Sie wissen, dass ich einer derjenigen bin, die sich auf kriti sche Diskussionen über Europa immer einlassen. Ich würde mir aber wünschen, dass Sie die Diskussion über europäische Bürokratie nicht an den Anfang der Diskussion über die Zu kunft Europas stellen.
Wir sollten keine Angst – das sage ich bewusst an den Kolle gen Rottmann gerichtet – vor zu vielen Stimmen und Meinun gen haben; wir sollten Angst vor Gleichgültigkeit haben.
Besonders übel aufgestoßen. – Sie haben vom „Einheits elend” gesprochen, vor dem „Einheitselend” gewarnt. Ich glaube, das unterstellt ein völlig anderes Verständnis von Eu ropa, das mit einem solidarischen Europa nicht mehr viel oder gar nichts mehr zu tun hat.
Europa muss auch das Wohl derer im Auge haben, denen es zur Stunde noch nicht so gut geht, die sich aber auf den Weg machen, eine eigene Perspektive zu bekommen. Es muss auch unser Interesse sein, dass junge Menschen in anderen europä ischen Ländern eine Perspektive bekommen. Ein solches Eu ropa ist für uns ein starkes Europa.
(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD – Vereinzelt Beifall bei der FDP/ DVP)
1950 und damit nur wenige Jahre nach einem verheerenden Krieg, der unseren ganzen Kontinent in Unglück gestürzt hat te, stand die Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen ganz oben auf der Agenda. Der heute schon vom Fraktionsvorsit zenden Reinhart zitierte Robert Schuman betonte den Beitrag, den ein organisiertes und lebendiges Europa für die Zivilisa tion leisten könne.
Beides kennzeichnet Europa bis heute. Europa ist ein Frie densprojekt, Europa ist ein zivilisatorisches Projekt, ein Pro jekt, das sich überall Herausforderungen gegenübersieht.
Rund um die Europäische Union herum sind Krisenherde: die Ukraine, der Nahe Osten, Syrien, Irak, Libyen. Die meisten der neuen Herausforderungen sind global: Flüchtlingsbewe gungen, Armut und Unterentwicklung in Afrika, Terrorismus, Klimawandel, Digitalisierung. Wollen wir diese Herausforde rungen meistern, müssen wir zusammenstehen. Deutschland allein kann das nicht schaffen. Mit 80 Millionen Einwohnern sind wir in einer Welt von bald acht Milliarden Menschen ein
fach zu klein. Erst Europa – immerhin über 500 Millionen Menschen – bringt international das nötige Gewicht auf die Waage. Nur zusammen können wir unsere Interessen wahren und uns wirksam gegen Bedrohungen wehren.
Für mich – und ich nehme dankbar zur Kenntnis: auch für die große Mehrheit dieses Hauses – ist deswegen klar: Für die Be wältigung der globalen Herausforderungen brauchen wir ein starkes und einiges Europa.
Aber dieses Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist im Umbruch. Neue Gesichter prägen dieses Europa. Während Deutschland sich auf die Suche nach einer neuen Bundesre gierung gemacht hat, haben vor allem zwei europäische Staats- und Regierungschefs Akzente gesetzt. Der eine hat von Anfang an auf Europa gesetzt, seinen Wahlkampf damit be stritten und eine Art europäisches Momentum ausgelöst. Em manuel Macron ist zweifellos ein begeisterter Europäer. Ma cron hat Europa nicht neu erfunden, aber Macron hat dem eu ropäischen Haus einen neuen Anstrich verpasst, und das in ei ner Zeit, in der bei uns die Maler streikten.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, war es so wichtig, dass Macron diese Debatte über Europa wieder in die Zukunft gerichtet hat. Ich finde nicht alles an den Vorschlägen Macrons so gut, als dass wir dem zwingend folgen müssten.
Wir werden das auch im Detail diskutieren. Aber ich finde es notwendig und wichtig, dass wir endlich wieder die Kraft ha ben, dieses Europa nach vorn und in die Zukunft zu diskutie ren. Daran hat Macron einen entscheidenden Anteil.
Sehr geehrter Herr Minister, ich halte Macron nicht für einen glühenden Europäer, ich halte ihn für eine Marionette des Bankensystems.
Zu meiner Frage: Wie stellen Sie sich das vor? Gehört Russland zu Europa, und wie kann es sein, dass wir einen starken Partner wie Russland so vor die Tür dieser Europäischen Union setzen? Was halten Sie von einer Einigung mit Russland?
Der Ein stieg in Ihre Frage, die Aussage, wie Sie Macron bewerten, zeigt mir, dass es wenig Sinn hat, mich mit Ihnen über die Zu kunft Europas zu unterhalten.
Emmanuel Macron ist ein neues Gesicht in Europa auf der ei nen Seite. Ein anderes Gesicht, das auf der europäischen Büh ne neu erschienen ist, ist der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die EU-Ratspräsidentschaft seines Landes im zweiten Halbjahr wird die europäische Entwicklung prä gen. Auch Sebastian Kurz ist ein bekennender Europäer, der die Menschen begeistern kann. Er ist zugleich eine Stimme der kleineren EU-Staaten Mittel- und Osteuropas und ein Mitt ler zwischen dem alten und dem neuen Europa.
Beide, Macron und Kurz, haben viel gemeinsam. Beide sehen eine aktivere Rolle der EU in zentralen Fragen wie etwa beim Schutz der Außengrenzen. Beide wollen ein Europa, das nach innen und nach außen Sicherheit bietet.
Unterschiedliche Akzente gibt es jedoch in der Wirtschafts- und der Finanzpolitik. Lassen Sie mich da einfach bei aller Euphorie über manchen Vorschlag aus Frankreich sagen: Ma cron ist eben nicht nur überzeugter Europäer, er ist in erster Linie auch französischer Präsident,
(Abg. Anton Baron AfD: Genau das fehlt Deutsch land schon lange! – Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)
Zwischen diesen Polen, einerseits Macron, andererseits Kurz, ist es jetzt zwingend notwendig, dass wir das Verbindende, den Brückenschlag definieren. Da ist die deutsche Bundespo litik gefragt. Da ist Angela Merkel gefragt
Es ist heute, lieber Kollege Schwarz, schon einiges von den Vorschlägen Macrons angesprochen worden. Ich will diese Rede zur Zukunft Europas jetzt bewusst nicht darauf be schränken, über die Unterschiede zu diskutieren. Aber Sie ge ben mir sicher recht, dass wir über das Thema Eurozonenhaus halt, den noch nicht einmal Günther Oettinger befürwortet, den Sie ja sonst überall loben, wo er die Meinung vertritt, die Sie auch vertreten – –
Da müssen wir vielleicht auch einmal über die Themen reden, die er anders sieht, und dieses Thema sieht er eben anders. Ich glaube, wir haben im Moment in Europa andere prioritäre Themen als einen gemeinsamen Eurozonenhaushalt.
Was mir im Moment etwas missfällt, ist, dass wir aus den Vor schlägen Macrons vor allem diejenigen herausnehmen, die die Unterschiede deutlich machen, und sehr stark die ökonomi schen Vorschläge aufgreifen wie die Einrichtung eines EU-Fi nanzministers oder eines Eurozonenhaushalts. Das sind na türlich wichtige Themen. Aber es gibt in den Positionen Ma crons auch genügend, was verbindet. Wir sollten das Verbin dende in den Vordergrund stellen: die Sicherung der Außen grenzen, die stärkere Zusammenarbeit in der Verteidigungs politik, Fluchtursachenbekämpfung – etwas, was sich auch die neue Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben hat –
und Klimaschutz. Oder nehmen wir gelingende Beispiele vor Ort. Es wird immer wieder fälschlicherweise gesagt, Macron habe die Europäische Universität in seiner großen Rede er funden. Nein, er hat der Europäischen Universität Rücken wind gegeben, die wir in Baden-Württemberg am Rhein längst auf den Weg gebracht haben. Das sind gelingende Beispiele europäischen Zusammenwachsens. Das bringt Menschen Eu ropa näher, und das ist der Weg Europas in die Zukunft.