Protokoll der Sitzung vom 11.07.2018

(Beifall bei der AfD)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Fulst-Blei für die SPD. – Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, Kolleginnen und Kollegen! Kollege Balzer, Wischen ist nicht Lesen, und Schwätzen ist nicht Wissen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Daniel Born SPD: Ja! – Abg. Anton Baron AfD: Das sagt der Richtige!)

Dass Lehrer digitalen Unterricht praktizieren können – ich ha be da großes Vertrauen in die pädagogischen Kompetenzen –, dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen, und da pas siert viel zu wenig.

Erst einmal herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kolle gen der Grünen für die umfassende Anfrage.

(Abg. Anton Baron AfD: Ogottogott!)

Sie wissen es anscheinend. Aber warum setzen Sie es dann nicht um?

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Wer die Digitalisierung in unserem Land zukunftssicher vor anbringen will, muss jetzt in die Köpfe der Menschen und auch in die Infrastruktur investieren. Sie von den Grünen und der CDU dagegen hangeln sich von einem digitalen Blackout in den nächsten.

(Beifall bei der SPD)

Sie strukturieren die Verwaltung um und legen dabei den Fort bildungsbereich gleich einmal für ein bis zwei Jahre komplett lahm. Den Fortbildungsetat haben Sie, Frau Kollegin Boser, 2017 um eine halbe Million gekürzt. Die Multimediaempfeh lungen für Schulen lassen Sie seit über zwei Jahren in den Schubladen liegen, weil Sie nicht zahlen wollen. Ich muss es Ihnen leider so deutlich sagen. Wo jetzt mutig investiert wer den muss, verschlafen Sie die Zukunft unseres Landes.

(Beifall bei der SPD)

Sie streichen 1 000 Lehrerstellen und in der Folge allen – erst einmal den Realschulen, den Gemeinschaftsschulen, den Werkrealschulen – für ein Jahr den schon lange auf den Weg gebrachten Informatikunterricht. Präziser: Er wurde auf Initi ative der SPD beschlossen, während Grüne und CDU erst ein mal versucht haben, ihn abzuschaffen.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Ach Quatsch!)

Und nur durch großen öffentlichen Druck kommt der Infor matikunterricht für diese Schulen nun doch.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: So ein Blödsinn! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das ist ungeheuer lich!)

Ihr Zutun zum Scheitern der Bildungsplattform „ella“ spielt die Regierungsbank konsequent herunter. Frau Ministerin Ei senmann inszeniert sich als Macherin in Krisenzeiten.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Das ist sie doch!)

Aber, Frau Ministerin, Sie kehren hier nur Scherben auf, die Sie selbst verursacht haben. Ich wiederhole mich: Niemand verlangt von der Kultusministerin, dass sie die Plattform selbst programmiert. Aber dass Sie führen – dazu gehört auch eine konsequente und gut angelegte Projektsteuerung –, das kön nen wir ja wohl von Ihnen verlangen, Frau Ministerin.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Klaus Dürr AfD)

Und der peinliche Schlagabtausch von letzter Woche hat doch nur gezeigt, dass Sie auch weiterhin dabei sind, den Karren an die Wand zu fahren, möglicherweise für den Preis von fast 9 Millionen €.

Das können Sie auch nicht herrisch im Bildungsausschuss und sonst wo beiseitereden. Ich wünsche mir hier weniger Hoch glanz, weniger Partystimmung bei Kongressen, wo dann in haltlich viel zu wenig rüberkommt, und mehr Ergebnisse.

Das verlangen wir nicht nur von Ihnen, Frau Ministerin Ei senmann, sondern auch von Herrn Digitalisierungsminister Strobl. Hier muss endlich mal geliefert werden. Kommen Sie aus der Showecke heraus, und packen Sie die digitale Zukunft unseres Landes endlich an!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

Kolleginnen und Kollegen, die SPD hingegen hat für unsere Schulen konkrete Vorschläge unter dem Titel „Fit für die di gitale Zukunft“ gemacht. Wir brauchen jetzt 500 Millionen € Landesmittel für die Schulsanierungen, wir brauchen 100 Mil lionen € für die digitale Ausstattung,

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Hätten Sie das doch in den fünf Jahren gemacht! Da haben Sie gar nichts gemacht!)

und das Land muss endlich aufhören, nur auf Berlin zu war ten. Die Finanzlage gibt es her.

Wir brauchen erstens Medienentwicklungspläne an Schulen als verbindliches Mittel, weil wir in der Kombination von Pä dagogik und Invest dann tatsächlich unser Land bildungspo litisch voranbringen können.

Wir müssen zweitens die Kapazitäten des Landesmedienzen trums bedarfsgerecht aufstocken. 600 Anfragen für 70 Leute – das zeigt: Die Kapazitäten sind an dieser Stelle zu gering.

Drittens brauchen wir die Einrichtung eines Modellversuchs „Lernendes Kollegium 4.0“, wie wir es vorschlagen. Lassen Sie uns hierzu 5 Millionen € bereitstellen, um nachhaltige Di alogstrukturen und Qualifizierungskonzepte in den Schulen zu entwickeln. Jede Schule sollte dann ein eigenes Fortbil dungsbudget erhalten und auch die Möglichkeit für regiona len Austausch haben.

Wir brauchen viertens einen Innovationsfonds „Digitale Zu kunftswerkstatt Schule“, nach unserer Vorstellung ausgestat tet mit mindestens 10 Millionen €, wovon dann über die üb rigens noch von der SPD initiierten Lernfabriken 4.0 hinaus 5 Millionen € in die Förderung von innovativen Projekten für Berufsschulen fließen.

Mithilfe des Fonds könnten wir dann Bereiche wie virtuelle Realität, Gamification, 3-D-Druck oder auch Coding wirklich wirkungsvoll voranbringen und in der Schulsituation testen. Die Schulen könnten Initiator sein in der Tradition BadenWürttembergs „Selbst tüfteln und denken“. Eine wissenschaft liche Begleitung dazu und eine saubere Evaluation könnten das Ganze abrunden.

Das sind die vier Punkte, die wir, die SPD-Fraktion, heute in Sachen digitaler Zukunft vorschlagen. Von Ihnen habe ich,

ehrlich gesagt, außer Bienen und Allgemeinplätzen viel zu wenig gehört.

Dazu kommt, dass wir für die Digitalisierung nicht nur diese pädagogischen Rezepte brauchen. Vielmehr brauchen wir dringend eine Rücknahme der von Ihnen beschlossenen Strei chung von 1 000 Lehrerstellen. Hören Sie auf – da kann ich wirklich nur an Sie appellieren –, am Bildungsetat Raubbau zu betreiben. Sie betreiben Raubbau an der Zukunft unserer Kinder, unseres Bildungssystems, und das darf nicht sein.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

Herr Abg. Dr. Kern, bit te, für die FDP/DVP-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Nach dem, was ich von meinen grünschwarzen Vorrednern zum Stand der digitalen Bildung in un serem Land heute gehört habe, frage ich mich wirklich: In welchem Bundesland leben Sie eigentlich?

Wie Sie hier heute den Istzustand der digitalen Bildung in Ba den-Württemberg beschrieben haben, das hat doch so gut wie gar nichts mit der tatsächlichen Realität an den Schulen in un serem Land zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wissen Sie, wie Sie mir vorkommen? Sie verhalten sich, wie man es dem russischen Feldmarschall und Gouverneur Gri gori Potemkin nachsagte. Diesem wurde unterstellt, er habe Kulissen von herausgeputzten Häusern vor heruntergekom menen Dörfern anbringen lassen, damit die Zarin auf ihrer In spektionsreise einen ausgezeichneten Eindruck vom Zustand ihrer Provinz bekam.

(Abg. Raimund Haser CDU: Das stand in Ihrer Rede doch schon drin, bevor wir etwas gesagt hatten! – Ge genruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE: Ja!)

Deshalb müsste das grün-schwarze Motto bei der digitalen Bildung lauten: Inszenieren bringt mehr Punkte als Probleme lösen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

In der Großen Anfrage wird zwar sehr fleißig allerhand abge fragt, was mit Digitalisierung zusammenhängt, aber für die ganz praktischen, schwierigen Probleme, vor denen die Schu len und anderen Bildungseinrichtungen bei der Umstellung auf den digitalen Unterricht stehen, fehlt bei Ihnen jegliches Verständnis. Ich nenne als Beispiel: Jeder Lehrer kämpft tag täglich mit dem Urheberrecht. Dieser Kampf wird sich in der digitalen Zukunft noch erheblich verschärfen. Über dieses zentrale Thema wird elegant mit gerade einmal zwei Fragen nach der Rolle von Open Source hinweggegangen.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Die sind doch drin, die Fragen!)

Oder eine der entscheidenden Fragen der Praxis, wer eigent lich den „digitalen Hausmeister“ macht, wer die Systeme an den Schulen wartet, die sucht man komplett vergebens.

Es ist doch eine Tatsache, dass es den Schulen nach über sie ben Jahren grüner Regierungsführung immer noch sowohl an der Hardware als auch an der Software für den digitalen Un terricht fehlt.

Für die technische Ausstattung der Schulen sollten eigentlich der Digitalpakt von Land und Kommunen sowie der Bund sor gen. Seit 2016 warten die fertigen baden-württembergischen Multimediaempfehlungen darauf, endlich umgesetzt zu wer den. Aber das Land lässt die Kommunen hängen. Die Begrün dung der grün-schwarzen Regierung lautet, der Bund komme nicht in die Pötte, und solange dort die Förderkriterien nicht klar seien, könne auch kein Landesprogramm aufgelegt wer den.