Natürlich ist es richtig, dass nicht jeder mit seinem Auto di rekt zum Marktplatz fahren soll, aber es gilt, kein striktes Ver botsregime zu installieren. Vielmehr muss man positive An reize schaffen, um Menschen zum Einkaufen in den Innen städten zu bewegen. Die Landesregierung muss Kommunen mit attraktiven Park-and-ride-Möglichkeiten, günstigen Nah verkehrspreisen, attraktiven neuen Linien, mehr Haltestellen und vor allem einer dichteren Taktung im Nahverkehr unter stützen.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle auch einen Einwand als Ab geordneter aus Nordbaden: Die Unterstützung darf nicht auf den Großraum Stuttgart beschränkt bleiben, sondern muss ganz Baden-Württemberg zugutekommen.
Letztlich ist es an dieser Stelle wichtig, noch einmal zu er wähnen, dass wir die Menschen nicht aus dem Blick verlie ren dürfen, die auf das Auto angewiesen sind, um in die In nenstadt zu kommen – ältere Menschen, Menschen mit kör perlicher Einschränkung, die mit dem Auto in die Stadt fah ren müssen, weil sie die schweren Einkäufe ansonsten nicht nach Hause transportiert bekommen. Auch diese Menschen dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren.
Der nächste wichtige Punkt ist die Digitalisierung. Ich habe es am Anfang erwähnt: Wir müssen dafür sorgen, dass der sta tionäre Handel auch auf Infrastruktur bauen kann, die ihn in die Lage versetzt, mit kommerziellen weltumspannenden On linehändlern mitzuhalten. Wenn der stationäre Einzelhandel mittlerweile 10 % seines Umsatzes mit dem Onlinehandel macht, sehen wir, dass da ein großes Potenzial liegt. Es liegt auf der Hand, dass jeder Händler im Land eine schnelle und zuverlässige Internetverbindung braucht. Aber wenn man sieht, wie schlecht manche Gegenden in Baden-Württemberg damit noch immer ausgestattet sind, muss man sagen, dass wir von dieser Zielmarke meilenweit entfernt sind. Diese Regie rung redet zwar viel und gern über die Digitalisierung – manchmal glaubt sie fast, sie hätte die Digitalisierung selbst erfunden –, aber das grundsätzliche Rüstzeug unseres Landes für die digitalisierte Wirtschaft haben Sie noch nicht in dem erforderlichen Umfang geliefert. Da muss noch wesentlich mehr kommen.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Digital Skills im Bil dungsbereich. Wir müssen alles daransetzen, dass schon in der Schule die Grundlagen gelegt werden, um sich im digitalen Umfeld sicher zu bewegen und auch Chancen und Vorteile des digitalen Umfelds zu nutzen. Der Handelsverband Deutschland hat erst kürzlich wieder eingefordert, alle Bildungseinrichtun gen besser mit IT und Medienhardware auszustatten. Die Lan desregierung steht hier in der Pflicht – um nicht zu sagen: in der Kreide. Zudem mahnt der Handelsverband einen Ausbau der digitalen Medienkompetenz beim Lehrpersonal an. Auch hier muss das Land zulegen und die entsprechenden Maßnah men ergreifen.
Die Ausbildung im Einzelhandel wie auch in anderen Berei chen muss generell stärker auf die Digitalisierung und auf neue Berufsfelder ausgerichtet werden.
Stichwort Weiterbildung. Wir werden es Ihnen beim Stich wort Weiterbildung immer wieder sagen: Das Land muss da
wesentlich mehr investieren, um die Beschäftigten gerade auch im Handel fit zu machen für die Arbeitswelt der Zu kunft.
Es zieht sich leider wie ein trauriger roter Faden durch die De batten, dass Grün-Schwarz kaum Interesse an dieser Verant wortung zeigt. Ich habe Sie gestern schon auf Ihre wiederhol te Weigerung angesprochen, unserem Antrag auf einen Wei terbildungsfonds zuzustimmen. Dabei böte doch ein solcher Fonds die Möglichkeit, auch den Handel in diesem Punkt zu unterstützen.
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass wir in zehn, 15 Jah ren in die Innenstädte gehen und im Rahmen einer Projekti on virtuelle Kleidung anprobieren, die wir im Anschluss nach Hause geschickt bekommen. Eine Fachverkäuferin, die ihr Handwerk vor zehn oder 15 Jahren gelernt hat, hat die Kom petenz und das Fachwissen, aber sie muss sich auch unter ge wandelten Rahmenbedingungen in ihrer Arbeitswelt zurecht finden, um ihre Arbeit weiter gut ausüben zu können. Das kann der Einzelhandel aber definitiv nicht allein stemmen; da braucht er Unterstützung und Rahmensetzungen aus der Po litik.
Einen Punkt muss ich an dieser Stelle noch erwähnen: Es geht auch um Arbeitsbedingungen, und zwar um die ungleichen Arbeitsbedingungen im Rahmen des Onlinehandels und des stationären Einzelhandels. Es gibt unter Onlinehändlern – wir hatten es eben schon diskutiert – immer wieder schwarze Schafe, die mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unfair um springen. Das wird nun endlich auf Bundesebene und auch auf europäischer Ebene immer mehr zum Thema. Wir brau chen auch im Onlinehandel klare Spielregeln im Sinne der Ar beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eingehalten und re gelmäßig überprüft werden.
Ein Umgang mit Beschäftigten, bei dem z. B. Tarifverträge verweigert oder nur geringe Löhne gezahlt werden, wie es lei der einige der großen Player im Onlinehandel häufig tun, kann nicht akzeptiert werden. Dem müssen wir konsequent einen Riegel vorschieben.
Wir müssen auch darauf achten, dass Veränderungen im sta tionären Handel nicht auf dem Rücken der Beschäftigten aus getragen werden. So darf die ständige Verfügbarkeit von On lineshops nicht dazu führen, dass auch der stationäre Einzel handel ständig geöffnet haben muss. Das ist wie bei dem Ha sen und dem Igel: Dieses Rennen kann der stationäre Handel nicht gewinnen. Wenn also irgendjemand glaubt, beliebig vie le verkaufsoffene Sonntage seien der Schlüssel, um den Ein zelhandel vor Ort zu stärken, dann ist er auf dem Holzweg.
Das gilt auch für denjenigen, der vielleicht glaubt, mit härte rem Druck auf die Beschäftigten, mit geringeren Löhnen – ich habe es erwähnt –, mit weniger Mitbestimmung könne der Handel gestärkt werden. Der klassische Handel profitiert dann – darüber sind sich auch Expertinnen und Experten einig –,
wenn der Einkauf zum Erlebnis wird. Ein Einzelhandel aber, der ein Erlebnis sein und so gegen starke Konkurrenz beste hen will, braucht gut ausgebildete und vor allem motivierte Beschäftigte. Hier sollte auch die Landesregierung klar Far be bekennen.
Klar ist: Der Einzelhandel wird diese Herausforderung anneh men müssen. Klar ist aber auch, dass Innenstädte um Verän derungen nicht herumkommen. Stadtplaner reden davon, dass der Trend weggehen muss von reinen Kauforten hin zu einer Mischung aus öffentlichem und privatem Raum, Wohnungen, Handel, Handwerk, Arbeit, Freizeitraum zum Verweilen. Das ist für viele Städte ein weiter Weg. Denn hier müssen die Im mobilienbesitzer mitziehen, die Behörden, aber auch die kom munalen Entscheidungsträger.
Wir können auch einen weiteren Punkt nicht wegdiskutieren – der betrifft uns alle –: Die Verbraucher – auch wir selbst – haben es in der Hand, wie es mit dem Handel in den Innen städten weitergeht. Wer die meisten Einkäufe online erledigt, um dann beim nächsten Stadtbummel zu bedauern, dass so viele inhabergeführte Geschäfte schließen, muss sich selbst den Spiegel vorhalten und darf nicht jammern. Wer lebendi ge Städte und Gemeinden haben will, muss auch selbst mehr vor Ort einkaufen und nicht nur online.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU, der AfD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)
Wir sehen: Alles ist im Fluss, generell im Bereich der Digita lisierung und so auch im Handel. Das Digitale wird immer stärker in das Stationäre einfließen. Auch der Handel wird sich radikal verändern müssen. Deshalb erwarten wir von der Ini tiative „Handel 2030“, dass sie konkrete Antworten und ein deutige Handlungsempfehlungen gibt. Dialoge allein werden nicht reichen. Spürbare Ergebnisse müssen her. Die Entwick lung muss positiv begleitet werden. Dann wird der Handel im Jahr 2030 weiterhin eine Erfolgsgeschichte sein.
Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut und wichtig, dass wir uns hier über die Zukunft des Handels austauschen und dass das Thema Handel hier im Plenum aktuell ist. Wir, die FDP/ DVP-Fraktion, begrüßen natürlich diesen Dialog, der gestar tet wird.
Wir haben hier am 14. Juni – damals war es ein Antrag von den Grünen zum Thema Onlinehandel – das Thema beleuch tet. Jetzt kommt die CDU-Fraktion mit ihrer Aktuellen Debat te. Am 2. Juli hat Frau Ministerin Hoffmeister-Kraut gesagt:
Der Einzelhandel ist mit 44 500 Unternehmen und 576 000 Beschäftigten eine der wichtigsten und vor allem beschäf tigungsintensivsten Branchen im Land. Diese Branche ist seit Langem einem anhaltenden Strukturwandel ausgesetzt, der sie vor vielfältige Herausforderungen stellt.
Mein Haus greift daher gerne die Initiative der CDULandtagsfraktion auf, einen Dialogprozess mit dem Titel „Zukunft Handel 2030“ zu starten.
Meine Damen und Herren, das war aber nicht am 3. Juli 2018, sondern das war am 3. Juli 2017. Da frage ich mich natürlich schon – – Frau Ministerin, ich weiß nicht, ob Sie Leichtath letin sind, aber wenn der Startschuss ertönt, dann muss man aus den Blöcken und darf sich nicht ein Jahr Zeit lassen, bis man sich bewegt. Das ist der Punkt, den wir kritisieren, mei ne Damen und Herren.
Man hat sich zu viel Zeit gelassen mit diesem Dialogprojekt. Sie haben das jetzt gestartet. Übrigens auf den Tag genau ein Jahr später, am 3. Juli 2018, kam dann die Pressemitteilung, dass man das jetzt macht – dass also jetzt praktisch der zwei te Startschuss ertönt.
Nachdem wir genau hingeschaut haben, ob es vielleicht ein redaktioneller Fehler war – es war natürlich keiner –, haben wir uns überlegt: Was ist denn in diesem Jahr passiert, in die sem Jahr der Abwesenheit? Ich kann mich erinnern, in der Zwischenzeit wurden z. B. bei den Haushaltsberatungen vom Jahresende 2017 unsere Anträge mit dem Argument abgelehnt, dass man das alles im Dialogprojekt aufgreifen würde.
Mit unserem Fahrplan hätten wir jetzt aber zumindest einmal ein laufendes Projekt zur virtuellen Einkaufsstadt, wie es in Bayern zum Teil schon 2015 gestartet ist; hierzu liegen jetzt die ersten Ergebnisse vor. Ich würde mir wünschen, Frau Mi nisterin, dass diese Ergebnisse aus Bayern in das, was jetzt bei uns passiert, zumindest auch einfließen.
Wenn Sie sich anschauen, dass wir in Baden-Württemberg ei nen sehr starken Onlinemarkt haben, dass die Baden-Würt temberger sehr onlineaffin sind, muss man sich fragen: Vor welche Herausforderungen stellt uns das? Wie begegnet man Trends wie Einkaufszentren auf der grünen Wiese und dem dazugehörigen Onlinehandel? Was sind die Herausforderun gen – die ja sehr vielschichtig sind? Wie bekommen wir es hin, die Innenstädte attraktiv zu machen, und wie gehen wir mit den drohenden Fahrverboten und dem Thema Fachkräf tegewinnung um?
Das heißt, hier steht noch eine ganze Galerie von Hausaufga ben aus, Frau Ministerin. Wenn Sie das lösen wollen, werden Sie das eine oder andere Mal auch Ihre Parteifreundinnen und Parteifreunde in Berlin brauchen. Denn das Thema Arbeits zeit liegt ja dort. Wenn ich beispielsweise sehe, dass der Über nahme der 70-Tage-Regelung für die Saisonarbeitskräfte vom Arbeitsministerium jetzt schon eine Absage erteilt worden ist, wenn ich sehe, wie schlecht man mit dem Thema Experimen tierräume umgeht, dann wird es schwierig werden, ein voll umfassendes Ergebnis vorzulegen, das diesen Herausforde rungen tatsächlich gerecht wird.
Wenn der Handelsverband Deutschland sagt, dass gerade das Arbeitszeitgesetz nicht mehr in diese Zeit passt, dann würde ich mir gerade aus Ihrem Haus mehr Aktivitäten wünschen.
Wir haben gestern vom Minister der Justiz gehört, er wäre be reit, eine Bundesratsinitiative zu starten. Sagen Sie Ihren Frak tionen jetzt bitte, dass sie den Anträgen nicht immer ableh nend entgegentreten, sondern mal überlegen, ob man das The ma nicht anstößt.
Wir haben auch das Thema Ansiedlungspolitik, bei dem wir uns überlegen müssen, ob es tatsächlich Sinn macht und ob es berechtigt ist, dass jeder Gemeinderat sofort vor Entzücken und Erquickung quietscht, wenn große Unternehmen mit Ar beitsplatzversprechen kommen, oder ob es nicht sinnvoller ist – damit spreche ich Sie an, Kollegin Lindlohr –, bei der Fra ge, wie man in die Städte kommt, nicht auf Verbote zu setzen, sondern wirklich kluge Verkehrs- und Infrastrukturkonzepte anzubieten.
Wenn man sich anschaut, wie Handel in Zukunft aussehen wird, dann zeigt sich, der tägliche Einkauf wird immer mehr digitalisiert; irgendwelche Avatare, Apps oder sonstige künst liche Intelligenz werden Ihnen vieles abnehmen. Aber auf der anderen Seite wollen Sie natürlich auch ein Einkaufserlebnis haben. Wenn es zum Einkaufserlebnis gehört, in die Stadt zu fahren, kann das über verschiedene Wege geschehen. Ich muss es den Menschen aber ermöglichen können.
Zu sagen, Omnichannel-Konzepte wären eine Art Rüstzeug für die Abwehrschlacht gegen den Onlinehandel, wie es z. B. die KPMG in ihrer Studie „Trends im Handel 2025“ darge legt hat, ist nicht die Position der FDP, meine Damen und Her ren. Wir sind nämlich schon der Meinung, dass die Politik Möglichkeiten hat, stationäre Händler zu entlasten. Im Be reich der Datenschutz-Grundverordnung hätte man tatsäch lich mehr von der Regierung und vom Land, aber auch vom Bund aus machen können.
Herr Minister Strobl – er ist jetzt nicht da –, es reicht nicht aus, zu sagen: „Wir sind moralisch bei euch.“ Da hätte man einiges mehr tun können, meine Damen und Herren.
Wenn die Schulpolitik die Fachkräfte zur Verfügung stellt, die im Handel tätig sind, dann müssen wir auch da mehr tun, auch wenn man das Thema Fachkräfte global denkt. Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz für qualifizierte Fachbewerber.
Wir müssen uns darüber unterhalten, wie wir mit der Altfall regelung umgehen, meine Damen und Herren. Was passiert mit denen, die schon da sind, wenn es ein Zuwanderungsge setz gibt? Da gilt für uns, für die FDP: Wer in Lohn und Brot steht, wer Arbeit hat, der muss ein ganz klares Prä haben. Nur so kommt auch der Handel an seine Fachkräfte.