Ich bin aber auch Inhaberin einer kleinen Rechtsanwaltskanz lei, in der ich auf die Daten von Mandanten und Gegnern, von Versicherungen und Sachverständigen, von Zeugen und Ge richten angewiesen bin, damit ich die Interessen meiner Man danten vertreten und meiner Arbeit nachgehen kann. Im Grun de steht mit mir der personifizierte Zielkonflikt vor Ihnen:
auf der einen Seite das Interesse am Schutz meiner Daten und des Zugriffs darauf und auf der anderen Seite der bürokrati sche und organisatorische Aufwand für mein kleines Unter nehmen.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, bislang gleicht das eu ropäische Datenschutzrecht einem Flickenteppich. Das ändert sich zum 25. Mai 2018, an dem die europäische DatenschutzGrundverordnung in Kraft tritt. Sie wird in allen Mitglieds staaten ab dem 25. Mai unmittelbar geltendes Recht. Die Na tionalstaaten müssen ihre Rechtsvorschriften daran anpassen, erhalten aber durch Öffnungsklauseln die Möglichkeit, kon kretisierende Regelungen zu treffen.
In unserem Landesdatenschutzgesetz gilt es nun, die Öff nungsklauseln aus der Datenschutz-Grundverordnung umzu setzen. Über hundert Verbände und Institutionen haben das Anhörungsverfahren genutzt, um Stellungnahmen abzugeben, und viele haben den organisatorischen Aufwand bei der Um setzung der Datenschutz-Grundverordnung, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen sowie Vereine, beklagt.
Gerade vor diesem Hintergrund macht der vorliegende Ge setzentwurf bewusst Gebrauch von der in der DatenschutzGrundverordnung eröffneten Möglichkeit, in bestimmten Be reichen Ausnahmeregelungen zu treffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Gesetzent wurf sieht Ausnahmen in der Zweckbindung bei der Datener hebung und -verarbeitung, bei den Informationspflichten und beim Löschungsrecht vor. Zudem ermöglichen wir die Video überwachung im öffentlich zugänglichen Raum, stellen den Schutz der Beschäftigtendaten der öffentlichen Stellen des Landes sicher und sorgen für eine angemessene Privilegie rung in den Bereichen Forschung und Medizin.
Die Dienststelle des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationssicherheit wird zukünftig nicht mehr im Landtag angesiedelt, sondern als oberste Landesbehörde eingerichtet
und dann auch kleinen und mittleren Unternehmen beim The ma Datenschutz mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Über die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung hi naus werden das Abschiebungshaftvollzugsgesetz sowie die dazugehörige Verordnung im Rahmen eines Omnibusverfah rens um Regelungen zum Vollzug des Ausreisegewahrsams sowie erweiterte Beschränkungsbefugnisse angepasst.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die europäische Da tenschutz-Grundverordnung ist in 16 Tagen geltendes Recht. Es wäre schön, wenn auch das vorliegend zur Beratung ste hende Gesetz mit seinen Ausnahmeregelungen zum selben Tag in Kraft treten könnte.
Ich bedaure ausdrücklich, dass hier manche, nicht zuletzt auch die SPD, zuletzt auf die Bremse gestiegen sind –
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei der SPD – Abg. Andreas Stoch SPD: Wer hat den Gesetz entwurf so spät vorgelegt? Wir fordern die Rechte des Parlaments ein! Das sollte auch Ihnen am Herzen lie gen! – Abg. Nicole Razavi CDU zur SPD: Wie lan ge braucht ihr denn zum Lesen? – Gegenruf des Abg. Sascha Binder SPD: Hast du es gelesen? – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)
diese Frage stellt sich –, da es zuletzt auch die SPD nicht er möglicht hat, schon vor zwei Wochen in diesem Haus die Ers te Beratung durchzuführen.
Ich darf aber zur Heilung für meine Fraktion die Bereitschaft erklären, einen Gang hochzuschalten und über Sondersitzun gen doch noch ein Inkrafttreten des Gesetzes zum 25. Mai zu ermöglichen.
(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen – Abg. Andreas Stoch SPD: In Sachen Hoch schalten reden Sie mit dem Innenministerium!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin Aras, meine sehr geehrten Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab möchte ich mich bei unserem Landesda tenschutzbeauftragten, Herrn Dr. Brink, für seine hervorra gende Arbeit bedanken.
Er ist sehr bemüht, die Betroffenen umfassend und sorgsam auf die Datenschutz-Grundverordnung vorzubereiten. Das än dert natürlich nichts am Umfang der bürokratischen Maßnah men, zu denen die Betroffenen verpflichtet sind. Die Daten schutz-Grundverordnung mahnt in Artikel 5 Absatz 1 Buch stabe c das Prinzip der Datenminimierung an. Leider fehlt ein Artikel zur Bürokratieminimierung.
Datenschutzbeauftragte werden sich in Zukunft über zu we nig Arbeit bzw. Aufträge nicht beklagen können. Denn was
sich hier bereits seit Mai 2016 zusammenbraut – seitdem gilt die EU-Datenschutz-Grundverordnung nämlich schon; nur endet nun deren Übergangsfrist, und die Datenschutz-Grund verordnung ist anzuwenden –, darf man wohl mit Fug und Recht als eine Art Konjunkturprogramm für Datenschützer bezeichnen.
Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meis ten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.
Die Datenschutz-Grundverordnung ist eine EU-Verordnung und somit ohne Umsetzung in nationalstaatliches Recht gül tig. Dieser Automatismus gefällt uns natürlich weniger. Ziel war, europaweit einheitliche Regeln für den Datenschutz zu schaffen. Damit können wir uns sogar anfreunden, böte es doch die Chance, das Bundesdatenschutzgesetz und 16 Lan desgesetze abzuschaffen.
17 Gesetze durch eines ersetzen, das wäre praktizierter Büro kratieabbau. Aber nein, die Bundes- und Landesgesetze wer den stattdessen angepasst und bestehen fort.
Heute, am 9. Mai, 16 Tage vor der Anwendung, findet die Ers te Beratung dazu im Parlament statt; Herr Binder hat auch da rauf hingewiesen und hat da ganz klar recht. All diejenigen, die schon länger im Parlament sind, frage ich auch: Warum machen wir das eigentlich erst jetzt?
Was Bürokraten gefällt, macht der Wirtschaft große Proble me. Die Datenschutz-Grundverordnung gilt für die Verarbei tung von personenbezogenen Daten durch alle öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen. Aber natürlich gelten die har ten Bußgeldvorschriften bei Verletzung nicht für öffentliche Stellen.
Ausgerechnet die Rechtsanwaltskammer Stuttgart begrüßt dies ausdrücklich und möchte dies sogar noch auf öffentliche Unternehmen ausgedehnt haben, die mit eigener Rechtsper sönlichkeit am Wettbewerb teilnehmen. Die AOK sieht das genauso. Interessant!
Vom Industrie- und Handelskammertag hätten wir übrigens erwartet, dass er sich für seine Zwangsmitglieder einsetzt und versucht, die Bürokratie, die zusätzlich rund um die Daten schutz-Grundverordnung aufgebaut wurde, abzuschwächen. Leider Fehlanzeige!
Zur Wirtschaft: Die konsequente und rechtssichere Umset zung der Datenschutz-Grundverordnung kostet ein betroffe nes KMU zwischen 5 000 und 7 000 € – natürlich nur die lau fenden Kosten. Betroffen davon sind alle Unternehmen, bei denen mehr als neun Mitarbeiter Zugang zu personenbezoge nen Daten haben und diese verarbeiten. Das sind mehr als
40 000 Unternehmen im Land. Allein der Wirtschaft in Ba den-Württemberg werden dadurch mehrere Hundert Millio nen Euro Kosten für die Umsetzung entstehen – Kosten wohl gemerkt, keine Investitionen.
Aber halt, wen trifft das denn noch? Sogenannte Auftragsda tenverarbeiter – auf gut Deutsch: einzelkämpfende IT-Free lancer oder andere Freelancer, die Systeme ihrer Kunden be treuen – sitzen wohl im gleichen Boot. Wie sieht es mit Ärz ten, Apothekern, Hoteliers und Vereinen aus? Die Liste kann man endlos fortsetzen.
Um aber eines klarzustellen: Datenschutz ist richtig, entspricht einer Kernforderung der AfD und wird in Zeiten fortschrei tender Digitalisierung immer wichtiger. Aber was hier flächen deckend an Bürokratiekosten verursacht wurde und wird, ver hindert Unternehmensgründungen und lässt so manchen über eine Aufgabe seiner beruflichen Selbstständigkeit nachden ken. Getreu dem Motto „Bürokratie first, Bedenken second“ kommt es einem so vor, als ob die Verantwortlichen auf dem Rü cken der zigtausend Betroffenen ein weiteres Bürokratiemons ter unnötig mit Kraftfutter stopfen – quasi „Bürokratie@BW“.
Ich komme zum Schluss: Die AfD fordert daher im Ausschuss, die Öffnungsklauseln der Datenschutz-Grundverordnung da hin gehend zu nutzen, im Interesse der KMUs den Geltungs bereich so weit wie möglich einzuschränken und die Bürokra tie, vor allem bedingt durch Dokumentationspflichten, zu mi nimieren. Wir sehen auch die Regierungsparteien in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die neuen Regelungen kein Kon junkturprogramm für Abmahnvereine – wie es beispielswei se bei der Deutschen Umwelthilfe beim Bekämpfen des Die sels der Fall ist – werden.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Frau Kollegin Gentges, es ist ja schon abenteuerlich, was Sie hier im Parlament zu den Zeitabläufen sagen, wie ein Gesetzgebungsverfahren ablaufen soll.
Ihr Minister sucht beim Thema Datenschutz seit Monaten den Gang. Jetzt werfen Sie uns vor, wir würden auf die Bremse treten. Das hat mit Respekt vor dem Parlament nichts zu tun.