Protokoll der Sitzung vom 12.04.2018

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Herr Innenminister, da müssen wir noch gemeinsam etwas zu legen.

Gegen alle Fluten von Fake News gilt es festzustellen: Den größten Anteil im Bereich der politisch motivierten Krimina lität bilden immer noch rechtsmotivierte Straftaten.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Unsinn!)

Hakenkreuzschmierereien sind für uns keine Graffiti und auch keine Kavaliersdelikte, sondern es sind nach wie vor Frontal angriffe auf unsere freiheitliche Grundordnung. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Sckerl, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Schweickert zu?

Ja, gern.

Bitte.

Herr Sckerl, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich bin mit Ih nen einig, dass wir froh sein können, dass solche Ereignisse wie in Berlin hier in Baden-Württemberg nicht passiert sind. Aber über Ihre Äußerungen habe ich noch ein bisschen nach denken müssen. Sie haben das als Ergebnis guter Präventions arbeit bezeichnet. Aber ist es nicht so, dass solche schreckli chen Ereignisse durch das Zusammenspiel einer Vielzahl von Behörden zustande kommen? Da kann man sich doch nicht sagen: Weil man hier im Land eine gute Präventionsarbeit macht, findet so etwas nicht statt. Ist das nicht ein bisschen gewagt? Denn wenn es doch stattfindet, dann sind es die an deren. Auch zu den Ereignissen am Breitscheidplatz waren schließlich auch Behörden in Baden-Württemberg in einem Verfahren beteiligt – formulieren wir es mal so –, sodass man sagen kann sagt: Dazu hätte man vielleicht von Ihnen etwas hören müssen.

Da hätte ich gern gewusst, wie Sie das gemeint haben. Denn ich glaube, so können Sie es nicht gemeint haben. Vielleicht habe ich es aber auch nur falsch verstanden.

Ich habe es so gemeint, wie wir es immer, und zwar richtig, sagen, nämlich dass wir das Optimum an Sicherheit abliefern müssen. Dass es keine hundertprozentige Sicherheit gegen jede Gefährdung gibt – auch im Bereich des Terrorismus –, ist klar. Natürlich kann auch in Baden-Württemberg etwas passieren. Nur: Wir wol len uns hinterher in keinem Fall vorhalten lassen müssen, wir hätten dazu beigetragen, etwa durch unterlassene Prävention oder unterlassene Ermittlungstätigkeit.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Das war nicht die Frage!)

Darum geht es uns im Kern. Deswegen haben wir die Sicher heitsbehörden so aufgestellt.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Das war nicht die Frage!)

Auch Kriminalität bei Menschen mit Migrationshintergrund und Flüchtlingen ist ein Thema. Da haben wir klargemacht, dass Straftaten aus diesem Bereich genauso geahndet werden wie aus jedem anderen Bereich. Da gibt es keine Unterschei dung. Wir sind aber – um nochmals den Präventionsgedanken anzuführen – auch hier in der Lage, Ursachen zu erkennen. Gute Integrationspolitik auf der einen Seite, aber auch konse quente Abschiebung von Straftätern auf der anderen Seite müssen zusammenspielen. Dafür sorgen wir.

Es wird immer viel über UMAs, unbegleitete Minderjährige, über junge Männer, die – sowohl bei den Deutschen als auch bei den Ausländern – sehr auffällig sind, geredet. Junge Män ner dominieren die Kriminalitätsstatistiken in der ganzen Welt. Das ist so ein Phänomen, bei dem sich die besondere Bedeu tung von Integration zeigt.

Ich weise aber auch darauf hin – ich sage das für meine Frak tion in aller Deutlichkeit –: Ich kenne viele UMAs, die dar unter leiden, dass ihre Familien nicht hier sind. Wenn bei vie len die Mama – ich sage es mal ganz deutlich – da wäre, wür de einiges im Alltagsleben anders aussehen als bisher. Darum müssen wir uns weiterhin kümmern, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Nicole Razavi CDU: Der Papa auch!)

Papa auch. Aber bei jungen Männern ist es oft die Mama. Das ist so.

(Heiterkeit – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: So viel zum Thema Genderstudies!)

Ich will noch etwas zu einer besorgniserregenden Entwick lung sagen. Es ist Mode geworden, mit Ängsten und Stim mungen Politik zu machen. Aber das muss Grenzen haben. Die parteipolitische Instrumentalisierung von Sicherheitspo litik muss Grenzen haben. Ich komme auf die Amokfahrt in Münster am vergangenen Samstag zurück. Es gab nicht nur den unsäglichen Tweet der AfD-Politikerin von Storch. Es gab auch hier im Landtag wenige Minuten nach dem Anschlag ei nen Facebook-Post von Ihnen, Herr Kollege Sänze, in dem es hieß: „Vielen Dank, Frau Merkel. Das ist Ihr Verdienst.“ So Emil Sänze, Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg.

Am nächsten Tag haben Sie mit einer Pressemitteilung mit der Überschrift „Politikversagen der Bundesregierung trägt mas sive Mitschuld an der Bluttat in Münster“ nachgelegt. Das ha ben Sie in Kenntnis der konkreten Umstände gemacht. In die sem Zusammenhang haben Sie u. a. die Aussage getroffen, dem psychisch kranken Täter sei nicht geholfen worden, da vorrangig psychisch kranke Kriegsflüchtlinge betreut würden.

(Zuruf von der SPD: Unglaublich! – Zuruf von den Grünen: Ekelhaft! – Weitere Zurufe)

Meine Damen und Herren, ich glaube, man kann sich in der Sicherheitspolitik und insgesamt nicht mehr disqualifizieren, als Sie es gemacht haben, Herr Sänze.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Wir dürfen – ich komme nun zum Schluss – unsere Sicher heitsbemühungen nicht übertreiben. Wir dürfen aber auch nie mals gleichgültig sein. Wir müssen immer das richtige Maß finden. Das ist die Regierungskunst. Das ist uns, glaube ich, gut bis sehr gut gelungen. Das nehmen wir auch weiterhin für uns in Anspruch.

Wir leben in einem freiheitlichen Rechtsstaat, in der wahr scheinlich besten Demokratie, meine Damen und Herren. Die se und die Freiheit zu schützen ist und bleibt eine große, aber auch eine großartige Aufgabe.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Blenke das Wort.

(Abg. Norbert Beck CDU: Guter Mann!)

Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Ohne Sicherheit keine Freiheit. Das ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Heute beraten wir in die sem Parlament erstmals einen Sicherheitsbericht der Landes regierung.

Wie kommt es dazu? Schon immer wird jedes Jahr vom In nenministerium die sogenannte Polizeiliche Kriminalstatistik, PKS genannt, herausgegeben. Das ist ein Werk, das für Lai en kaum verständlich ist, das nicht selbst erklärend ist – eher eine Lektüre für polizeiliche Feinschmecker.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Wir haben es im mer verstanden!)

Diese PKS wird dann in fast jedem Gemeinderat im Land be raten – da kommt der Polizeirevierleiter und erklärt sie –, bis lang aber nie im zuständigen Landtag. Mich hat das als Si cherheitspolitiker schon immer gestört. Deswegen ändern wir das jetzt.

Kollege Sckerl, wir haben uns damals bei den Koalitionsver handlungen zur Innenpolitik darauf verständigt, dass wir künf tig hier im Parlament einen jährlichen Sicherheitsbericht be raten. Damit wird die Sicherheitslage im Land transparent, und damit wird die Bevölkerung umfassend, und zwar so, dass man es versteht, darüber informiert.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen, Herr Innenminister, Ihrem Haus, insbesondere aber auch beim Landeskriminalamt, das die fachliche Vorarbeit geleistet hat, für diesen hervorragenden Sicherheitsbericht bedanken. Er ist eine sehr gute Information.

Schön ist auch, dass gleich der erste Sicherheitsbericht so ei ne schöne Lektüre ist. Baden-Württemberg steht in Sachen Si cherheit ganz vorn in Deutschland. Wir haben – das ist schon mehrfach gesagt worden – eine so niedrige Kriminalitätsbe lastung wie noch nie seit 1990 und eine hohe Aufklärungs quote. Man könnte schon fast meinen, die Polizei hätte sich extra noch einmal richtig ins Zeug gelegt, um das für heute hinzubekommen.

Meine Damen und Herren, ich möchte ein Feld ansprechen, wo es eine besonders erfreuliche Entwicklung gibt: die Wohnungs einbrüche. Erinnern Sie sich noch an die Jahre 2013/2014? Plus 20 %, plus 30 % innerhalb jeweils eines Jahres. Nur jeder zehn te Wohnungseinbruch wurde überhaupt aufgeklärt. Das ist wirk lich die Zahl, Herr Goll.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: So war es!)

So war das. Meine Damen und Herren, jeder, der einmal Op fer eines Wohnungseinbruchs war, weiß, was es für das Op fer bedeutet, wenn man merkt, dass eine fremde Person in der eigenen Wohnung war. Man fühlt sich nicht mehr wohl. Des wegen ist das Sicherheitsbefinden der Bevölkerung in diesem Deliktfeld so extrem beeinträchtigt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Damals war das aber einfach kein politischer Schwerpunkt.

(Abg. Reinhold Gall SPD: So ein Unfug!)

Die Polizei musste sich auf Ihr Geheiß, Kollege Gall, mit sich selbst beschäftigen.

(Abg. Sascha Binder SPD: So ein Quatsch!)

Es war kein Schwerpunkt.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist einfach nicht wahr!)

Jetzt ist es ein Schwerpunkt, und es wirkt: ein Viertel weni ger Wohnungseinbrüche und eine Aufklärungsquote, die sich gegenüber damals mehr als verdoppelt hat.