Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migrati on – Inklusives Wahlrecht für die kommenden Kom munalwahlen durchsetzen – Drucksache 16/3922
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Allgemeine Aussprache zu den Buch staben a und b insgesamt fünf Minuten je Fraktion sowie für die antragstellende Fraktion zur Begründung des Antrags un ter Buchstabe b zusätzlich fünf Minuten.
Wir verfahren in der bei Zweiten Beratungen von Gesetzent würfen üblichen Reihenfolge, nämlich auch hier in der Rei henfolge nach Fraktionsstärke. Die Rednerinnen bzw. die Red ner der Fraktion der SPD begründen den Antrag im Rahmen der Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kollegin nen und Kollegen! Mit dem Gesetz zur Änderung kommunal wahlrechtlicher Vorschriften werden Anregungen aus der kommunalen Praxis aufgenommen, Anpassungen an die Re gelung von Bund und Ländern vorgenommen und auch Orga nisation und Durchführung der Kommunalwahlen vereinfacht. Wir haben das alles in der ersten Lesung bereits debattiert. Die Änderungen sind auch allesamt sinnvoll und im Sinne der kommunalen Landesverbände. So weit d’accord.
Gesprochen haben wir das letzte Mal auch schon über einige weitere Änderungsbedarfe, die sich teilweise auch aus der An hörung ergeben haben. Auf einen für uns sehr wesentlichen Punkt will ich heute noch einmal näher eingehen, nämlich auf das Thema „Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse für Men schen mit Vollbetreuung“.
Dieses Thema war Gegenstand intensiver Beratungen, auch jetzt noch einmal im Innenausschuss. Dazu liegen auch An träge der SPD, aber auch der Regierungsfraktionen vor. Ich möchte betonen, dass wir uns hier beim Thema Wahlrechts ausschlüsse in der Verpflichtung der UN-Behindertenrechts konvention sehen. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat Deutschland 2015 aufgefordert, hier die gesetzlichen Rege lungen und Vorgaben zu ändern.
Für uns ist klar: Die Betreuung in allen Angelegenheiten darf nicht zu Wahlrechtsausschlüssen führen. Der Wahlrechtsaus schluss diskriminiert Menschen mit Behinderungen. Das be trifft in Baden-Württemberg knapp 6 000 Menschen, die nicht zur Wahl gehen können. Für uns, die grüne Fraktion, ist das kein akzeptabler Zustand, meine Damen und Herren.
Wir haben deshalb die klare Absicht, die Wahlrechtsausschlüs se vor der Kommunalwahl 2019 zu streichen. Bis zur Aufstel lung der Wählerverzeichnisse ist dafür auch noch ausreichend Zeit. Allerdings steht zu den Wahlrechtsausschlüssen noch ei ne Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus. Es geht um eine Wahlprüfungsbeschwerde, die von Betroffenen 2014 eingereicht wurde. Der SPD-Antrag ignoriert, dass diese Ent scheidung des Bundesverfassungsgerichts noch aussteht. Wir halten das für einen entscheidenden Mangel.
Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird im Herbst gerechnet. Wir erwarten, dass dann Klarheit hin sichtlich der Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse herrscht und damit Rechtssicherheit für eine geplante weitere Geset
zesänderung besteht. Wir sind uns mit dem Koalitionspartner einig, dass es Änderungsbedarf bei den Wahlrechtsausschlüs sen gibt und dass diesem rechtzeitig vor der Kommunalwahl Rechnung getragen werden soll. Das haben wir in dem Ihnen vorliegenden Änderungsantrag formuliert.
Ich möchte noch einmal auf den Inhalt zu sprechen kommen. Sobald das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, soll die Regierung die gewonnenen Erkenntnisse prüfen und darauf aufbauend unmittelbar einen neuen Gesetzentwurf erarbeiten. Damit kann das Wahlrecht dann sicher und zweifelsfrei so ausgestaltet werden, wie wir uns das wünschen, nämlich oh ne die Wahlrechtsausschlüsse.
Außerdem können dann – das ist auch ein Vorteil – die Erfah rungen aus anderen Bundesländern einfließen, insbesondere Erfahrungen aus Schleswig-Holstein, wo die Wahlrechtsaus schlüsse abgeschafft worden sind und wo vor wenigen Wo chen Kommunalwahlen stattgefunden haben.
Meine Damen und Herren, das geplante Vorgehen entspricht übrigens auch dem, was die Große Koalition auf Bundesebe ne tut. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Angrif fe gegen Grün-Schwarz sind hier also fehl am Platz.
Sie vertreten im Bund genau das, was wir hier vorhaben und tun. Setzen Sie um, was im Koalitionsvertrag auf Bundesebe ne vereinbart worden ist. Dann sind wir uns hier auch einig.
Meine Damen und Herren, die im vorliegenden Gesetzent wurf vorgesehenen Änderungen im Kommunalwahlrecht sind allesamt hilfreich und sinnvoll. Zusätzlich wollen wir die Ab schaffung der Wahlrechtsausschlüsse rechtzeitig vor den Kommunalwahlen 2019 auf den Weg bringen. Wir werden das unmittelbar angehen, sobald die Entscheidung des Bundes verfassungsgerichts vorliegt. Heute werben wir um Zustim mung für die Gesetzesänderung.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich bedaure, dass ich die Zeit, die ich vorhin eingespart habe, jetzt nicht anhängen kann; denn jetzt kommen wir zum bedeutenderen Teil der Kommunalwahl rechtsänderungen.
Wir haben bereits in der ersten Lesung signalisiert, dass wir die wesentlichen Änderungen mittragen und auch gutheißen. Ich darf noch kurz auf zwei, drei wichtige Punkte eingehen.
Bei Gemeinden mit bis zu 3 000 Einwohnern wird die Mög lichkeit eingeführt, doppelt so viele Bewerber für die Wahl vorzuschlagen, wie Gemeinderäte zu wählen sind, wobei das Gesetz die Regelung vorgibt, aber nicht mehr die Hauptsat zung, wie es ursprünglich im Entwurf vorgesehen war. Wir schließen uns damit dem Votum des Landkreistags und des Gemeindetags an.
Es gibt einen Ausschluss von Mandatsträgern für den Fall von Verfassungswidrigkeitserklärungen sowohl für Parteien als auch für Wählervereinigungen.
Wir passen die kommunalwahlrechtlichen Wahlvorschriften an, indem wir sie an die Parlamentsregeln anlehnen. Dies gilt z. B. für das Gesichtsverhüllungsverbot für Wahlorgane.
Wir haben ferner – das gehört zur Offenheit und Ehrlichkeit, und das dürfen Sie von mir erwarten – unser Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass sich zwei Aspekte, die uns beschäf tigen, nicht in diesem Gesetzentwurf wiederfinden. Das be trifft zum einen das Sitzzuteilungsverfahren, das wir für die se Legislaturperiode nicht mehr werden ändern können. Wir setzen zuversichtlich darauf, dass wir an diesem Thema wei terarbeiten und vielleicht bei der übernächsten Kommunal wahl eine Änderung herbeiführen können.
Zum anderen beschäftigt uns – gerade seit dem vergangenen Sonntag – wieder das Thema der Mehrfachbewerbungen bzw. der gleichzeitigen Bewerbungen. Dabei geht es um das Un terschriftenquorum für Bewerber in Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern. Dies gibt es im Moment noch nicht. Dabei geht es um die Frage, wie glaubhaft und ernsthaft eine Kandidatin bzw. ein Kandidat an einem Sonntag in drei oder vier Gemeinden gleichzeitig antreten kann.
Wir wissen sehr wohl, dass der Zugang zu diesem öffentli chen Amt ein hohes verfassungsrechtliches Gut ist. Aber wenn es weiter diese Entwicklung gibt, dann sollten wir uns über legen, ob wir da nicht ein Stück weit in irgendeiner Form ge gensteuern müssen – auf die ich mich heute noch nicht fest legen kann.
In der Tat hat uns dann im Innenausschuss zu diesem Thema der Antrag der SPD zum inklusiven Wahlrecht intensiv be schäftigt. Ich hatte in der ersten Lesung glücklicherweise schon auf den Koalitionsvertrag hingewiesen – mancher er innert sich vielleicht –, der im Bund geschlossen worden ist. Mit diesem müssen wir uns auseinandersetzen. Ich hatte al lerdings auch darauf hingewiesen, dass es für uns, die CDUFraktion, wichtig ist, dass wir dieses Thema dann angehen, wenn das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, weil wir
Genau dies soll unser Antrag heute auch aufgreifen und ein Signal geben. Wir wollen das Urteil des Bundesverfassungs gerichts kennen, wir wollen es bewertet wissen, wir wollen es geprüft und ausgewertet wissen, und dann werden wir uns da mit auseinandersetzen.
Im Interesse der Menschen – das hat die Kollegin Lisbach schon gesagt – wollen wir mit unserem Antrag allerdings heu te schon ein Signal setzen, dass wir uns des Themas anneh men werden.
die uns sozusagen fehlende Empathie für die Menschen mit Behinderungen und fehlendes Rechtsbewusstsein vorgehal ten hat. Ich habe mir dann gedacht: Wenn einen diese Sorge vor einer fehlenden Empathie und einem fehlenden Rechts bewusstsein im Hinblick auf das Jahr 2019 umgetrieben hat, hätte man schon in der letzten Legislaturperiode eine entspre chende Änderung vornehmen können.
An dieser Formulierung habe ich sehr lange gearbeitet, Herr Stickelberger, und darauf bin ich sehr stolz. Deswegen muss te das jetzt einfach sein.
Daran sollen Sie auch erkennen, dass wir uns mit den Dingen wirklich ernsthaft auseinandersetzen wollen.