Protokoll der Sitzung vom 09.05.2018

Wenn wir uns mit diesen Wegen beschäftigen, diskutieren wir darüber: Was läuft schlecht, und was können wir besser ma chen? Da gibt es vieles. Ich bin überhaupt nicht mit dem Kol legen Schwarz einer Meinung, was das Thema Bankenunion angeht. Dazu habe ich eine dezidiert andere Meinung.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Die kann man ha ben!)

Wir haben sicherlich Probleme mit der Schuldenunion usw. Das sind aber Herausforderungen, die wir lösen können und werden. Die Gefahr in der EU, meine Damen und Herren, geht von Populismus und Nationalismus aus und nicht von den vor handenen Problemen.

(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen und der SPD sowie Abgeordneten der CDU)

Deshalb möchte ich mich für meine Fraktion auch diesen Fragen widmen. Wie sind wir als Deutsche denn jetzt im Bund und im Land aufgestellt? Fangen wir beim Bund an: GroKo III, Monat 3 nach Martin Schulz. Da frage ich mich natürlich schon, wie nach dem Abgang des großen Europäers dieser Koalitionsvertrag überhaupt noch gelebt werden soll. Denn man kann ihm gar nicht vorwerfen, als Lotse von Bord gegangen zu sein; er war ja noch nicht einmal auf dem Schiff.

(Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Deshalb müssen wir uns schon überlegen: Wie begegnen wir denn den europäischen Partnern, wenn Macron anruft? Dann besteht Europafreundlichkeit nicht darin, nur den Hörer ab zunehmen, meine Damen und Herren. Da müssen wir uns schon überlegen, was denn im Koalitionsvertrag der Großen Koalition an Konkretem steht: „Gestärktes Europäisches Par lament“. Ich bin mal gespannt, wie das konkret aussehen soll. „Demokratische und rechtsstaatliche Werte und Prinzipien der EU konsequent umsetzen.“ Ja! Aber wir sollten uns doch vor stellen, mit welchen Maßnahmen. Die Maßnahmen, von de nen ich lese, bestehen in der Finanzmarkttransaktionssteuer, die jetzt nur EU-weit eingeführt werden soll und dann sicher lich gerade auch im Lichte des Brexits nicht zu einem Wett bewerbsvorteil für die EU führen wird, meine Damen und Herren.

Wenn ich dann offen höre, wenn die SPD – – Kollege Stoch, Sie haben auch ein bisschen in die Richtung argumentiert – im Bund hört man es auch immer deutlich –, dass man sagt: Ja, gut, wir wollen den Ausgleich der Unterschiedlichkeiten angehen. Aber dann frage ich mich, wie. Wenn es um die Stär kung von Wettbewerbsfähigkeit geht, bin ich bei Ihnen. Wenn es um private Investitionen geht, bin ich auch bei Ihnen. Aber solche Punkte wie „Die Industrie liegt am Boden“ oder die Jugendarbeitslosigkeit in Italien sind nicht ein Verfehlen der EU, das liegt in der italienischen Politik von Herrn Berlusco ni begründet. Deswegen können wir nicht so tun, als ob die EU für alles verantwortlich wäre.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf von der AfD)

Ich sage auch ganz kritisch: Ich weiß nicht, ob es hilfreich ist, dass sich nun zwölf EU-Länder gegen den Vorstoß der Bun desregierung gewandt haben, jetzt das Kindergeld für im Aus land lebende Kinder einheimischer Steuerpflichtiger an die Lebenshaltungskosten zu indexieren.

(Abg. Anton Baron AfD: Unglaublich!)

Das darf getrost bezweifelt werden.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Dr. Schweickert, es gibt zwei Wünsche nach Zwischenfragen, einmal von Herrn Abg. Klos und dann von Herrn Abg. Dr. Merz.

Bitte, gern.

Herr Abg. Klos, bitte.

Danke für das Zulassen der Frage, Herr Professor Schweickert. – Sie haben eben gesagt, es sei die Politik von Berlusconi gewesen, die Probleme in Italien verursacht hat – die Jugendarbeitslosigkeit. Wie erklären Sie dann, dass in der Zeit, als die Italiener abwerten konnten, al so ihre Produktivitätsnachteile durch Abwertung ausgleichen konnten, die Jugendarbeitslosigkeit Lichtjahre unter der Po sition lag, wo sie jetzt ist?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Zahlen! – Zuruf von der SPD: Belege!)

Mich würde interes sieren, worauf Sie das gründen. Wir waren ja mit dem Euro paausschuss gerade vor Ort. Schauen Sie sich an, wie das in der Lombardei, einem der „Vier Motoren“, funktioniert: Da sind wir auf einem guten Weg, und diesen Weg müssen wir weitergehen, und zwar mit Reformkräften und nicht mit Berlusconi.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Zuruf)

Gut, wenn die nächste Frage zurückgezogen ist, dann ma chen wir weiter.

Wir müssen uns schon überlegen, wie wir mit diesem Haus halt umgehen. Was ist mit Konvergenz? Was ist mit der Mög lichkeit, hier die Unterschiede zu egalisieren? Da bin ich der Meinung, wir müssen aufpassen, dass es nicht dazu kommt,

gerade bei dem Thema ESM. Es darf nicht dazu kommen, dass dieser unter Unionsrecht gestellt wird. Denn dann hätten wir eine Letztabsicherung für die Abwicklung nicht lebensfähi ger Finanzinstitute.

Meine Damen und Herren, da brauchen wir nur zu hören, was Herr Weidmann von der Deutschen Bundesbank dazu gesagt hat. Denn das trifft es relativ gut.

Wenn ich zur Landesebene komme, stellt sich die Frage: Wo sind denn die klaren Prioritäten bei der Landesregierung, Herr Minister? Unterschiedliche Positionen zur CETA-Abstim mung – das kennen wir. Sie haben nur Glück, dass im Bun desrat noch nicht gefragt worden ist, wie Sie abstimmen.

Wenn ich den Kollegen Kößler immer höre, auch am Montag beim Thema „Gold Plating“ – – Da bin ich ja bei ihm. Da hat er recht. Aber wenn ich dann schaue, was diese Landesregie rung macht, dann verfährt gerade sie in ihrem Bereich nach diesem Motto „Gold Plating“ –

(Zuruf des Abg. Josef Frey GRÜNE)

siehe das Thema „Messstellen am Neckartor“. Oder wenn wir auf reine Landesregelungen kommen, meine Damen und Her ren: Grünlandumbruchverbot. Die EU sagt: Schützt die Ge wässer! Der Bund sagt: Macht 5 m Gewässerrandstreifen! Und was macht das Land? Ja, wir machen im Außenbereich 10 m und nur im Innenbereich 5 m. Herr Kollege Kößler, das sind genau diese Gold-Plating-Tendenzen, die den Unmut bei den Leuten schüren.

Wenn wir dann landesrechtliche Regelungen haben wie das Grünlandumbruchverbot, die nicht notwendig sind, dann müs sen Sie schauen, dass Ihr Reden und Ihr Handeln nicht ausei nanderklaffen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, ich frage auch den Europaminis ter Wolf, der als Vorsitzender des EU-Ausschusses im Bun desrat das Thema Subsidiarität – das habe ich dem „Staatsan zeiger“ entnommen – jetzt auf die Tagesordnung gesetzt hat. Ich kann Ihnen sagen: Die Zustimmung der FDP haben Sie. Wir brauchen Subsidiarität. Wir brauchen ein Europa der Re gionen, in dem die Entscheidungen vor Ort gefällt werden. Wenn ich aber nach einer solchen Rede die Zwischenrufe ana lysiere, die aus den Reihen der Grünen kommen – Kollege Lede Abal sehe ich gerade nicht –: Da müssen wir doch dar über diskutieren, ob wir die Subsidiarität wollen.

Ich kann für uns nur sagen: Ein Europa, in dem Subsidiarität gelebt wird, das ist das Europa, das wir wollen. Ich bin ge spannt, wie wir das dann umsetzen. Wir haben hier in BadenWürttemberg alle Chancen dazu. Diejenigen, die auf der Aus schussreise in die Lombardei und nach Lyon dabei waren, wis sen: Wir haben in Lyon ein Parlament besichtigt, das die Re gion Auvergne-Rhône-Alpes vertritt. Da hat es sich wieder beispielhaft gezeigt: Die Menge an Regelungskompetenzen kann definitiv im umgekehrten Verhältnis zur Imposanz eines Parlamentsgebäudes stehen. Da können wir als Baden-Würt temberger zeigen, wie Landespolitik, wie Subsidiarität funk tioniert. Lassen Sie uns darum kämpfen, dass dieser Weg in die Zukunft führt.

Herr Minister, ich freue mich auf die Beantwortung dieser drei Fragen. Denn ich glaube, sie sind wichtig für die Zukunft der Europäischen Union, gerade hier für Baden-Württemberg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Wolf.

Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal bin ich dankbar, dass wir an diesem Europatag im Zuge der Aktuellen Debatte die Chance haben, hier im Parlament auch positiv über Europa zu sprechen, zu diskutieren und vor al lem eines zum Ausdruck zu bringen: dass wir Baden-Würt temberger im Herzen Europas zu diesem Europa stehen, dass wir für dieses Europa eine Zukunft wollen und dass wir all je nen entgegentreten, die gegen dieses Europa populistisch und mit falschen Parolen Stimmung machen. Das muss die Bot schaft dieser Debatte sein.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Deswegen – das zeigt auch die heutige Debatte – ist die Fra ge nach dem „Quo vadis, EU?“, die Frage nach dem künfti gen Weg Europas, eben mehr als die Frage nach europapoli tischem Klein-Klein, mehr als eine Debatte für Europafein schmecker.

(Zuruf von der AfD: EU!)

Es ist die Schicksalsfrage für uns Europäer. Denn ohne ein funktionierendes Europa wird unser europäisches Modell ins Hintertreffen geraten und wird sich unsere Idee von Frieden, Freiheit und Wohlstand für einen ganzen Kontinent nach und nach auflösen.

(Abg. Anton Baron AfD: Wissen Sie das?)

Die Debatte um Europas Zukunft gehört deswegen nicht in ir gendwelche kleinen Zirkel, sondern in die Parlamente, in die breite Öffentlichkeit, ja sogar auf die Straße und an die Stammtische.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister Wolf, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abg. Rottmann zu?

Ich ver stehe nicht richtig, wie man an dieser Stelle schon fragen kann. Aber natürlich lasse ich sie zu.

(Heiterkeit)

Vielen Dank. – Sie haben ge sagt: Wir brauchen ein funktionierendes Europa. Da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Die Frage ist: Muss es das Europa in dieser bürokratisierten Form sein?

(Oh-Rufe)

Schauen Sie, ich habe meine Rede damit begonnen, zu sagen, dass wir auch einmal die Kraft aufbringen müssen, bei dieser europä ischen Diskussion nicht im Klein-Klein zu verharren, sondern den Blick für das große Ganze, für das gelingende Projekt an den Anfang zu stellen.

Sie wissen, dass ich einer derjenigen bin, die sich auf kriti sche Diskussionen über Europa immer einlassen. Ich würde mir aber wünschen, dass Sie die Diskussion über europäische Bürokratie nicht an den Anfang der Diskussion über die Zu kunft Europas stellen.