Erstens: „ella“ ist in der aktuellen Form nicht mehr zu retten. Wir brauchen einen vollständigen Neuanfang. Dazu gehören eine seriöse Machbarkeitsstudie, ein abgestimmtes Gesamt konzept statt vager Vorstellungen, eine Ausschreibung des Projekts und klare Verträge statt eines unklaren Letters of In tent sowie die Einrichtung klarer Verantwortlichkeiten in Um setzung und Beaufsichtigung des Projekts.
Zweitens: Baden-Württemberg muss sich jetzt die Erfahrung anderer Bundesländer mit Bildungsplattformen zu eigen ma chen und sich bewährten Lösungen anschließen oder sich an einer länderübergreifenden Bildungscloud beteiligen. In Bay
ern beispielsweise ist das Internetportal mebis seit 2017 an 4 300 Schulen im regulären Einsatz und hat 750 000 regist rierte Nutzer.
Drittens: Die Umsetzbarkeit muss in einer öffentlichen Anhö rung mit IT-Experten, Experten für Datenschutz und Datensi cherheit sowie Vertretern des Schulbereichs diskutiert wer den.
Viertens: Ziel muss eine Bildungsplattform sein, die neben ei ner Mediathek Schülern und Lehrern einen sicheren Raum für Kommunikation zur Bearbeitung von Aufgaben und zur Spei cherung von Materialien bietet.
Fünftens: Lösungen müssen sich an denen orientieren, die sie nutzen, und dürfen nicht wie bei „ella“ an Schülern und Leh rern vorbei geplant werden.
Darum muss bei Lehrern und Schülern erhoben werden, wel che wichtigen Anwendungen und Tools sie von einer Bil dungsplattform erwarten.
Sechstens: Wir müssen eine Schulverwaltungssoftware vor antreiben, die in allen Schulen eingesetzt wird und mit der sich Daten wie beispielsweise der Unterrichtsausfall schul scharf und zugleich länderübergreifend ermitteln lassen.
Wie es funktionieren kann, kann man in Hessen und in Bay ern erfahren. – So viel zum Thema Neuland, Herr Minister präsident.
Siebtens: Die Landesregierung hat unverzüglich zu prüfen, inwieweit sie die bis jetzt bereits geleisteten Zahlungen – für das Jahr 2017 allein 8,7 Millionen € – ganz oder teilweise zu rückfordern kann. Das Verhalten aller Projektpartner ist auf Verfehlungen und Möglichkeiten der Geltendmachung von Ansprüchen zu prüfen. Auch sind dienstrechtliche Konsequen zen zu prüfen.
Es gibt weitere wichtige Fragen; denn das externe Gutachten des Kultusministeriums hat keine Bewertung der Projektor ganisation und der Projektprozesse, keine datenschutzrechtli che Bewertung, keine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und kei ne Bewertung des pädagogischen Nutzens vorgenommen.
Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit Antworten des In nenministeriums unter der Verantwortung von Minister Tho mas Strobl haben wir kein Vertrauen in den Aufklärungswil len des Innenministeriums. Deshalb verlangen wir, dass der Rechnungshof mit der Aufklärung des „ella“-Desasters beauf tragt wird. Das müsste auch in Ihrem Interesse sein, sehr ge ehrte Frau Eisenmann.
Sollte sich die Landesregierung der umfassenden Aufklärung verweigern, ist für uns ein Untersuchungsausschuss der nächs te konsequente Schritt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Digitalisierung des Lan des braucht mehr als einen Sonnenscheinminister, wie es Herr Minister Thomas Strobl offenbar ist. Wir brauchen eine Per sönlichkeit, die diese existenzielle Zukunftsaufgabe mit Ver antwortungsbewusstsein und der entsprechenden Professio nalität anpackt. Deshalb fordern die Freien Demokraten, die Digitalisierung aus dem Innenministerium herauszulösen und ein eigenständiges Digitalisierungsministerium zu schaffen.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Sonst fordert ihr immer weniger Ministerien! Das darf doch nicht wahr sein! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wollt ihr echt noch ein Ministeri um?)
Die Bildung der Kinder in unserem Land ist unwahrschein lich wertvoll. Auch für die Zukunft der Bildung müssen im Zeitalter der Digitalisierung neue Wege gegangen werden. Das erfordert Mut.
Und glauben Sie: Niemand ist trauriger als wir und ungedul diger als wir, wenn es nicht klappt, wenn es einen Fehlstart gibt. Den hat es gegeben. Das muss man einräumen. Aller dings ist ein Vorwurf – ich habe sehr genau zugehört – im Lauf der Debatte nicht gemacht worden: Wir haben in keiner Se kunde versucht, irgendetwas zu vertuschen, irgendetwas nicht publik zu machen,
sondern wir haben die Dinge sofort transparent auf den Tisch gelegt. Wir haben reagiert. Wir unternehmen einen Versuch, die Dinge zu ordnen. Das ist genau das, was verantwortungs volles Regierungshandeln auszeichnet.
Natürlich ärgern wir uns, wenn etwas nicht klappt. Die Kul tusministerin wie auch ich sind ins Gelingen verliebt. Wir wol len, dass Baden-Württemberg eine Bildungsplattform be kommt, mit der wir Pionierarbeit für ganz Deutschland leis ten. Wir wollen Baden-Württemberg bei der Digitalisierung voranbringen. Wir wollen, dass Baden-Württemberg an der Spitze steht.
Das wird aber nichts, wenn man verzagt die Hände in den Schoß legt. Das wird nichts, wenn man nur das tut, was alle anderen tun. Das wird nur dann etwas, wenn man Neues wagt, wenn man sich anspruchsvolle Ziele setzt, wenn man die Komfortzone auch einmal verlässt.
Eine vernetzte Bildungsplattform, also eine Bildungsplattform in der Cloud, verehrter Herr Abg. Dr. Kern, ist etwas Neues; das gibt es nicht in Bayern, das gibt es nicht in Hessen, das gibt es in keinem Land in der Republik.
(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ziele vielleicht, aber Sie sind gescheitert mit den Zielen! – Abg. Sascha Binder SPD: Es geht darum, die Ziele zu erreichen!)
Das ist letztlich auch der Grund für unsere heutige Debatte. Entweder man geht auch bewusst einmal Risiken ein und stellt sich Herausforderungen, oder – das kann ja Ihr Weg sein – man verharrt gemütlich im Stillstand.
Unser landeseigener IT-Dienstleister BITBW und das Kultus ministerium haben gemeinsam die KIVBF, unseren großen kommunalen IT-Dienstleister, mit der Entwicklung der not wendigen Software und der Herstellung der Betriebsumge bung beauftragt.
Die BITBW, meine Damen und Herren, ist eine nach wie vor junge und noch lange nicht perfekte Institution. Aber eines möchte ich schon sagen: Durch die BITBW haben wir eines der stabilsten und sichersten Verwaltungsnetze in ganz Deutsch land. Die BITBW ist ein kaufmännisch wirtschaftender Lan desbetrieb, der stetig und schnell wächst – in den Bereichen Umsatz und Personal –; die BITBW ist in einem steten und schnellen Wandel und liefert in Anbetracht dieser Rahmenbe dingungen gute Arbeit für unser Land und die Beschäftigten in der Landesverwaltung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine Bildungsplattform ist auch nicht trivial. Sie greift in die persönlichen Daten un serer Landeskinder und von Tausenden von Lehrerinnen und Lehrern ein: 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler, Lehre rinnen und Lehrer. Daher war ganz klar, dass wir für dieses Projekt vor allem seriöse Partner benötigen, die zum einen Er fahrungen im Cloudcomputing und zum anderen ein aller höchstes Maß an Sicherheit für die Daten der Kinder bieten können. Daher lag es nahe – auf diese Idee sind ja, verehrter Herr Kollege Stoch, auch andere schon gekommen –, dass man die KIVBF mit an Bord holt.
Hinzu kommt, dass wir neben den IT-Experten von Kommu nen und des Landes mit der Firma fluidOps ein baden-würt tembergisches Softwareunternehmen mit an Bord hatten. Dies ist ein renommiertes Unternehmen aus Walldorf – was sicher lich nicht der schlechteste Standort für gute IT-Unternehmen ist.
Die BITBW und die KIVBF haben gemeinsam mit dem Kul tusministerium einen Weg eingeschlagen, der vorsah, dass nicht sofort detaillierte Verträge geschlossen werden sollten. Da staunt man als Jurist schon ein bisschen. Ich habe mir aber erklären lassen, dass man die Entwicklung vielmehr Schritt für Schritt vornehmen wollte, damit unkompliziert und flexi bel auf die fachlich-pädagogischen Anforderungen eingegan gen werden kann.