Protokoll der Sitzung vom 11.07.2018

Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und Antwort der Landesregierung – Digitale Bildung und Medienbildung in Baden-Württemberg – Drucksache 16/1256

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der die Große Anfrage stellenden Fraktion, also der Fraktion GRÜNE, eine zusätzliche Redezeit von fünf Mi nuten festgelegt.

In der Aussprache erteile ich nun für die Fraktion GRÜNE Frau Abg. Boser das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Digitalisierung verändert die Unternehmen in unserem Land, unsere Gesellschaft, und sie wird Einfluss auf die Bildung und damit auch auf die Schulen in unserem Land nehmen. Dabei sehen wir die Digitalisierung zum einen als eine Herausforderung, auf die schnellen Entwicklungen zu reagieren und von ihnen nicht überrollt zu werden. Auf der anderen Seite ist die Digitalisierung mit großen Chancen ver bunden.

Wir müssen daher gerade bei Kindern und Jugendlichen den Umgang mit digitalen Medien behutsam begleiten, ihnen die

Chancen und Risiken der Digitalisierung verdeutlichen und sie auf dem Weg in eine digitale Gesellschaft unterstützen.

Dabei geht es auch um die beruflichen Chancen der Absol ventinnen und Absolventen. Die Unternehmen im Land er warten zu Recht, dass die Schülerinnen und Schüler nach der Schule nicht nur wissen, wie das Smartphone, das Tablet oder der PC zu bedienen sind. Vielmehr wird es immer wichtiger, dass Schülerinnen und Schüler verstehen, wie diese Geräte funktionieren, wie sie genutzt und programmiert werden kön nen.

Digitalisierung an Schulen umfasst für uns dabei drei Schwer punkte, die gleichzeitig auch Ziele an den Schulen sein soll ten:

Zum einen: Medienbildung ist für uns über alle Schularten hinweg der erste Grundstein, um Schülerinnen und Schülern den sinnvollen Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln, dafür zu sensibilisieren – beispielsweise für Mobbing im In ternet –, und digitale Bildung ist auch Verbraucherschutz.

Der zweite Schwerpunkt ist die Vermittlung von informati onstechnischen Grundlagen und von ersten Kenntnissen im Bereich der Informatik.

Den dritten Schwerpunkt bildet der praktische Umgang mit digitalen Medien in und außerhalb der Schule.

Die JIM-Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, dass der Umgang mit digitalen Medien für 97 % der Kinder und Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren durch den Besitz eines Smart phones zum Alltag gehört. Allerdings – das muss man kritisch anmerken – verfügen im Gegenzug immer weniger Kinder und Jugendliche über einen Computer oder einen Laptop. Da bei nutzen die Jugendlichen die Geräte zwar auch für den schulischen Bereich, aber dies nach wie vor viel häufiger zu Hause als in der Schule.

Wir sehen in diesem Zusammenhang den großen Bedarf, dass Kinder und Jugendliche durch eine gute Medienbildung früh zeitig über einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien aufgeklärt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig! Verant wortungsvoll!)

Die Schulen haben hier die große Aufgabe, den pädagogischen Mehrwert und den sinnvollen Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln. Mit dem Bildungsplan 2016 haben wir bei spielsweise die Leitperspektive Medienbildung über alle Schularten hinweg eingeführt, um fächerübergreifend genau dieses Thema aufzugreifen. Dabei ist die erste Voraussetzung, dass wir die Lehrerinnen und Lehrer in unserem Land für die ses Thema sensibilisieren und darauf vorbereiten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Deshalb kommt der Lehrerfortbildung in diesem Zusammen hang eine große Bedeutung zu. Im Digitalpakt sind daher ent sprechende Mittel vorhanden, um die Fortbildung von Lehre rinnen und Lehrern auszuweiten. Neben der Medienbildung bedarf es in den weiterführenden Schulen auch der ersten In

halte zu informationstechnischen Grundlagen und zur Infor matik.

Kinder und Jugendliche wissen zwar, wie der Umgang mit ei nem Smartphone, einem Tablet oder einem Computer funkti oniert. Es ist aber ein Unterschied, ob ich ein Spiel zocken oder programmieren kann. Es ist für das Verständnis von di gitalen Medien wichtig, nicht nur den Umgang, sondern auch die Funktionsweisen zu kennen.

Hierbei geht das Wissen der Schülerinnen und Schüler stark auseinander. Es gilt auch hier wie in vielen anderen Bildungs bereichen, die Schülerinnen und Schüler mit ihrem Wissens vorsprung aktiv in die Unterrichtsgestaltung einzubeziehen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Mit dem Basiskurs Medienbildung in Klasse 5 wird den Schü lerinnen und Schülern zum ersten Mal der Einsatz von Lap tops und Computern für den schulischen Gebrauch vermittelt. Darüber hinaus gibt es bei uns im Land aber bereits heute Schulen, für die der Einsatz von digitalen Medien und die Bil dungsplattform zum schulischen Bildungsalltag dazugehören. Ich nenne beispielsweise die Ernst-Reuter-Schule in Karlsru he, die im vergangenen Jahr den Smart School Award gewon nen hat, die Gemeinschaftsschule in Wutöschingen, die mit ihrer digitalen Bildungsplattform DiLer ein großartiges An gebot an der Schule hat, oder das Friedrich-Gymnasium in Freiburg, das 2016 den Deutschen Lehrerpreis für innovati ven Unterricht erhalten hat, bei dem Smartphones im Physik unterricht eingesetzt werden.

Baden-Württemberg zeigt mit diesen Beispielen: Es kann Di gitalisierung in Schulen. Nun gilt es, diese Angebote auch an anderen Schulen zu ermöglichen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Dafür ist für uns eine digitale Bildungsplattform nach wie vor von großer Bedeutung. In der vorliegenden Anfrage hatten wir die Anforderungen, die wir an eine digitale Bildungsplattform stellen, abgefragt und auch bestätigt bekommen. Die jetzt auf getretenen technischen Probleme brauchte es vielleicht, damit am Ende etwas Gutes entstehen kann. Zumindest scheint nach den letzten Informationen der Weg für „ella“ offen zu sein. Wir hoffen nach wie vor auf eine schnelle Lösung für unsere Schulen.

(Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Eine ganz mutige De finition!)

Die eingerichteten Tablet-Klassen an unseren Schulen bieten Erfahrungswerte, um den pädagogischen Mehrwert des Ein satzes von digitalen Medien zu ermitteln. Denn eines ist für uns klar: Der Einsatz von digitalen Medien ist kein Selbst zweck, sondern muss immer auch mit einem pädagogischen Mehrwert verknüpft sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Raimund Haser CDU: So ist es!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, digitale Medien in jeder Form gehören heute zum Alltag. Die Zahlen habe ich bereits genannt. Insofern wäre es ein Irrglaube – meines Er achtens wäre das auch der falsche Weg –, Kinder und Jugend

liche davon fernhalten zu können. Nein, Schule – und natür lich auch das Elternhaus – muss sich dieser Herausforderung stellen.

Wir Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker haben hier eine große Aufgabe. Es geht nicht darum, Bildungsideale wie das der Aufklärung und der Erziehung zur Mündigkeit durch Digitalisierung zu ersetzen. Da bin ich mit unserem Minister präsidenten völlig einig. Aber wo, wenn nicht in Schulen, sol len alle Kinder unabhängig vom Elternhaus einen sinnvollen Umgang mit digitalen Medien erlernen? Das hat auch etwas mit Bildungsgerechtigkeit zu tun.

(Abg. Raimund Haser CDU: So ist es!)

Wo, wenn nicht in der Schule, legen wir die Grundsteine da für, dass sich Jugendliche in einer komplett veränderten Ar beitswelt zurechtfinden? Ich bin sehr froh, dass wir in BadenWürttemberg Digitalisierung und Innovation großschreiben – auch in der Bildungswelt.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ha, ha, ha!)

Denn nur mit dieser Schwerpunktsetzung tragen wir dazu bei, dass es diesem Land auch morgen gut geht.

Ich möchte noch einen Punkt hinzufügen: Nicht nur an der Schule ist die digitale Bildung für uns von großer Bedeutung. Auch in der Erwachsenenbildung und in der Weiterbildung müssen wir darauf achten, dass die digitale Bildung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Stellenwert be kommt. Der Wandel in der Arbeitswelt bedingt, dass wir in Zukunft andere Arbeitsplätze haben werden als in der heuti gen Zeit. Daher brauchen wir auch in der Weiterbildung und in der Erwachsenenbildung entsprechende Angebote, damit wir die soziale Gerechtigkeit weiter aufrechterhalten können, damit wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf die Jobs der Zukunft vorbereiten können. Da sehe ich uns in Ba den-Württemberg auf einem guten Weg. Wir müssen mit der Welt da draußen Schritt halten. Dafür wird die grün-schwar ze Landesregierung alles tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Das Wort für die CDUFraktion hat Herr Abg. Haser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Man kann noch so viele Bücher lesen, noch so lang in die Schule gehen und noch so viele Abschlüsse machen: Ich glaube, das, was den Men schen letztlich ausmacht, was ihn erfolgreich werden lässt, was ihn vielleicht auch manchmal scheitern lässt, was ihn letztlich auch von anderen unterscheidet, passt am Ende im mer auf einen kleinen Kieselstein.

Auf diesem Kieselstein steht, ob ich den kindlichen Drang nach Wissen in das Erwachsenenalter mitnehme. Auf diesem Kieselstein steht, ob wir den Biss haben, uns tief in Sachen hineinzubohren. Auf diesem Kieselstein steht auch, ob wir Teil einer Gesellschaft sein möchten, Verantwortung überneh men möchten oder ob wir uns am liebsten den ganzen Tag um uns selbst kümmern.

Dieser ganzheitliche Blick auf die Bildung und auf die Ganz heit des Menschen darf uns – egal, in welcher Diskussion – nie verloren gehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der AfD so wie der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Selbstverständlich ändern sich Techniken über die Zeit. Auch die Tafel ist keine 2 000 Jahre alt. Es gab auch einmal die Ein führung des Flipcharts und der Metawand. Das heißt, in der Technik entwickeln wir uns immer weiter.

Aber die Digitalisierung hat eben noch einen weiteren Aspekt. Es geht nicht nur darum, die Digitalisierung durch unter schiedliche Spielformen im Unterricht ankommen zu lassen, sondern es geht auch darum, die Digitalisierung zu nutzen, um Schule insgesamt effizienter zu machen, Ressourcen bes ser zu steuern und genau das zu tun, was wir mit „ella“ vor haben.

Die Diskussion darüber, ob wir angesichts der Digitalisierung den Bildungsplan entschlacken müssen, halte ich an dieser Stelle für nicht angebracht. Wir haben einen fast nagelneuen Bildungsplan, für den wir uns jahrelang Zeit gegeben haben, wir haben die Leitperspektive Medienbildung drin. Auch wenn man es nicht als Fach hat und der Unterricht in Infor matik erst in der siebten Klasse beginnt, soll Medienbildung trotzdem in jedem Jahrgang eine Rolle spielen. Das ist auch ein sehr gutes Ergebnis dieses ja sehr breiten Prozesses.

Ein I-Pad ersetzt aber keinen Lehrer,

(Beifall der Abg. Stefan Herre und Stefan Räpple AfD)

und ein I-Pad ersetzt auch nicht die Beschäftigung mit Lite ratur. Ein I-Pad kann mir auch nicht einzig und allein die Fra ge beantworten, was eine Biene dazu bringt, eine Blume zu bestäuben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Es geht also darum, sich zu fragen, wie wir Schulbildung ins gesamt effizienter und besser gestalten können, und nicht da rum, Dinge zu ersetzen.