Gemeinwesens. Nun aber zeigt sich eine ganz andere Situation: Es gibt eine erfreuliche Entwicklung – deren Folgen es allerdings auch zu bewältigen gilt.
Im Übrigen sind wir im positiven Sinn Opfer unserer gemein samen Arbeit, nämlich in Bezug auf die Vereinbarkeit von Fa milie und Beruf. Das ist ein wesentlicher Faktor zur Schaf fung von Generationengerechtigkeit und damit ein wichtiger Faktor bei der demografischen Entwicklung schlechthin. Es gilt sicherzustellen, dass die Sorgearbeit für Kinder geleistet werden kann – ich spreche von Sorgearbeit und bewusst nicht von „Care“. Wir haben aber, lieber Stefan, im Kollegenkreis im Rahmen der Enquetekommission festgestellt, dass dies nun zunehmend auch die „Sorge Leben“ betrifft. Dabei geht es um das Zusammenleben mit Verwandten, mit engsten Freunden. Es geht um den modernen Begriff der sorgenden Gemein schaft und die Frage, was auch für das Alter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutet.
Wir haben unlängst über die Novelle des Landesgesundheits gesetzes debattiert und haben uns darüber ausgetauscht, dass Sorgearbeit – Kollegin Seemann – noch immer vorwiegend weiblich ist, jedoch auch festgestellt, dass es denjenigen, die Sorgearbeit und gemeinsame Tätigkeit unter einen Hut brin gen, inzwischen trotzdem besser geht, und zwar nicht nur ma teriell, sondern etwa auch bezüglich der Alterssicherung – was eine der entscheidenden Fragen ist. Wir brauchen eigenstän dige Erwerbsbiografien aller, um dann auch eine eigenstän dige Alterssicherungsbiografie zu haben, die es wiederum er möglichen kann, das Älterwerden tatsächlich als große Chan ce und als Glück zu begreifen.
Noch einmal: Baden-Württemberg ist heute – dankenswerter weise – zum einen geprägt von einem niedrigen Altersdurch schnitt der Bevölkerung. Darüber sind wir sehr froh; wir wa ren hieran aktiv beteiligt. Zum anderen werden die Menschen in Baden-Württemberg im Durchschnitt immer älter. Der ba den-württembergische Mann ist bundesweit der Erste, der bei der Lebenserwartung die Marke von 80 Jahren reißt. Ihr Frauen seid uns ja auch hier eine Nasenlänge voraus; das sehen wir aber ganz entspannt und nehmen das als guten Antrieb. Ihr werdet eben immer noch etwas älter als wir Männer.
Es war eine gute Idee – der Herr Innenminister ist jetzt gera de nicht da; wir haben es, glaube ich, gut gemacht –, den Kol legen Kunzmann mit seiner Expertise als Obmann in der En quetekommission zum Demografiebeauftragten zu ernennen und ihn als unabhängigen Beauftragten im Ministerium für Soziales und Integration zu „beheimaten“. Er wird aus un
serem Budget, wie ich glaube, auch freundschaftlich und gut behandelt. Wir haben diesen guten Austausch mit ihm. Er geht auch in die Regionen des Landes, er sammelt und trägt für uns immer wieder Aufgaben zusammen. So hat er in der vergan genen Woche pointiert auf manches hingewiesen.
Mit unserer Arbeit, die wir nun seit zwei Jahren machen, ge rade was die Umsetzung der Ergebnisse der Enquetekommis sion betrifft – –
Herr Minister, ich kann erst auf stehen und zum Mikrofon gehen, wenn Sie der Zwischenfra ge zustimmen. – Herr Minister, vielen Dank. Nachdem der Demografiebeauftragte der Herzen, Andreas Kenner,
gerade gesprochen hat und Sie jetzt auch auf den formal ein gesetzten Demografiebeauftragten der Landesregierung zu sprechen gekommen sind, frage ich mich schon: Wo befindet sich denn der Demografiebeauftragte? Bisher konnte ich ihn noch nicht sehen – weder auf der Regierungsbank noch bei den Zuschauern. Wenn sich das Parlament heute mit seinem Thema beschäftigt, hätte das Parlament schon den Anspruch darauf, ihn zumindest einmal zu sehen.
(Vereinzelt Beifall bei der AfD – Zuruf: Sehr richtig! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Er ist dort, wo die Probleme sind!)
Ich glaube, der Minister darf das beantworten. Es ist in der Tat so: Herr Kunzmann konnte heute nicht. Er hat einen anderen Ter min. Man hat sich aber darauf verständigt – auch mit der CDU-Fraktion –, dass die Debatte heute trotzdem geführt wird. Sie kennen das Arbeitsprogramm des Kollegen Kunz mann. Er geht jetzt in alle vier Regionen, diskutiert es.
Lieber Herr Ausschussvorsitzender, ohne dass Sie es vorab wussten, schlage ich spontan ein Joint Venture aus Ausschuss vorsitzendem und Minister vor: Wir laden Herrn Kunzmann demnächst zu uns in den Ausschuss ein, so wie wir es unlängst zum BTHG mit Frau Aeffner sehr zielführend gemacht haben. Ich glaube, da vergeben wir uns gar nichts. Dann haben alle
Aber ich möchte schon sagen: Eines müssen Sie schon ein mal im Hinterkopf haben: Wir arbeiten in allen Bereichen, die uns betreffen – –
Ja, aber die hören heute nicht auf mich. Ich bin ganz irritiert. Es geht ja um uns alle; denn wenn wir gute Arbeit machen, geht es auch euch gut.
Das habe ich schon gewürdigt, Herr Kollege Zimmermann. Aber für das operative Geschäft sind wir zuständig, und ich glau be, das machen wir auch sehr ordentlich. Ich wollte eben ein fach sagen: Wir sind in allen Bereichen, lieber Kollege Zim mermann, unterwegs, nicht bloß in den eng ressortbezogenen sozial- und gesundheitspolitischen Bereichen. Wir sind da auch bei der Gewinnung von Fachkräften.
Sie haben richtig gesagt, was mit der barrierefreien Mobilität der Zukunft ist. Ich weiß vom Fraktionsvorsitzenden Schwarz, wie wichtig ihm das von Anfang an war. Das, was Sie eben in Ihrer unnachahmlichen Art so schön beschrieben haben, be trifft uns doch alle. Es bringt mich doch heute auch schon in Stress, wenn ich in Stuttgart zeitlich knapp an den Hauptbahn hof gehe, dort der ICE umgeswitcht wird und keine Sau da von weiß. So etwas ist selbstverständlich.
Entschuldigung, ich nehme dieses Wort zurück, aber es ist umgangssprachlich. Manchmal geht es uns ja so, da haben wir die gleichen Empfindungen.
Natürlich geht es uns allen um den Breitbandausbau. Den ha ben wir 2011 begonnen und führen ihn jetzt weiter. Es geht um die Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements, es geht um Vermeidung von Einsamkeit. Das sind doch alles die Maß nahmen, die wir im Blick haben.
Schauen wir auf den Bereich der Wohnungsbaupolitik, in dem zum einen im Wirtschaftsministerium das größte Programm aller Zeiten gemacht wird, aber gleichzeitig uns der Auftrag gegeben wurde, für Menschen mit Handicaps Konzepte für neue Lebens- und Wohnformen zu machen.
Herr Keck, Sie negieren immer, wenn man Ihnen antwortet. Ich glaube, das, was wir in der Enquetekommission „Pflege“ gemeinsam erarbeitet haben – lieber Stefan, es war eine ge
meinsame Enquete der damaligen vier Fraktionen; der erste Impuls kam von der CDU, aber wir haben uns sehr schnell ge sagt, wir nehmen diesen auf, wir machen das miteinander –, war ein Glanz- und Höhepunkt des parlamentarischen Arbei tens – Kollegin Wölfle und Kollege Hinderer –, und die Um setzung dieser 600 Handlungsempfehlungen sind wir, finde ich, in einem genialen Tempo angegangen.
Mit unserer Strategie „Quartier 2020“, für die wir im lau fenden Doppelhaushalt 12 Millionen € einstellen konnten, ha ben wir mit 147 Bewerbungen quasi eine Bewegung bei den Bürgerinnen und Bürgern im ganzen Land ausgelöst. Es geht um die Frage: Wie wollen wir leben bei Unterstützungsbedarf und dem gleichzeitigen Wunsch nach Aufrechterhaltung der Autonomie? Um eben die Besonderheiten zwischen Bempf lingen, Mannheim und Radolfzell tatsächlich – –
Doch, Bempflingen ist super. Bempflingen ist phonetisch so schön. Das muss ich immer wieder aufgreifen. Es wird auch kabarettistisch häufig benutzt.
Aber Sie wissen es, Frau Razavi, dass wir die einzelnen regi onalen Bewerbungen der Kommunen ernst genommen haben und jetzt nach dem Bottom-up-Prinzip, von unten nach oben, eine Blaupause haben, weitergehen können und in der Lage sind, mit fünf Bausteinen ganz konzentriert die Quartiersidee, die immer eine rote Linie hat, weiterzuentwickeln. Die erste rote Linie ist die Sicherstellung von Pflege. Die zweite rote Linie ist, dass es von bürgerschaftlichem Engagement getra gen ist. Die dritte rote Linie ist, dass politische Gremien dies beschließen und sich damit identifizieren.
An diesem Punkt merken wir – auch jetzt in der zweiten und dritten Tranche –: Baden-Württemberg ist polyzentrisch. Das ist unser großer Vorteil.
Baden-Württemberg hat einen starken ländlichen Raum. Mit diesen Ideen gehen wir auch in Gemeinden mit 3 000 und we niger Einwohnern und stärken dort die Infrastruktur. Pflege möglichkeiten, Andockmöglichkeiten, Gestaltungsmöglich keiten sind Infrastruktur und werden einen Teil dazu beitra gen, liebe Frau Kollegin Seemann, dass die Abwanderungs prozesse eben nicht so schnell erfolgen. Das ist auch aus dem Bericht des Kollegen Kunzmann ersichtlich.
Wir stehen dem nicht gegenüber wie das Kaninchen vor der Schlange, eben weil wir uns über die interministerielle Ar beitsgruppe „Ländlicher Raum“ unter Federführung des MLR zusammen mit dem Gesundheitsministerium, dem Bildungs ministerium und dem für die Digitalisierung zuständigen In nenministerium für die jeweilige Region genau anschauen: Was braucht diese Region? Was braucht sie pflegerisch, was braucht sie medizinisch, was braucht sie im Landärztepro gramm? Ja, wir werden jetzt gemeinsam mit der Wissen schaftsministerin Ideen entwickeln, wie man medizinische Sti pendien im Studium verankert, damit man Klebeeffekte im Beruf hat. Das gehen wir aktiv an, und das ist unsere Arbeit.
Jawohl, da dürft ihr schon einmal applaudieren. – Es wur de angesprochen: Wir stehen vor einer ganz großen Heraus forderung in den Gesundheitsberufen, in den Pflegeberufen, bei der Fachkräftegewinnung in der Altenpflege, in der Ge sundheitspflege. Zu den Maßnahmen zählen dieTeilzeitaus bildung, die Ausbildung zum Altenpflegehelfer mit intensiver Deutschförderung, die assistierte Ausbildung zur Unterstüt zung von jungen Menschen mit besonderem Förderbedarf. Wir haben eine verstärkte Nachwuchswerbung gemacht, die Erfolg zeigt.
Meine Damen und Herren, gegenüber dem Schuljahr 2000/2001 haben sich die Schülerzahlen an den privaten und öffentlichen Schulen der Altenpflege von 5 800 auf fast 12 000 Schüler ge radezu verdoppelt. Das ist auch das Ergebnis unserer gezielten Anstrengungen und Förderprogramme, um diesen Beruf noch attraktiver zu machen. Wir sind der festen Überzeugung, dass die generalistische Pflegeausbildung noch durchlässiger, noch attraktiver wird. Das dritte Jahr ist dann das Spezialisierungs jahr.
Wir alle wissen – das wissen auch die Kollegen in der Bun despolitik, das haben wir in der Gesundheitsministerkonfe renz schon beschlossen –: Wir brauchen langfristig auch – – Den Gap, lieber Kollege Kenner, von der Altenhilfe zur son stigen Pflege müssen wir schließen. Aber wir müssen auch ler nen – das habe ich unlängst beim MDK gesagt –: Wir haben hier keine dauerhafte Trennung. Sie haben in Ihrer unnach ahmlichen humoristischen Art den Ministerpräsidenten zitiert, der ja wirklich zäh wie Schuhleder und fit wie ein Turnschuh ist.