Die Landesregierung hat sich bei der Erarbeitung des Gesetz entwurfs zur Anpassung des allgemeinen Datenschutzrechts an die Datenschutz-Grundverordnung so weit wie möglich von dem Ziel leiten lassen, das bisherige Datenschutzniveau des Landesdatenschutzgesetzes im Wesentlichen beizubehal ten. Die Öffnungsklauseln und Regelungsaufträge der Daten schutz-Grundverordnung bieten dem Gesetzgeber die Mög lichkeit, einen vernünftigen Ausgleich zwischen den Interes sen an der Datenverarbeitung einerseits und den Interessen der Bürger, über die Verwendung ihrer Daten selbst zu bestim men, andererseits herbeizuführen.
An einem Beispiel möchte ich Ihnen das erläutern: Die Video überwachung greift zwar in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der überwachten Personen ein; es wird aber
niemand auf die Videoüberwachung verzichten wollen, wenn es um den Schutz von Leben, Gesundheit, Freiheit oder Ei gentum geht.
Was niemand will, ist eine flächendeckende Videoüberwa chung im öffentlichen Raum. Wo sie aber erforderlich und verhältnismäßig ist, sollte eine Videoüberwachung auch mög lich sein. Der Gesetzentwurf stellt hierzu auf den Einzelfall ab. Im Einzelfall kann die Videoüberwachung aber zukünftig auch schon aufgrund einer abstrakten Gefährdungslage ein gesetzt werden. Wir wollen so sicherstellen, dass rechtzeitig und nicht nur erst dann, wenn eine Gefahr etwa für das Leben oder die Gesundheit von Menschen unmittelbar bevorsteht, Videoüberwachungsmaßnahmen möglich sind. Flankierende Verfahrensvorschriften reduzieren den Eingriff dabei auf ein Mindestmaß.
Manche Vorschriften der europäischen Datenschutz-Grund verordnung hätten wir als Landesgesetzgeber so nicht getrof fen, sie sind uns aber zwingend vorgegeben. So sind alle öf fentlichen Stellen in Zukunft verpflichtet, einen behördlichen Datenschutzbeauftragten zu haben. Hier müssen möglichst unbürokratische Lösungen her, z. B. mit der Beauftragung ei nes gemeinsamen Datenschutzbeauftragten für mehrere öf fentliche Stellen, wie es die Datenschutz-Grundverordnung übrigens zulässt.
Wie bereits erwähnt, bleibt es auch unter Geltung der Daten schutz-Grundverordnung im Wesentlichen bei den bewährten, überkommenen Prinzipien. Für die Verarbeitung personenbe zogener Daten gilt weiterhin: keine Datenverarbeitung ohne Rechtsgrundlage oder Einwilligung der betroffenen Person. Die Datensicherheit ist durch geeignete technische und orga nisatorische Maßnahmen sicherzustellen. In zunehmendem Maß werden hier in Zukunft Pseudonymisierung und Ver schlüsselung zur Anwendung gelangen müssen.
Einen großen Stellenwert, verehrte Damen und Herren Abge ordnete, räumt die Datenschutz-Grundverordnung dem Trans parenzgebot ein. Hierzu wurden die Betroffenenrechte mo dernisiert. Die Verwaltung muss in weit höherem Maß als bis her die betroffenen Personen über die Datenverarbeitung und ihre Rechte informieren. Das ist gut so und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.
Andererseits dürfen die Effizienz der Verwaltung und die öf fentliche Sicherheit hierunter nicht leiden, sodass im Gesetz entwurf im öffentlichen Interesse und zum Nutze des Gemein wohls die Betroffenenrechte eingeschränkt werden, wie es die Datenschutz-Grundverordnung ausdrücklich erlaubt, dies al lerdings nur unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit und nach Abwägung mit den Interessen der betroffenen Personen. Die se gebieten es auch, Geheimhaltungspflichten – z. B. bei No taren – besonders zu schützen.
Die Verbesserung des Datenschutzes soll auch den Beschäf tigten zugutekommen. Sie sind vor übermäßiger Überwa chung zu schützen.
Insbesondere die Verarbeitung besonders sensibler Daten ist generell auf bestimmte Tätigkeiten zu beschränken.
Auch im Dienstrecht werden außer begrifflichen Anpassun gen an das neue europäische Datenschutzrecht neue Regelun gen zum Schutz der Beschäftigten getroffen, z. B. wird die Datenverarbeitung im Auftrag im Personalaktenrecht an stren ge Voraussetzungen gebunden.
Effektiver Datenschutz bedeutet auch effektive Durchsetzung des Datenschutzes. Dementsprechend ist es eine Vorgabe der Datenschutz-Grundverordnung, ein Kernanliegen des einge brachten Gesetzentwurfs, die Aufsicht zu stärken und ihre Un abhängigkeit noch stärker als bisher zu garantieren. Schon jetzt wird die Datenschutzaufsicht in zuverlässiger und kom petenter Weise vom Landesbeauftragten für den Datenschutz ausgeübt. Um seine Unabhängigkeit organisatorisch zu stär ken, sieht der Gesetzentwurf die Loslösung der Dienststelle des Landesbeauftragten vom Landtag und seine Organisation als oberste Landesbehörde vor. Damit erhält er die von der Datenschutz-Grundverordnung verlangte völlige Unabhän gigkeit.
Grundrechtsbezogen, wie der Datenschutz zu gestalten ist, kann er aber auch mit anderen Grundrechten, insbesondere der Forschungsfreiheit oder der Meinungsfreiheit, kollidieren. Hier muss ein gerechter Ausgleich herbeigeführt werden. Ins besondere die Forschung genießt daher in Bezug auf die Da tenverarbeitung im Einklang mit dem Bundesdatenschutzge setz gewisse Privilegierungen, die auch in Zukunft den For schungsstandort Baden-Württemberg sichern helfen.
Über die Anpassung des allgemeinen Datenschutzrechts an die Datenschutz-Grundverordnung hinaus enthält unser Ge setzentwurf weitere Anpassungen von Rechtsvorschriften, von denen ich nur noch die folgende herausgreifen möchte:
Die Videoüberwachung in den Abschiebungshaftvollzugsein richtungen trägt zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ord nung in diesen Einrichtungen bei. Aus rechtsstaatlichen Grün den erforderlich sind aber Vorschriften, die unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben genaue Regelungen tref fen. Weder soll der persönliche Lebensbereich der Unterge brachten mehr als erforderlich eingeschränkt noch sollen die Aufnahmen länger als unbedingt notwendig gespeichert wer den.
Dementsprechend werden das Abschiebungshaftvollzugsge setz sowie die Abschiebungshaftvollzugsverordnung geändert.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin zuversicht lich, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf das allge meine Datenschutzrecht sinnvoll an die europäische Daten schutz-Grundverordnung anpassen und die Spielräume des Gesetzgebers maßvoll und vernünftig nutzen. Maß und Mit te – das gilt für diese Landesregierung und diese Koalition auch in Sachen Datenschutz.
Meine Damen und Herren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Mi nuten je Fraktion festgelegt.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die DatenschutzGrundverordnung ist für die Bürgerinnen und Bürger in Eu ropa ein deutlicher Fortschritt –
das ist unsere klare Wertung –, weil sie in Zukunft in 27 Mit gliedsstaaten ein hohes Datenschutzniveau etabliert. Sie macht die Bürgerrechte für immerhin rund 500 Millionen Bürgerin nen und Bürger sicherer als bisher. Bürgerinnen und Bürger haben auch in Baden-Württemberg gegenüber Behörden und anderen ein umfassendes Auskunftsrecht darüber, wie mit ih ren Daten umgegangen wird. Und – das ist uns besonders wichtig – es gibt in der gesamten Europäischen Union zum ersten Mal richtig wirksame Aufsichtsbehörden. Das, was wir mit unseren Landesbeauftragten für den Datenschutz schon länger kennen, war in anderen europäischen Ländern bisher keineswegs Standard. Aber auch unser Beauftragter wird wei ter gestärkt; das haben wir vom Minister gerade gehört.
Besonders wichtig ist im Zeitalter von Skandalen bei Face book und anderen, die in den letzten Wochen viele Tausend Bürgerinnen und Bürger verunsichert haben, dass die Auf sichtsbehörden, also auch unser Landesbeauftragter, nach dem Marktortprinzip für diese Konzerne zuständig sind und ein greifen können, wenn es in Baden-Württemberg Verstöße ge gen den Datenschutz gibt. Das ist, glaube ich, ein Fortschritt, den man nicht hoch genug bewerten kann, weil damit zum ersten Mal Instrumente gegenüber Konzernen geschaffen wer den, die Bürgerinnen und Bürger bisher als übermächtig emp funden haben und gegenüber denen sie sich als hilflos ange sehen haben.
Die Datenschutz-Grundverordnung zeigt damit, dass ein star kes Europa auch gegen übermächtige Konzerne aus Übersee bestehen kann.
Wir, die Grünen – das darf ich sagen –, sind besonders stolz auf diese Datenschutz-Grundverordnung, auch wenn sie an manchen Stellen wehtun mag. Darüber kann und muss man selbstverständlich auch diskutieren.
Denn wir haben im Europäischen Parlament mit unserem Be richterstatter Jan Philipp Albrecht – demnächst Umwelt- und Agrarminister in Schleswig-Holstein – einen ganz großen An teil am Zustandekommen dieser Grundverordnung. Lieber Jan Philipp, hier aus dem Landtag von Baden-Württemberg noch einmal herzlichen Dank für dein großartiges Wirken in den letzten Monaten.
Natürlich hat der Minister zu Recht angesprochen, dass die Datenschutz-Grundverordnung auch Fragen aufwirft, Sorgen macht –
Ich glaube aber, es gilt die Faustformel – die kann man immer anwenden –: Wer sich bisher an das deutsche Datenschutz recht gehalten hat, hat von der Datenschutz-Grundverordnung nichts zu befürchten. Denn so groß sind die Änderungen nicht. Das ist auch für ein kleines Unternehmen oder für einen Ver ein zu bewerkstelligen, wenn der Datenschutz schon in der Vergangenheit einen wichtigen Stellenwert hatte.
Ansonsten gilt für die Landesregierung einschließlich aller Behörden und an der Spitze den Landesbeauftragten: Wir neh men alle Befürchtungen sehr ernst, gehen ihnen nach, geben Antworten darauf.
Unser Landesbeauftragter ist hier erstklassig aufgestellt. Das haben wir schon gemerkt. Die Beratungstätigkeit läuft seit Monaten. Sie läuft sehr konstruktiv, sie läuft pragmatisch und ist geeignet, Ängste da, wo sie vorhanden sein sollten, zu neh men und eine pragmatische Anwendung der DatenschutzGrundverordnung zu ermöglichen – zu der auch unser heuti ger Gesetzentwurf wesentlich beiträgt.
Wir nutzen die Möglichkeit der Öffnungsklauseln der Daten schutz-Grundverordnung dort, wo es uns im Land geboten er scheint. Allerdings ist unser Maßstab auch, keine übermäßige Zahl von nationalen Ausnahmen vorzusehen, um die Grund aussagen der Datenschutz-Grundverordnung nicht gleich wie der zu entwerten.
Deswegen ist der Gesetzentwurf auch eine Herausforderung. Es geht darum, das Grundrecht auf informationelle Selbstbe stimmung einerseits zu stärken und es andererseits pragma tisch zu handhaben. Die wichtigsten Regelungsbereiche hat der Minister bereits genannt. Das muss ich nicht wiederholen. Das sind die Themen „Ausnahmen bei Betroffenenrechten“, „Zweckbindung von Daten“, Arbeitnehmerdatenschutz und einiges andere. Wir sehen, wie gesagt, darin in der Summe ei nen erheblichen Fortschritt.
Über Einzelheiten, über Fragen, über Probleme, die es geben könnte, können wir uns in aller Ausführlichkeit und Gründ lichkeit in den Beratungen in zwei Ausschüssen verständigen. Es wird ja auch nach Lage der Dinge am 4. Juni eine ausführ liche Anhörung dazu stattfinden. Es wird also ausreichend Ge legenheit geben, diesen Gesetzentwurf – den wir Ihnen zur gründlichen Beratung empfehlen, aber auch zur Unterstüt zung, weil wir ihn für gut und ausgewogen halten – zu disku tieren.
Verehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Wie viele von Ihnen habe ich einen Facebook-Account. Ich habe die entsprechenden Nut zungsbedingungen akzeptiert, obwohl ich den Vorstandsvor sitzenden von Facebook, Mark Zuckerberg, nicht zu meinem Freundeskreis zähle.
Ich bin auch Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, habe auch schon mehr als einen Arzt in meinem Leben besucht und finde, dass meine Gesundheitsdaten sonst niemanden etwas angehen. Ich kaufe auch beim Online-Buchhändler ein
und bin schon froh, wenn er mir bei seinen Kaufempfehlun gen kein Buch empfiehlt, das ich nicht schon woanders erwor ben habe.
Ich bin aber auch Inhaberin einer kleinen Rechtsanwaltskanz lei, in der ich auf die Daten von Mandanten und Gegnern, von Versicherungen und Sachverständigen, von Zeugen und Ge richten angewiesen bin, damit ich die Interessen meiner Man danten vertreten und meiner Arbeit nachgehen kann. Im Grun de steht mit mir der personifizierte Zielkonflikt vor Ihnen: