Protokoll der Sitzung vom 18.07.2018

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung, ob sie insoweit Kenntnis davon hat, dass der Partei Bündnis 90/Die Grünen und der Partei SPD zugehörige oder nahestehende Or ganisationen nachweislich und wissentlich mit vom Verfas sungsschutz beobachteten Organisationen zusammenarbeiten, und welche Konsequenzen sie daraus zieht.

Die zweite Frage an die Landesregierung ist, ob sie geprüft hat, die der sogenannten Antifa zugehörigen Organisations strukturen und Vereinigungen zu verbieten, und, falls das nicht der Fall sein sollte, wie sie dies begründet.

(Beifall bei der AfD – Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Zur Beantwortung darf ich Herrn Innenminister Strobl bitten.

(Abg. Stefan Räpple AfD: „Halb so schlimm!“)

Wenn Sie es schon wissen, kann ich mich setzen.

(Zuruf: Ja!)

Wollen Sie keine Antwort?

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE zu Abg. Stefan Räpple AfD: Einfach mal ruhig sein da hinten!)

Wollen Sie doch eine?

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Abgeordneter und meine Damen und Herren Abgeordneten – jedenfalls die, die an einer Antwort interessiert sind –, zu nächst einmal möchte ich Folgendes festhalten: Der Verfas sungsschutz beobachtet gemäß seinem gesetzlichen Auftrag – ohne Ansehen der politischen Ausrichtung einer Organisa tion – alle Bestrebungen, die sich gegen unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung richten. Wir sind, meine sehr verehrten Damen und Herren – das ist ein wichtiger Punkt –, auf keinem Auge blind.

Gerade an dieser Stelle möchte ich ausdrücklich betonen, dass wir sehr genau hinschauen, egal, ob die Gefahr von rechts oder von links oder von einem anderen Phänomen ausgeht. Dies mag für den einen oder anderen unbequem sein. Aber ich bin der absoluten Überzeugung, dass dies die Aufgabe des Ver fassungsschutzes ist, und dieser Aufgabe stellen wir uns un eingeschränkt.

Unsere demokratische Gesellschaft wird durch die grundge setzlich verbürgten Freiheitsrechte getragen. Hierzu gehört et wa, dass wir uns Meinungen anhören müssen, die wir als De mokraten nicht immer teilen wollen und können. Aber anhö ren sollten wir sie.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Als Demokraten! – Abg. Stefan Herre AfD: Wir sind alle demokratisch gewählt! Sind wir nicht demokratisch gewählt?)

Die, die die Antworten immer schon vorher kennen, haben offensichtlich ein Problem damit, sich eine andere Meinung anzuhören.

(Abg. Stefan Herre AfD: Wir sind auch demokratisch gewählt!)

Das hat doch gar niemand bestritten.

(Abg. Stefan Herre AfD: Sie sagten: „Demokraten“!)

Ein Zweites: Unsere Demokratie ist eine wehrhafte.

(Abg. Stefan Herre AfD: Das geht nicht! Wir sind ge nauso demokratisch gewählt! – Gegenruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE: Das hat nichts mit demokra tisch zu tun!)

Ich weiß nicht, ob Sie gleichzeitig dazwischenreden und zu hören können.

Die Mütter und Väter unserer Verfassung haben daher Instru mente geschaffen, die die widerstreitenden Grundrechte und Kernelemente der freiheitlich-demokratischen Grundordnung wohlüberlegt gegeneinander abwägen. Das Instrument des Verfassungsschutzes ermöglicht es uns, Gruppierungen im Blick zu behalten, die unsere Werte in ihren Grundfesten er

schüttern wollen. Auf derartige Haltungen und Entwicklun gen aufmerksam zu machen und vor ihnen ganz ausdrücklich zu warnen, das ist die vornehmste Aufgabe des Verfassungs schutzes. So funktioniert der Verfassungsschutz als Frühwarn system unserer freiheitlichen Demokratie.

Wenn Parteien also Kontakte mit vom Verfassungsschutz be obachteten Organisationen pflegen – das gilt für den Links- wie den Rechtsextremismus –, müssen sie sich daher als ver fassungsrechtlich legitimierter Teil unserer Gesellschaft fra gen lassen, in welchem Kontext sie dies tun. Handelt es sich etwa um einen kritischen, differenzierten Diskurs, der zur Meinungsfreiheit beitragen kann, oder rückt die Partei viel leicht in die Nähe verfassungsfeindlicher Bestrebungen und wäre damit unter Umständen selbst ein Fall für den Verfas sungsschutz?

Allerdings muss auch klar sein: Zur Erfüllung seines gesetz lichen Auftrags beobachtet das Landesamt für Verfassungs schutz Einflussnahmeversuche extremistischer Organisatio nen, nicht aber auf demokratische Parteien oder zivilgesell schaftliche Bewegungen, soweit sie auf dem Boden der frei heitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Dieser dritte und entscheidende Aspekt darf nicht außer Acht gelassen wer den.

Dass verfassungsfeindliche Organisationen gleichsam als Tritt brettfahrer demokratische Parteien nutzen, gar die berechtig ten Initiativen von Parteien unterwandern, um ihre eigenen Meinungen unauffällig einsickern zu lassen, vor derartigen Entwicklungen, egal, unter welcher politischen Prämisse sie stehen, egal, ob links oder rechts, kann ich nur warnen.

So sind Versuche von Linksextremisten festzustellen, auch mit demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten. Teils stre ben Linksextremisten sogar an, direkt in demokratischen Or ganisationen Fuß zu fassen. Das damit verbundene Bemühen, gezielt Einfluss auf die Willensbildung und Entscheidungsbil dung dieser demokratischen Organisationen zu nehmen oder dort gar linksextremistische eigene Positionierungen fest zu verankern, erwies sich zum Glück als bisher wenig erfolg reich. Aber diese Gefahr droht nicht nur von den Linksextre misten; auch aus dem Rechtsextremismus sind hinreichende Verbindungen zu politischen Parteien bekannt, wie Ihnen ja selbst bekannt ist und auch jüngst in der Presse thematisiert worden ist.

(Zuruf: Aha!)

Schlussendlich sollte sich doch jede demokratische Partei die Gretchenfrage stellen: Wie positionieren wir uns zu verfas sungsfeindlichen Bestrebungen, egal, welcher Couleur?

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, er lauben Sie mir, diese Frage hier jedenfalls für mich persön lich zu beantworten. Es steht doch auch und gerade in unse rer Verantwortung als politisch Verantwortliche, beispielswei se als Mitglieder dieses Hohen Hauses, politischen Extremis mus, egal, aus welcher Richtung er kommt und welches Ge sicht er hat, mit allen demokratischen Mitteln zu bekämpfen. Mit Extremisten macht man keine gemeinsame Sache – nicht im Reden, nicht im Denken und nicht im Handeln.

(Beifall bei der AfD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Vielen Dank, Herr Minis ter. – Ich sehe noch eine Wortmeldung von Herrn Abg. Räpp le.

Herr Minister, ich habe noch eine Frage. Sie sprachen gerade von rechtsextremistischen Bewe gungen, die mit Parteien zusammenarbeiten. Bitte nennen Sie da einmal Ross und Reiter. Welche rechtsextremistischen Ver einigungen sind das? Was haben diese gemacht, dass sie über haupt als rechtsextremistisch eingestuft werden?

(Zuruf des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE)

Haben die Radmuttern gelockert, haben die auch Anschläge auf Leib und Leben verübt? Welche Parteien sind es, die mit diesen Menschen zusammenarbeiten?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: War das ei ne rhetorische Frage? – Abg. Reinhold Gall SPD: Das können Sie im Verfassungsschutzbericht nachlesen!)

Der Einwurf des Herrn Abg. Gall ist richtig. Das können Sie im Verfassungsschutzbericht nachlesen. Aber ich will Ihnen gern beispielhaft – nicht alles – ausführen, was im Verfassungsschutzbericht steht. Das würde auch den Rahmen, Frau Präsidentin,...

Drei Minuten, ja.

... sprengen. Aber zu rechtsextremistischen Ver flechtungen von Parteien kann ich Ihnen schon einmal zwei, drei Beispiele nennen.

Weder die AfD als Partei noch die AfD-Landtagsfraktion wer den vom Landesamt für Verfassungsschutz als Beobachtungs objekte geführt.

(Abg. Anton Baron AfD: Das wissen wir!)

Dem LfV liegen auch keine öffentlich zugänglichen Informa tionen darüber vor, wen die AfD-Fraktion als Berater und wen die einzelnen Abgeordneten als Mitarbeiterinnen und Mitar beiter beschäftigen. Freilich weiß ich, dass das Landtagsprä sidium und die Landtagsfraktionen sich dieses Themas anneh men.

Das Landesamt hat auch die Berichterstattung zur Kenntnis genommen, in der über Verbindungen zwischen Mitarbeitern der AfD und der rechtsextremen Szene berichtet wurde. Im Fall der AfD finden sich zwar einzelne Indizien für Bestre bungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, beispielsweise in Form von Äußerungen einzelner Funktio näre

(Abg. Stefan Räpple AfD: Meinungen!)

oder, Herr Abgeordneter, etwa Verbindungen zur sogenann ten Identitären Bewegung.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Was haben die gemacht? – Lachen des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Das LfV geht von etwa 80 Mitgliedern der IB in Baden-Würt temberg aus. Die Identitäre Bewegung Deutschland – –

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Abg. Stefan Räpple AfD: Was haben die gemacht? – Gegenrufe: Zuhören! – Zuruf des Abg. Thomas Dörflinger CDU)

Herr Abg. Räpple, wir hö ren die Antwort des Ministers.

Die Identitäre Bewegung Deutschland ist in Re gionalgruppen unterteilt. In Baden-Württemberg sind vier be kannt.

Sowohl die Regionalgruppe IB Schwaben als auch die IB Ba den nutzen intensiv moderne Kommunikationsmedien. Diese Informationskanäle werden intensiv genutzt, um z. B. über Aktionen zu berichten, zu Stammtischen der Ortsgruppen ein zuladen, Beiträge zu teilen und Videos einzustellen. Auch au ßerhalb des Internets treten sowohl die IB Schwaben als auch die IB Baden durch vielfältige Aktionsformen in Erscheinung. Es sind Einzelfälle bekannt, in denen Aktivisten der IB in Ba den-Württemberg einen Vorlauf insbesondere in der NPD bzw. deren Jugendorganisation, den Jungen Nationaldemokraten – JN –, haben.