Protokoll der Sitzung vom 13.06.2018

Und das Ganze bei einer Benutzerverwaltung, die für 1,5 Mil lionen Anwender gedacht ist! Im Übrigen wurde auch keine Machbarkeitsstudie – die nennt sich Proof of Concept – er stellt – sehr eigentümlich. Von Microsoft kommt die Software; die sind auch nicht eingebunden.

Da muss man schon fragen: Hat das Ministerium eigentlich deutlich gemacht, welche Erwartungen dieses Programm er füllen soll, welche Aufgaben es erfüllen soll? Offensichtlich gibt es hier an und für sich gute Software – das Hasso-Platt ner-Institut hat mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung für Schulen dergleichen entwickelt. Warum wur de diese nicht eingeführt? Musste man das Rad zweimal er finden? Hätte man dies tun sollen? Hätte man nach einer bun deseinheitlichen Lösung suchen sollen? Das ist eine schwie rige Frage.

Diese Frage führt zum zweiten Themenfeld, zum politischen Thema. Nehmen wir einmal an, irgendwo sei eine Grundge setzänderung im Rohr. Haben Sie die Rede des französischen Präsidenten Macron an der Sorbonne zur Gestaltung der Se kundarstufe gehört? Sie war leider nur auf Französisch anzu hören. Mit einer Grundgesetzänderung, wie Macron sie ei gentlich gern hätte, würde das Goldene Kalb der Bildungsho heit der Länder gekippt werden. Dann könnte die Bundesre gierung die Erwartungen der Europäischen Union erfüllen und in die Bildungshoheit der Länder eingreifen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Um Gottes willen!)

„Um Gottes willen“, eben. – Wie macht man so etwas? Am besten fängt man damit an, dass man den Ländern zeigt: Ihr schafft das nicht allein, ihr braucht den Bund dazu – z. B. bei einem digitalen Millionenfiasko.

Die Vorgaben der EU werden von vielen Leuten zufälliger weise gern gesehen und gern angenommen. Deswegen ist das Beispiel gar nicht so weit hergeholt, meine Damen und Her ren. Im Rahmen der PISA-Studie wurde das ja genauso ge macht: Zuerst wurde eine riesige Katastrophe inszeniert, und hinterher wurde das umgesetzt, was die OECD im Bildungs wesen verlangte. Erst hat man den Bock zum Gärtner ge macht, und dann hat man ihn entscheiden lassen, welches Pflänzchen angepflanzt werden soll.

Nehmen wir einmal an, dieses Theater um die schöne „ella“ dient der Förderung der Bildung unter Bundeshoheit – eine wahrhaft geschickte psychologische Vorbereitung auf eine Grundgesetzänderung.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Endlich ei ne Verschwörungstheorie!)

Dann fragen wir vielleicht die Bildungsministerin, was sie von dieser Grundgesetzänderung halten könnte, die sich mögli cherweise ihre CDU-Kollegin auf Bundesebene ausdenkt. Klar ist: Unsere Bildungsministerin steht für Kultushoheit in den Ländern.

Deswegen zurück zum Anlass: Wir, die Alternative für Deutsch land, verlangen eine lückenlose Aufklärung, wie es dazu kom men konnte, und zwar von unabhängiger Seite. Die AfD-Frak tion hat den Landesrechnungshof bereits gebeten, diese Vor gänge eingehend zu untersuchen. Wir fordern Konsequenzen für die Verantwortlichen. Wir müssen danach fragen, ob bei diesem Schachtelmodell mit Unteraufträgen irgendjemand be günstigt wurde, ob es persönliche Beziehungen gab. All dies ist zu untersuchen.

Man muss auch darüber nachdenken, ob dieses Geschäftsmo dell wirklich sinnvoll ist. Was nicht passieren darf, ist, dass sich CDU, SPD und Grüne hier einen Theaterdonner liefern, um die eigentliche Aufklärung, wie es zu diesem Millionen grab kommen konnte, letztendlich zu verhindern. Denn eines ist klar: Für dieses Millionengrab sind mindestens SPD und CDU verantwortlich.

(Beifall bei der AfD)

Zufälligerweise sind sie, CDU und SPD, die Parteien, die in Berlin an der Regierung sind.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD – Zuruf von der SPD)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Dr. Kern das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ministerpräsident Winfried Kretsch mann wurde gestern laut dpa mit folgenden Worten zitiert: Er rate

mit Blick auf die Pannen bei... „ella“ zu Gelassenheit. „Das ist Neuland, das betreten wird, da muss man damit rechnen, dass Dinge nicht funktionieren“, sagte er... Er ermuntere seine Minister, Risiken einzugehen und Fehler in Kauf zu nehmen –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das machen die auch!)

auch wenn das Geld koste.

Nun, Herr Ministerpräsident, ich kann Ihnen versichern, dass die betroffenen Minister Eisenmann und Strobl Ihre Ermun terung, Risiken einzugehen, Fehler in Kauf zu nehmen und Kosten zu verursachen, bei „ella“, dem digitalen Vorzeigepro jekt Ihrer Landesregierung, mit Bravour umgesetzt haben.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Kennen Sie, Herr Ministerpräsident, eigentlich folgende Fak ten, die durch ein unabhängiges Gutachten, ein externes Gut achten festgestellt wurden – wohlgemerkt kein Gutachten der Opposition, sondern ein Gutachten, das von Ihrer Kultusmi nisterin beauftragt wurde? Wussten Sie, dass in Baden-Würt

temberg ein 28,7 Millionen € teures Prestigeprojekt der Lan desregierung ohne Machbarkeitsstudie, ohne Lastenheft, oh ne Mindeststandards und ohne Ausschreibung vergeben wur de? Dass nur ein Letter of Intent existiert, aber kein Vertrag mit dem beauftragten Dienstleister? Dass das Projekt drei Ta ge vor dem geplanten Start abgesagt werden musste und dass der externe Gutachter zu dem Schluss kam, dass „ella“ tech nisch nicht umsetzbar ist und dass wohl ein Millionenbetrag abgeschrieben werden muss?

(Zuruf von der FDP/DVP: Hört, hört!)

Der Gutachter stellte außerdem fest, dass das Betriebskonzept unvollständig ist, zentrale Bausteine der Plattform fehlen, die Durchführbarkeit der Benutzerverwaltung und die Leistungs fähigkeit des Anwendersupports nicht geprüft wurden, das Si cherheitskonzept unvollständig ist, ein Notfallkonzept, Qua litätssicherungskonzept und Speicherkomponenten nicht vor handen sind,

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Was funktioniert überhaupt?)

Microsoft als Softwarelieferant nicht beratend eingebunden wurde sowie die Wartung und Weiterentwicklung der für „el la“ genutzten Cloudsoftware

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist ja dilettantisch!)

durch das beauftragte Unternehmen gefährdet sind.

Angesichts dieser Faktenlage, Herr Ministerpräsident, sollten Sie sich wirklich noch einmal überlegen, was Sie gestern in Ihrer Regierungspressekonferenz für einen Unsinn gesagt ha ben.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Wir Freien Demokraten haben vor diesem unfassbaren Hin tergrund eine Große Anfrage eingebracht. Übrigens: Als wir sie vorbereiteten, hatten wir große Mühe, mit den 30 zulässi gen Fragen auszukommen. Eigentlich hätten wir mehr als 100 Einzelfragen gehabt.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Habt ihr nur Fra gen, keine Antworten? – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Denn man muss davon ausgehen, dass „ella“ von Anfang an fahrlässig umgesetzt wurde. Es fehlte nicht nur an allem, was in der freien Wirtschaft bei einem Projekt dieser Größenord nung selbstverständlich wäre.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Vielmehr wurde eine zweifelhafte Kettenbeauftragung vorge nommen und damit die Verantwortungslosigkeit organisiert. Ob die handelnden Personen für ihren Anteil an der Umset zung des Projekts ausreichend qualifiziert waren, ist unklar und zu hinterfragen. Es ist derzeit noch völlig offen, inwie weit das Projekt vonseiten des Kultus- und des Innenministe riums überhaupt gesteuert und überwacht wurde und wer je

weils die Verantwortung trägt oder, besser, hätte tragen sol len. Diese Fragen hat das Gutachten explizit nicht untersucht.

Frau Ministerin Eisenmann, Sie geben sich überrascht und er bost. Dabei sind Sie als Fachministerin von Beginn an für „el la“ zuständig. Sie, Frau Ministerin, verhalten sich wie eine private Bauherrin, die sich ein Haus bauen lässt, aber erst am Tag des Einzugs zum ersten Mal die Baustelle betritt und sich dann wundert, dass das Haus nicht steht. Von Anfang an hät ten Sie, Frau Ministerin Eisenmann, dieses für die Bildung so wichtige und zudem teure Projekt zur Chefsache machen müs sen – und nicht erst drei Tage vor dem Start.

Wir möchten von Ihnen, Frau Ministerin, wissen, was Sie denn den 100 Schulen mitteilen, die seit Februar eigentlich mit „ella“ arbeiten sollten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Was macht Digitalisierungsminister Thomas Strobl? Am Tag vor der Veröffentlichung des desaströsen „ella“-Gutachtens sonnte er sich in seinem ersten Bericht zur Umsetzung der Di gitalisierungsstrategie. Auf den fast 80 Seiten des Berichts wird „ella“ als das größte Einzelprojekt der Strategie

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ha, ha!)

mit gerade einmal drei mageren Sätzen erwähnt. Das passt zur Logik der organisierten Verantwortungslosigkeit –

(Zuruf des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Hauptsache, auf der Sonnenseite segeln, Herr Minister.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der SPD – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Dabei sollte sich ein verantwortlicher Bauingenieur auch ein mal in die Realität einer Baustelle begeben. Aber vermutlich dachten Sie, Herr Minister Strobl, es reiche für Sie, wenn Sie zur Eröffnungsparty erstmals auf die Baustelle kommen und die PR-Maschine anwerfen würden. Nun, die Party wurde be kanntlich abgesagt.

In Minister Strobls Zuständigkeitsbereich liegt die Fachauf sicht über die BITBW und die KIVBF. Das Innenministerium mit Thomas Strobl an der Spitze ist für weite Teile der Um setzung von „ella“ und damit auch für das technische Schei tern des Projekts verantwortlich.

Was ist nun zu tun? Die FDP/DVP hat ein Positionspapier mit folgenden Forderungen vorgelegt:

Erstens: „ella“ ist in der aktuellen Form nicht mehr zu retten. Wir brauchen einen vollständigen Neuanfang. Dazu gehören eine seriöse Machbarkeitsstudie, ein abgestimmtes Gesamt konzept statt vager Vorstellungen, eine Ausschreibung des Projekts und klare Verträge statt eines unklaren Letters of In tent sowie die Einrichtung klarer Verantwortlichkeiten in Um setzung und Beaufsichtigung des Projekts.