Protokoll der Sitzung vom 09.05.2018

Der MFR wird auch übersichtlicher. Die Programme werden zusammengestrichen. Das kommt unserer Forderung nach Transparenz entgegen. Von heute 58 Programmen werden wir zukünftig nur noch 37 haben. Ich denke, auch das wird die Menschen näher an Europa heranbringen, weil sie die Prozes se besser verstehen.

Die Kopenhagener Kriterien für einen Eintritt in die Europä ische Union dürfen nach Eintritt eines Staates natürlich nicht ad acta gelegt werden; sie müssen vielmehr Maßstab für alle Mitgliedsstaaten sein. Deswegen unterstützen wir auch, dass konditionierte Zahlungen erfolgen, damit sich möglichst alle Staaten an die Kopenhagener Kriterien halten.

Noch ein Beispiel für einen Bereich, an dem wir arbeiten müs sen und bei dem es wichtig ist,

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

dass wir den Verordnungsvorschlag zu Sicherheit und Vertei digung haben, den wir ganz hilfreich finden: Wie Sie wissen, hatten wir vor Kurzem hier im Landtag den europäischen Ka tastrophenschutz als Thema. Wenn jeder Staat für sich allein Löschflugzeuge kauft, dann kostet ihn das mit 31 Millionen € je Flugzeug eine ganze Menge Geld. Wenn aber Staaten über die Europäische Union eine koordinierte Beschaffung im Be reich Feuerwehr und Katastrophenschutz vornehmen und da bei auch einmal 20 oder 30 solcher Flugzeuge gekauft wer den, dann können die Anschaffungskosten und auch die War tungskosten umgelegt werden, wodurch die Preise für die ein zelnen Länder jeweils sinken.

Herr Abg. Frey, bitte einen letzten kurzen Satz. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Deswegen sind wir hier aufgefor dert, ganz konkret – das letzte Beispiel hat dies gezeigt – den Bürgerinnen und Bürgern – die Landesregierung geht hier mit ihren Bürgerdialogen voran – Europa näherzubringen, um kei nen Zweifel daran zu lassen, dass dieser Landtag sich vollum fänglich hinter die Europäische Union sowie auch hinter die gute Kooperation zwischen Frankreich und Deutschland stellt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Merz.

Danke schön. – Ich hätte so viel zu sagen – zu Herrn Schweickert, zu Herrn – –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Bloß, es hat Ihnen niemand aufgeschrieben! – Abg. Nicole Razavi CDU: Wer war es denn noch alles?)

Ich werde mich aber auf Herrn Minister Wolf konzentrieren; denn Ober sticht Unter.

Zuerst aber noch zu Herrn Kößler mit seinen Träumen: Ja, in Träumen gibt es Goldesel; in Träumen gibt es Eiapopeia-Sa chen usw. Wenn ich höre, was Sie bezüglich des Euro, TAR GET2 usw. sagen, wenn ich höre, was Sie volkswirtschaftlich so von sich geben, dann frage ich mich wirklich, was Sie be ruflich denn tatsächlich gemacht haben.

(Beifall bei der AfD – Lachen des Abg. Rüdiger Klos AfD – Zuruf des Abg. Joachim Kößler CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist unverschämt! – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Zu Herrn Minister Wolf: Ich schätze Sie sehr; ich schätze Sie wirklich und ehrlich. Ich schätze auch, dass Sie Fragen zulas sen – danke schön. Ich bewundere Ihren Optimismus – und ich staune über Ihre Blauäugigkeit in Bezug auf die EU. Zu Ihrem Optimismus: Sie sind Optimist. Ein Pessimist ist ein Optimist mit Erfahrung. Die EU-Entwicklungen haben leider dazu geführt, dass ich zum Pessimisten wurde. Sie sagen im mer, das sei ein Klein-Klein im Verhältnis zum großen Ge danken. Ja, was ist das Klein-Klein? Das Klein-Klein heißt für Deutschland: 24 Milliarden € Zahlungen bislang, 12 Mil liarden € Zahlungen nun zusätzlich. Hinzu kommen die gan zen TARGET2-Problematiken – hoffentlich haben Sie vorhin aufgepasst –, die Staatsanleihen, die sich in der EZB ange sammelt haben, die Vergemeinschaftung von Schulden und Vergemeinschaftung von Vermögen.

Die EZB – der Italiener Draghi ist Chef der EZB – ist der ein zige Käufer von italienischen Staatsanleihen. Die Italiener be kommen diese Dinger am Markt nicht los – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Schauen wir auf die aktuellen italienischen Entwicklungen: Die Staatspleite in Ita lien ist kein ganz absurder Gedanke; mal sehen, was passiert. Sagen Sie aber später nicht, ich hätte es Ihnen nicht gesagt. Sagen Sie das nicht!

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Wolfgang Drex ler SPD)

Wenn wir hier – leider Gottes – immer wieder pessimistisch reden müssen, dann ist das nichts anderes als Realismus. Wenn es in einem Flugzeug zu einem Druckabfall kommt, fallen die Sauerstoffmasken von der Decke. Es wird dabei auch gesagt: Helfen Sie zuerst sich selbst, bevor Sie Umsitzenden oder Kindern helfen. Wieso? Wenn man selbst tot ist, kann man ei nem anderen nicht mehr helfen. Wenn ich jetzt sehe, wohin wir mit dieser EU schlittern, dann ist der Begriff „Einheits elend“ noch beschönigend.

Wir leben in einer Blase; es geht uns jetzt gut. Die Drohun gen am Horizont sind jedem Denkenden klar. Ich habe es vor hin erwähnt: TARGET2-Salden, Staatsanleihen, usw. Was da noch auf uns zukommen wird, werden wir, wenn wir Glück haben, bewältigen. Aber als Pessimist muss ich sagen: Ich se he wirklich schwere Zeiten auf uns zukommen. Unter TOP 4 habe ich noch mal fünf Minuten; passen Sie dann gut auf.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Hofelich.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten am vergangenen Mon tag hier im Parlament einen vorgezogenen Europatag. Der ge samte Saal war gefüllt mit jungen Leuten, so wie übrigens heute auch.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nicht ganz so jung!)

Schüler von Schulen aus ganz Baden-Württemberg – Herr Dr. Rülke, Sie waren nicht dabei –, eine tolle Stimmung war das, alle waren kritisch und positiv zu Europa. Das können alle hier bestätigen, die dabei waren; es war ein guter Tag, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Diese aggressiv-ziellose Europapolemik, die man von der Rechten des Parlaments hört, steht in einem ziemlich starken Kontrast dazu. Diejenigen, die Zukunft haben, waren am Montag da. Ihnen sage ich eines: Wenn ich mir die Wahler gebnisse anschaue – die Niederlage von Frau Le Pen –, wenn ich sehe, wie die Schweizer Volkspartei nach den Großrats wahlen wieder im Rückschritt ist, wenn ich sehe, wie die UKIP, deren Mitglied Sie, Herr Dr. Merz, laut Handbuch sind, sich gerade selbst zerlegt, dann sage ich: Europa hat die Zu kunft vor sich, Sie haben sie hoffentlich bald hinter sich.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der AfD – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Zuhören und lernen!)

Ich weiß, das tut weh.

(Zuruf von der AfD)

Wir bekommen Europa als Wertegemeinschaft, wir bekom men Europa als Solidargemeinschaft, wir bekommen es als Interessengemeinschaft; das ist heute bei den meisten Redne rinnen und Rednern durchgeklungen. Wenn das alles richtig ist, dann werden wir im Ergebnis mehr Europa haben, mehr Europa für Baden-Württemberg, und das ist eine gute Sache, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Nicole Razavi CDU)

Wir bekommen Europa aber nicht im Liegewagen, wir be kommen es nur, wenn wir uns bewegen, und auch die Landes regierung – deren Reihen gerade etwas gelichtet sind – muss sich bewegen. Wir müssen uns schon bewegen, und wir müs sen auch ein wenig den Blick auf das haben, was real ist.

Ich höre immer: Da ist die EU, und da ist ganz Europa. Es heißt, das sei ein Unterschied. Dass das geografisch ein Un terschied ist, ist bekannt. Aber ich möchte doch eines sagen: Mir als Fußballer kommt dieses Bekenntnis immer so vor: Wenn man sagt: „Ich bin für Europa, aber ich bin gegen die EU und die Kommission“, dann ist das so, als wenn man sagt: „Ich bin für die Bundesliga, aber ich bin gegen die DFL.“ Ir gendjemand muss es halt organisieren. Und so schlecht – das will ich an dieser Stelle auch einmal sagen – ist es nicht orga nisiert. Man kann nicht immer nur von Bürokratie reden. Wir

haben eine effiziente Kommission, und jeder, der vom büro kratischen Brüssel redet, ist vermutlich noch nie in der Schlan ge vor einem amerikanischen Postamt gestanden.

Deswegen sage ich Ihnen: Wir haben schon eine Situation, in der wir auch einmal positiv über das reden können, was die Kommission tatsächlich macht.

Ich möchte gern zu zwei Kernpunkten kommen, die wichtig sind. Der Minister hat angesprochen, dass gerade nichts so wichtig wäre wie, dass wir einen besseren Zusammenhalt in der Eurozone haben – es war, glaube ich, eine Entgegnung auf den Kollegen Schwarz. Das sehe ich nicht so, lieber Herr Mi nister. Wir haben zunächst einmal einen Koalitionsvertrag in Berlin zwischen CDU/CSU und SPD, bei dem klar verabre det ist, dass es zur Eurozone eine eigene Haushaltslinie im EU-Haushalt gibt. Das ist Koalitionsabsprache in Berlin. Mei ne Frage an Schwarz-Grün und Grün-Schwarz hier in Stutt gart ist: Stehen Sie eigentlich zu dieser Aussage im Koaliti onsvertrag in Berlin?

Ich finde, wir brauchen eine gestärkte Eurozone. Ich habe nun den Stellungnahmen der Grünen entnommen – – Ich frage auch einmal den Ministerpräsidenten – der nicht da ist –, ob er dies eigentlich unterstreicht. Ich sage Ihnen: Wir brauchen eine gestärkte Eurozone, und das hat die jetzige Bundesregie rung, Herr Kollege Schweickert, richtig gemacht – das kön nen Sie nicht allein mit der kleinen Polemik, dass Herr Schulz nicht mit auf dem Schiff wäre, niedermachen. Im Übrigen wa ren es die Grünen und die FDP, die monatelang nur an der Ha fenmole vor Kameras standen, anstatt das Schiff zu betreten. Insofern würde ich den Vergleich sowieso nicht wagen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben hier einen Koalitionsvertrag, in dem steht, dass wir einen Investitionshaushalt für die Eurozone aufbauen wollen, beginnend mit Haushaltsmitteln im nächsten Haushalt – eine eigene Haushaltslinie. Ich halte das für richtig, weil wir eine gestärkte Eurozone brauchen. Ich darf es einmal ein bisschen plakativ sagen, weil immer gesagt wird, das wäre nicht not wendig: Ich erinnere mich an die Zeiten, als Jungs mit brei ten Hosenträgern und weißen Socken, alle chronisch korpu lent, auf den Börsenparketts dieser Welt über Volkswirtschaft und Arbeitsplätze entschieden haben. Wir brauchen eine Si tuation, in der sich die Eurozone diesem Gebaren nicht mehr schutzlos ausgeliefert sieht. Deswegen brauchen wir eine star ke Eurozone.

(Beifall bei der SPD – Abg. Udo Stein AfD: Was hat sich geändert?)

Deswegen begrüßen wir die Vorschläge. – Es hat sich etwas geändert: Wir sind wehrhafter. – Wir begrüßen, dass die Kom mission auch Vorschläge für neue Finanzierungsformen für die EU macht. Eine europäische Lösung bei der Einführung einer Finanztransaktionssteuer zusammen mit einer gemein samen Bekämpfung von Steuervermeidung könnte der EU ei gene Mittel bringen und damit übrigens langfristig auch zu ei ner Entlastung der einzelnen Mitgliedsstaaten führen.

Ich bin auch dafür, dass wir ein Europa der zwei Geschwin digkeiten haben. Wir brauchen eine starke Eurozone. Ich glau be, das ist im Interesse Baden-Württembergs, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Josef Frey GRÜ NE)

Ich rate auch noch einmal, nicht ständig bloß polemisierend über andere herzuziehen. Wer in Italien, in der Lombardei, da bei war, der wird auch zur Kenntnis genommen haben, dass uns die Deutsche Außenhandelskammer eindringlich darauf hingewiesen hat, dass die italienische Volkswirtschaft in ihrer Substanz eine starke Volkswirtschaft ist.

(Zuruf: So ist es!)

Wenn Deutschland als Industrieland noch einen industriellen Partner in Europa hat – nachdem die Briten sich für etwas an deres entschieden haben, nachdem die Franzosen schwächeln –, dann sind es die Italiener. Die sind nämlich immer noch die zweitstärkste Industrienation in Europa. Sie haben auch das Know-how, das man braucht. Deswegen lautet die Parole nicht hämisches Abtun von Italienern, sondern sie lautet: Koopera tion, Unterstützung und Solidarität mit Italien.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich glaube, ich muss zum Schluss kommen, Frau Präsidentin.

Ich würde bei dieser europapolitischen Debatte gern noch ein mal aufnehmen, was mit dem Wort Subsidiarität immer gern ausgespart wird. – Jetzt könnte der Ministerpräsident, da es um die katholische Soziallehre geht, wirklich dabei sein, aber er wirbt gerade für die Staatsräson außerhalb des Plenarsaals.