Protokoll der Sitzung vom 11.04.2018

Die junge Generation, die die Aufblähung der Amtsspitze für einen offenbar überforderten Innenminister mit ihren Steuern zu zahlen hat, wird Ihnen, liebe CDU, bestimmt unendlich dankbar sein. So sieht Ihre generationengerechte Zukunft aus.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Das Thema der heutigen Debatte wurde schon mehrfach im Landtag beraten. Dabei erinnere ich an die Enquetekommis sion „Demografischer Wandel – Herausforderung an die Lan despolitik“ in der 13. Legislaturperiode und an die Enquete „Pflege in Baden-Württemberg zukunftsorientiert und gene rationengerecht gestalten“. Zu diesem Thema gab es schon zahlreiche Debatten und Anträge.

Jetzt muss ich noch ein Wort an den Kollegen Stefan Teufel verlieren, der gesagt hat: „Jetzt müssen wir es angehen.“ Ich darf jetzt schon zwei Jahre in diesem Hohen Haus tätig sein, und seit zwei Jahren – –

(Abg. Karl Zimmermann CDU möchte mit einem Smartphone fotografieren. – Glocke des Präsidenten)

Kollege Zimmermann, fo tografieren ist hier verboten.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wo steht das?)

In der Geschäftsordnung. Dort können Sie das nachlesen. – Kollege Keck, fahren Sie fort.

(Heiterkeit)

Danke, Herr Präsident. – Seit diesen zwei Jahren warte ich eigentlich auf mannigfaltige Um setzung der Empfehlungen der Pflegeenquete.

(Zurufe – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Aus 600 Handlungsempfehlungen muss deutlich mehr kom men.

Meine Fraktion begleitet die Fragen des demografischen Wan dels im Übrigen schon seit vielen Jahren in eigener Verant wortung mit kompetenten Referentinnen und Referenten. Wir reden und diskutieren dabei mit den Menschen, nicht nur über sie.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Andreas Ken ner SPD)

In diesem Jahr findet der 10. Liberale Seniorentag wieder hier im Landtag statt. Wir beschäftigen uns am 16. Juni hier in die sem Haus mit dem Thema Generationenverantwortung. Ich darf hier Werbung in eigener Sache machen. Nicht nur libe ral Interessierte sind dazu herzlich willkommen.

Worum es beim demografischen Wandel geht, wurde hinrei chend beschrieben. Das brauche ich nicht zu wiederholen.

Die aktuelle, grün-schwarze Landesregierung hat zweierlei getan: Erstens hat sie in der Person von Thaddäus Kunzmann einen Demografiebeauftragten des Landes bestellt, und zwei tens hat sie sich im Koalitionsvertrag Ziele gesetzt. An dieser Stelle sei mit Blick auf die Aktuelle Debatte auch die Frage gestattet: Gab es denn eine Einladung an den von der Kolle gin Steffi Seemann und vom Kollegen Stefan Teufel gelobten Herrn Kunzmann? Ich konnte ihn leider noch nicht sehen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Warum einladen? Das muss er doch wissen! – Gegenruf des Abg. Dr. Fried rich Bullinger FDP/DVP: Spricht sich das in Stuttgart herum?)

Ja? Okay.

Die Landtagswahl ist inzwischen mehr als zwei Jahre her. In dem Koalitionsvertrag wurde nicht weniger versprochen, als eine neue Gesamtstrategie für unser Land zu erarbeiten,

um die Belange der älter werdenden Gesellschaft in al len Politikfeldern angemessen zu berücksichtigen.

Für die Fraktion der Freien Demokraten kann ich sagen: Wir sind gespannt.

Weiter hieß es – ich zitiere –:

Die Gemeinden, die vom demografischen Wandel beson ders betroffen sind, sollen außerdem mit einer Regional strategie „Daseinsvorsorge“ bei ihren Planungen finan ziell und strukturell unterstützt werden. Wir wollen einen Demografiebonus einführen, der Kommunen mit stark rückläufiger Bevölkerungszahl bis zu zehn Jahre lang hö here Schlüsselzuweisungen aus den kommunalen Finanz ausgleichssystemen garantiert.

Aha. Und was ist damit? Auch das wurde hier angesprochen. Ich kann nicht feststellen oder erkennen, dass bei den Kom munen tatsächlich etwas ankommen würde.

Der Demografiebeauftragte hat am 5. April eine Pressekonfe renz gegeben. In der dazugehörigen Pressemitteilung greift er auch diese Punkte auf, indem er ausdrücklich auf die Regie rungserklärung aus dem Jahr 2016 hinweist. Wenn das alles ist, dann reicht uns das nicht.

Ein weiteres Dauerthema, bei dem es nicht recht vorangeht, ist die Beteiligung der Pflegekassen an den Entscheidungen und den Kosten in Bezug auf die geriatrische Rehabilitation. Im Bund hat die Große Koalition im Jahr 2013 in ihren Koa litionsvertrag geschrieben:

Deshalb werden wir auch prüfen, ob die Pflegeversiche rung sich an den Kosten der geriatrischen Reha beteili gen soll.

Daraus wurde wohl nichts. Auch hier im Land haben Grüne und CDU das Thema in ihren Koalitionsvertrag aufgenom men. Wir freuen uns schon heute auf den Tag, an dem diese dringend erforderliche Änderung im Gesetzblatt steht.

Auch heute wurde schon öfter angesprochen: Der Fachkräf temangel ist mittlerweile in der Pflege angekommen. Die Ge neralistik in der Pflegeberufsausbildung kommt. Das wurde bundesgesetzlich geregelt. Wichtige Umsetzungsschritte ste hen noch aus. Hier fordern wir rasches Handeln. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass wir eine ausschließliche Gene ralistik nach wie vor kritisch sehen. In der erwähnten Pflege enquete haben wir deshalb ein Sondervotum abgegeben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die generalistische Ausbildung sollte aus unserer Sicht die bisherige Ausbildung eher ergänzen statt ablösen.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Richtig!)

Wir befürchten für die Pflegeeinrichtungen Nachteile. Gene rell bräuchte es mehr Freiheit im Pflegebereich.

Wenn quartierbezogenes Wohnen funktionieren soll, müssen die strikten Grenzen des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes zwischen Pflegeheim und ambulanten Wohnformen aufgeho ben werden. Auch braucht es einen deutlichen Bürokratieab bau, um Schub in den Prozess der Gründung von ambulanten Wohnformen zu bringen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der SPD – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Denn – auch das ist sicher – die Personalvorgaben sind viel zu eng gesteckt.

Darüber hinaus müssen die Pflegefachkräfte entlastet werden: einerseits durch die Abschaffung der Doppelprüfung durch den MDK und die Heimaufsicht, andererseits durch die Stär kung der Helferberufe, die die Fachkräfte entlasten. Auch se hen wir in der Digitalisierung Entlastungsmöglichkeiten. Ja pan ist auf dem Weg der Entwicklung von Pflegerobotern um Jahre voraus. Dabei geht es aber nicht darum, Menschen nur noch von Maschinen betreuen zu lassen, sondern es geht um

eine sinnvolle Entlastung bei schweren Arbeiten oder bei Rou tinevorgängen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Den Fachkräftemangel habe ich bereits angesprochen. Ein wirksames Zuwanderungsgesetz kann neben dem bereits Ge sagten ein weiterer Baustein sein.

Zum Schluss komme ich auf den Titel der Debatte zurück. Demnach soll es um eine generationengerechte Zukunft ge hen. Was das sein soll, wird vermutlich jeder aus seiner indi viduellen Betroffenheit heraus ableiten. Aber eines fällt beim Lesen des Koalitionsvertrags der neuen Bundesregierung be sonders auf: die Öffnung der Geldschleuse im Bereich der ge setzlichen Rente. Hier durfte die CSU die Mütterrente aus weiten, obwohl seit 1992 jeder Mutter pro Kind drei Entgelt punkte gutgeschrieben werden – was gut so ist.

(Zuruf: Nicht jeder!)

Die SPD durfte die gesetzliche Rente zum neuen Sozialamt machen, weil es nun eine Grundrente mit Bedürftigkeitsprü fung geben soll. Uns fehlt aber dabei ausdrücklich die not wendige Gegenrechnung, wie die Finanzierbarkeit dieser Er weiterung sichergestellt werden kann. Was soll dazu eigent lich die jüngere Generation sagen, die das alles mit ihren Bei trägen und Steuern finanzieren soll?

Jedenfalls ein Punkt nützt allen Generationen und Lebensla gen gleichermaßen, und der heißt Barrierefreiheit. Hier gibt es im Land – auch das hat der Kollege Kenner schon ange sprochen – noch viel zu tun. Denken wir an Bushaltestellen, Bahnhöfe, unterschiedliche Bahnsteighöhen. Vor allem aber auch im Wohnungsbestand gibt es sehr viel zu tun. Es gilt, die Förderinstrumente besser aufeinander abzustimmen und aus kömmlicher zu gestalten.

Das Leben findet in den Gemeinden statt. Sorgen wir dafür, dass es lebenswerte Gemeinden sind, in denen Kinder unbe schwert aufwachsen können und Ältere sorgenfrei alt werden können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Lucha.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, lieber Stefan Teufel, herzlichen Dank für die heutige Debatte. Sie, lieber Kollege Kenner, haben gesagt, wir würden oft redun dante Debatten führen. Ich will aber auf die Themen verwei sen, die sich dahinter verstecken. Im Ausschuss arbeiten wir ja gemeinsam daran, und ich sage: bis hierher wirklich ge meinsam, sehr zielorientiert, sehr umfassend. Sie haben ja auch viele Beispiele für Themen genannt, bei denen wir wirk lich sehr konzentriert und im Übrigen auch mit sehr viel Er folg an einem Strang ziehen.

Ja, wir sprechen nun schon seit Jahrzehnten über den demo grafischen Wandel. Dessen erwartete Auswirkungen wurden berechnet, beschrieben und interpretiert. Wir können ganz ba nal sagen: Der demografische Wandel ist da. Allerdings stellt er sich etwas anders dar, als noch vor wenigen Jahren erwar tet wurde. So hatten wir damals einen deutlich größeren Be völkerungsrückgang prognostiziert. Ich schaue bei diesem Stichwort in Richtung des ehemaligen Kultusministers und der amtierenden Kultusministerin, und ich richte meinen Blick auch auf die kommunalpolitisch Engagierten: Worüber haben wir in den letzten 15, 20 Jahren in den Kommunen nicht alles debattiert? Prognostiziert wurde eine deutlich sinkende Zahl der Schülerinnen und Schüler, und wir sprachen allgemein über Fragen der Gestaltung des Gemeinwesens. Nun aber zeigt sich eine ganz andere Situation: Es gibt eine erfreuliche Entwicklung – deren Folgen es allerdings auch zu bewältigen gilt.