Protokoll der Sitzung vom 11.07.2018

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen und der CDU)

Oftmals sind die direkte Konfrontation mit Betroffenen und die Möglichkeit des unmittelbaren Austauschs von entschei dender Bedeutung bei der angemessenen Beurteilung eines Anliegens. Die SPD zeigt sich durchaus offen, das Petitions

recht an verschiedenen Stellen, z. B. auch im Hinblick auf die Öffentlichkeit von Sitzungen, zu überdenken.

(Zuruf des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE)

Sehr geehrte Damen und Herren, ein geschätzter früherer Kol lege von mir, der diesem Kollegium auch viele Jahre angehör te, hat die Mitglieder des Petitionsausschusses einmal als Hy änen des Rechtsstaats bezeichnet.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf von den Grünen: Oje!)

Das hört sich zunächst abwertend und ungerecht an und wur de spontan auch so aufgefasst, lieber Kollege Zimmermann. Was er dann aber zur Erklärung sagte, stieß doch auf breite Zustimmung. Er sagte nämlich, dass so, wie die Hyänen im Ökosystem eine eminent wichtige Rolle haben, die Mitglie der des Petitionsausschusses dort hingehen, wo etwas schief gegangen ist, wo etwas liegen geblieben ist, wo Fehler ge macht wurden oder etwas übersehen wurde.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wo etwas faul ist! – Abg. Beate Böhlen Grüne: Das ist wie der Biber!)

Und manchmal gehen sie auch dorthin, wo etwas faul ist, ja.

Die Mitglieder des Ausschusses sehen es als ihre Aufgabe an, solche unangenehmen Dinge zu korrigieren. Das ist mühsam und nicht selten auch frustrierend und fruchtlos; aber schon eine einzige Entscheidung des Ausschusses, die einem berech tigten Anliegen zum Erfolg verholfen hat, macht die gesamte Arbeit sinnvoll.

Das sogenannte Stillhalteabkommen – es wurde schon ange sprochen – zwischen dem Landtag und der Landesregierung halte ich für eines der substanziellen Elemente unserer Arbeit. Hiernach ist es so, dass im Grundsatz während eines anhän gigen Petitionsverfahrens der Vollzug einer Maßnahme ruht. Ausgenommen davon sind natürlich Eingriffe in die Gerichts barkeit oder Fälle, die Bundesangelegenheit sind. Wir sollten gemeinsam alle Versuche, dieses Abkommen auszuhebeln, ab wehren.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Petitionsaus schuss – das möchte ich hervorheben – kommt es nicht selten zu sehr erfreulichen Abweichungen von der politisch vorge gebenen Fraktionsdisziplin, etwa, wenn sich ein Abgeordne ter völlig unerwartet für die Duldung eines Flüchtlings ein setzt – wir haben es gerade gehört – oder wenn ein anderer, ebenfalls völlig unerwartet, die Genehmigung einer Wind kraftanlage verweigert.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Wer mag das sein?)

Solche erfrischenden Vorkommnisse zeigen, dass ausschließ lich der konkrete Einzelfall bzw. der konkrete Sachverhalt im Vordergrund stehen; es wird also nur selten nach einem rei nen Schwarz-Weiß-Schema beurteilt.

Dennoch muss immer wieder der Gefahr begegnet werden, dass die Regierungsfraktionen ihre Mehrheit im Ausschuss nutzen. Es ist aber eigentlich geradezu undenkbar, dass ein

Koalitionsvertrag irgendeinen Abgeordneten binden könnte, sich nur anhand von Regierungsmehrheiten zu entscheiden.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Andreas Stoch SPD: Das steht aber drin! – Gegenruf des Abg. Karl Zimmer mann CDU: Da konntet ihr euch früher besser durch setzen!)

Sehr geehrte Damen und Herren, ausdrücklich loben möchte ich die Arbeit der Härtefallkommission, die sehr häufig in Fäl len angerufen wird, mit denen sich auch der Petitionsaus schuss beschäftigt. Kritisieren muss ich hingegen die Art und Weise, wie mit der Arbeit bzw. den Empfehlungen der Härte fallkommission durch das Innenministerium verfahren wird. Die dort zu beobachtende deutliche Tendenz zu einer immer restriktiveren Praxis hat schon zu unverständlichen Entschei dungen entgegen den Empfehlungen der Kommission geführt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Ja, und jetzt?)

Die Abschiebung von hier bereits gut integrierten Menschen, nur, um einen abstrakten Prinzip zu gehorchen, ist weder sach dienlich noch menschlich.

(Abg. Anton Baron AfD: Schauen Sie doch, wie die Härtefallkommission besetzt ist!)

Darauf hat auch der langjährige Vorsitzende der Härtefallkom mission, ein bekannter CDU-Kommunalpolitiker, kritisch hin gewiesen.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Richtig!)

Ich appelliere an den Innenminister – er ist gerade nicht da –,

(Abg. Andreas Stoch SPD: Das würde auch nichts helfen!)

sich bei seinen Entscheidungen nicht von einer mutmaßlich wahrgenommenen öffentlichen Stimmungslage leiten zu las sen,...

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss. Sie sind schon längst über der Zeit.

... sondern – jawohl, ich komme so fort zum Schluss – ausschließlich von der Betrachtung des Einzelfalls.

Zum Schluss möchte ich natürlich auch namens der SPDFraktion ein herzliches Dankeschön an die Mitarbeiter im Pe titionsbüro richten, an Herrn Haas, an Frau Böhlen als Vorsit zende. Für ihre hervorragende Arbeit kann ich nur Danke schön sagen.

Ihnen danke ich für das Zuhören. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, Abgeordneten der Grünen und der CDU sowie des Abg. Klaus Dürr AfD)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Keck.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit nun etwas mehr als zwei Jahren darf ich hier als Abgeordneter im Landtag tätig sein. Mir macht die Arbeit sehr viel Freude, insbesondere im Sozialausschuss – ich bin sozialpolitischer Sprecher meiner Fraktion – sowie als Mitglied, gemeinsam mit Jochen Hauß mann, im Verkehrsausschuss.

Ganz besonders demokratiefreundlich und bürgernah – Poli tik des Zuhörens – ist die Arbeit – sie ist umfangreich, gleich zeitig aber sehr erfüllend – natürlich im Petitionsausschuss. Wie von den Vorrednern häufig schon angedeutet: Man kommt mit den Petenten zusammen. Vor allem gibt es den Vorteil der parteiübergreifenden Zusammenarbeit, was sonst in den Gre mien und Ausschüssen nicht unbedingt der Fall ist. Das macht sehr viel Freude.

Geprüft wird Verwaltungshandeln, geprüft wird, ob es gege benenfalls Fehlentscheidungen von Verwaltungen gab. Die Petentin, der Petent wendet sich an den Landtag, den Petiti onsausschuss, wo alle Petitionen – Kollege Zimmermann hat es erwähnt – aufgenommen werden. Es gibt Vor-Ort-Termi ne, die sehr umfangreich sind und für die oft lange Wege, gro ße Strecken in Kauf zu nehmen sind.

Dabei kommt man mit den Petenten, mit Ministerien, mit Ver waltungen zusammen, um zu moderieren, und oft auch, um angesichts der Anliegen der Petenten und der Gegendarstel lungen der Verwaltungen oder Ministerien Mediation zu be treiben.

An drei Beispielen möchte ich verdeutlichen, wie wichtig und erfüllend die Arbeit sein kann. Manchmal sind es kleine Din ge, die Abhilfe schaffen.

Eine ausreisepflichtige Familie hatte sich an das Petitionsbü ro, den Petitionsausschuss gewandt, da ein Mitglied der Fa milie, ein junger Mann, kurz vor dem Hauptschulabschluss stand. In Zusammenarbeit und in Absprache mit dem Innen ministerium durfte dieser junge Mann seinen Hauptschulab schluss machen, und die Familie konnte dann freiwillig aus reisen. Der Petition selbst konnte auf diese Weise abgeholfen werden.

Ein zweiter Fall: Eine junge Studentin hatte sich an uns ge wandt, da sie aufgrund der Krebserkrankung eines nahen Ver wandten ihr Studium unterbrochen hatte. Da sie die Regelstu dienzeit nicht einhalten konnte, erhielt sie dementsprechend kein BAföG mehr. Auch hier konnten wir Abhilfe schaffen und vermittelnd tätig sein, damit diese junge Dame ihr Studi um fortsetzen konnte. Für sie bedeuteten die BAföG-Mittel sehr viel Geld, auch wenn es aus Sicht des Amtes relativ we nig war. Sie war sehr glücklich, diese Unterstützung weiter hin zu bekommen.

Ein weiterer Fall, der noch offen ist: eine Petition zum Flug landeplatz in Konstanz. Auch dort fand ein Vor-Ort-Termin statt. Dagegen stehen die Interessen der Stadt Konstanz, denn Gewerbeansiedlung ist notwendig, und Gewerbeflächen wer den dringend benötigt. Der Flugsportverein bringt verschie dene Gegenargumente an, warum er den Flugsport weiterbe treiben möchte. Es finden Rettungsflüge statt; zukünftig wird es eine Entwicklung hin zu Drohnenflügen geben. Auch die Überflugrechte des Flughafens Zürich sind dort ein Thema. In

den kommenden Wochen und Monaten wird man versuchen, einen Kompromiss zu finden. Diese Petition ist noch offen.

Ein ganz spannender letzter Punkt, den ich anführen will: Ei ne ältere Dame wandte sich kurz vor Weihnachten an uns. Sie wollte nichts weiter als einen neuen Badeanzug und Tickets für den ÖPNV, was sie sich im Rahmen dessen, was sie an Hartz-IV-Mitteln bekommt, einfach nicht leisten kann. Ich ha be diese Dame besucht und auch dort vermittelt. Manchmal sind es nur kleine Taten, die Freude bereiten. Ich konnte da zu verhelfen, dass die Dame über das Sozialamt und verschie dene andere Institutionen einen Badeanzug und auch ÖPNVTickets bekam, sodass sie wieder mobil sein kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP, der Grünen und der CDU)

Der Petition selbst konnte natürlich nicht abgeholfen werden, aber auf dem kleinen Dienstweg konnte doch Hilfe vermittelt werden.

Ich möchte nicht versäumen – auch wenn meine Vorrednerin nen und Vorredner dies alle schon getan haben –, einen herz lichen, ehrlichen Dank an die Vorsitzende, Frau Böhlen, an ihren Vertreter, Herrn Beck, und allen voran an Herrn Haas und sein Team zu richten, die sehr viel gute Arbeit leisten und täglich für die Petenten unterwegs sind. Ein herzliches „Ver gelts Gott!“. Weiter so!

Vielen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und Antwort der Landesregierung – Digitale Bildung und Medienbildung in Baden-Württemberg – Drucksache 16/1256