Dieser Dialogprozess, meine Damen und Herren, kommt zum heutigen Tag noch mit keiner einzigen Antwort daher. Wir starten ihn, jawohl. Wir unterstützen ihn, wie gesagt. Wenn man auf uns oder auf die Impulse der CDU gesetzt hätte, dann wären wir vielleicht etwas früher damit herausgekommen.
Herr Kollege Paal, wenn Sie sagen, man lässt sich damit Zeit, um dann 2019 den Aufschlag zu haben, weil es ein ganz wich tiges Thema ist, dann will ich nicht wissen, wie Sie mit un wichtigen Themen umgehen; denn wenn es noch länger dau ert, dann ist die Legislaturperiode um. Wir haben jetzt Halb zeit; da hätte ich mehr erwartet.
Ganz zum Schluss in der ersten Runde – zumindest meiner ersten Runde – möchte ich noch mal darauf hinweisen, dass wir uns überlegen müssen, inwieweit solche Prozesse tatsäch lich dazu geeignet sind und so ausgestaltet werden, dass man den Betroffenen zuhört, dort die Impulse setzt und nicht nach her von politischer Seite meint, hier irgendetwas steuern zu müssen, und irgendwelche ökologischen Zertifizierungsvor gaben mit einbringt. Das wäre falsch.
Der Dialogprozess ist richtig. Meine Damen und Herren, es wäre aber sinnvoll, wenn man die Einladung dazu nicht mit der Brieftaube verschickt, sondern per E-Mail. Zeit wollen wir in Zukunft nicht mehr verlieren. Deswegen: Auf, ans Werk!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich bin der CDU-Fraktion dankbar, dass sie das Dia logprojekt „Handel 2030“, für das ich vor zwei Wochen ge meinsam mit Akteuren der Branche den Startschuss gegeben habe, hier im Landtag zur Sprache bringt.
Die CDU bringt es zur Sprache. Andere haben bisher offen sichtlich im Verborgenen gewirkt. Herr Schweickert, auch Sie haben natürlich das Recht, hier über solche Themen zu disku tieren. Das haben Sie bisher nicht getan. Wir tun es.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Diskutieren allein reicht aber nicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Wir handeln!)
Das Wirtschaftsministerium übernimmt hier Verantwortung. Gemeinsam diskutieren wir die Chancen und die Herausfor derungen des Handels und nehmen sie in den Blick.
Der Einzelhandel braucht eine breite Unterstützung; dazu möchte ich Sie alle aufrufen. Denn nur so können wir gemein sam mit dem Parlament erfolgreich wirken. Es ist keine Zeit für Polemik. Wir müssen uns jetzt – dazu dient der Dialog prozess – mit den wirklichen Themen in der Sache auseinan dersetzen. Vor allem müssen wir, Frau Wolle, auch Lösungen aufzeigen und konkret in den Blick nehmen.
(Abg. Anton Baron AfD: Haben wir! Verhinderung von Fahrverboten durch Absauganlagen! Sie sind die Regierung!)
Meine Damen und Herren, Gründe, sich Gedanken über die Zukunft des Einzelhandels im 21. Jahrhundert zu machen, gibt
es genügend. Der Einzelhandel ist eine der wichtigsten und beschäftigungsintensivsten Branchen in Baden-Württemberg. Er versorgt die Bevölkerung auch in der Fläche mit den Gü tern des täglichen Bedarfs und weit darüber hinaus.
Der Einzelhandel ist prägend für die Innenstädte und Ortszen tren im Land. Das heißt, er hat auch gesellschaftspolitisch ei ne wichtige Aufgabe. Ja, der Einzelhandel ist Kristallisations punkt für andere Branchen und Nutzungen. Er bestimmt die Attraktivität der Städte weit über die Funktion als Handels standorte hinaus maßgeblich mit.
Wir alle wissen, dass sich der Einzelhandel seit Langem in ei nem tiefgreifenden Strukturwandel befindet. Der Wettbe werbsdruck, auch durch große Anbieter, zwingt gerade die in habergeführten Betriebe dazu, sich ständig im Wettbewerb neu auszurichten.
Die Innenstädte wandeln sich vielerorts rasant. Es geht nicht nur für die Kommunen darum, wie sie unter diesen Rahmen bedingungen zum einen als Marktplatz, zum anderen aber auch als Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens attraktiv bleiben können.
Generell stehen wir – auch das haben wir im Blick, und das wurde mir bisher viel zu wenig erwähnt – insbesondere in den ländlichen Räumen vor der Aufgabe, die wohnungsnahe Ver sorgung der Bevölkerung gerade in Zeiten der Urbanisierung und Digitalisierung zu sichern.
Viele Einzelhändler beklagen sich über hohe und teilweise noch zunehmende bürokratische Lasten. Auch das nehmen wir in den Blick. Auch die Gewinnung von qualifizierten Fachkräften und Auszubildenden stellt sich für die Branche in einer immer älter werdenden Gesellschaft als Herausforde rung dar.
Hinzu kommen die weitreichenden Konsequenzen der digita len Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, die nicht zuletzt den Einzelhandel schon seit vielen Jahren intensiv tan gieren. Diese Entwicklung verstärkt den Strukturwandelpro zess zusätzlich.
Meine Damen und Herren, unser Projekt „Handel 2030“ ist deshalb wichtig, und es kommt ihm große Bedeutung für un ser Land zu.
Gemeinsam mit Vertretern des Handels, der kommunalen Lan desverbände und von ver.di wollen wir themenspezifisch in Workshops mit wissenschaftlicher Begleitung Handlungsemp fehlungen erarbeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit des Ein zelhandels in Baden-Württemberg langfristig zu sichern.
Die Handlungsempfehlungen – das versteht sich von selbst – werden sich nicht nur an das Land richten, sondern auch an die Kommunen – denn der Handel ist trotz Onlinebooms im mer noch in erster Linie standortgebunden –, an die Organi sationen des Einzelhandels, an die Einzelhändler selbst, dar über hinaus an den Bund, an die Europäische Union. Glauben Sie: Wir haben den gesamten Prozess, das gesamte Thema mit
allen Facetten, die sich hier auftun, im Blick. Dabei ist es mir persönlich ganz besonders wichtig, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern die Zukunft dieser Schlüsselbranche disku tieren und diese ihre Expertise einbringen.
Die Schwerpunkte haben wir gemeinsam gesetzt: Wir wollen uns intensiv mit den Themen „Zukunft unserer Innenstädte“, Digitalisierung, Qualifizierung und Fachkräftesicherung und, Herr Weirauch, Weiterbildung beschäftigen. Wir geben von seiten des Landes Millionen für die Weiterbildung bei uns im Land aus. Wir kommen hier unserer Aufgabe nach. Wir über nehmen hier schon seit vielen Jahren Verantwortung, und es funktioniert in diesem Bereich mit den Partnern sehr gut.
Nahversorgung und auch die schon angesprochenen rechtli chen Rahmenbedingungen diskutieren wir ebenfalls. Wir wol len gemeinsam Lösungsansätze erarbeiten und die Fragestel lungen, die sich mit diesen Themen verbinden, diskutieren.
Ich bin an dieser Stelle dem Handelsverband Baden-Württem berg, dem Baden-Württembergischen IHK-Tag, dem Verband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels Süd, ver.di, den kommunalen Landesverbänden und dem Baden-Württem bergischen Genossenschaftsverband dankbar, dass sie das Konzept „Handel 2030“ mittragen und dieses Dialogprojekt auch als Gastgeber in den einzelnen Workshops engagiert vo ranbringen wollen und ein ganz klares Commitment zeigen.
Die Ergebnisse der Workshops und die Handlungsempfehlun gen sollen in einem Abschlussbericht zusammengefasst und im nächsten Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt werden. An schließend werden wir vonseiten der Landesregierung die Umsetzung der einzelnen Handlungsempfehlungen sorgfältig prüfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben uns in der Tat Zeit genommen, um diesen Prozess, Herr Schweickert, in tensiv und seriös vorzubereiten. Wir machen hier keine Schnellschüsse. Wir wollen glaubwürdig sein, und wir wer den dann auch handeln können. Es ist ganz entscheidend, dass wir uns hier ernsthaft mit den Themen auseinandersetzen und nicht irgendwelche Versprechungen in den Raum stellen, die wir am Ende nicht halten können.
Falls es Ihnen nicht bekannt sein sollte: Wir tun bereits sehr viel für den Handel. Das sollten Sie eigentlich wissen – auch aufgrund Ihrer Zugehörigkeit zum Wirtschaftsausschuss. Wir haben Digitallotsen, die wir schon lange fördern. Wir haben die Förderung der Betriebsberatung für den Handel. Wir ha ben Programme der L-Bank und der Bürgschaftsbank, die dem Handel zur Verfügung stehen und hier auch gut genutzt wer den. Wir haben auch die Städtebauförderung, die diese The men ebenfalls ganz stark im Blick hat.
Die Landesplanung hat im Land wohl weniger Wildwuchs auf der grünen Wiese zugelassen, als dies andernorts der Fall war. Viele Kommunen im Land betreiben eine engagierte, erfolg reiche Standortpolitik für den Einzelhandel. Nicht zuletzt steht deshalb auch der Einzelhandel in Baden-Württemberg besser da als in vielen anderen Bundesländern.
Dennoch müssen wir die Herausforderungen jetzt stärker in den Blick nehmen. Wir gehen sie gemeinsam an. Wir wollen zusammen die Einzelhändler für die Zukunft besser aufstel len. Dabei bitte ich auch um Ihre Unterstützung, um die Un terstützung dieses Hohen Hauses, ohne die es nicht gehen wird.
In der zweiten Runde sehe ich Herrn Abg. Dr. Bullinger. Gibt es keine Wortmeldungen der anderen Fraktionen? – Ich erteile für die FDP/DVP-Fraktion Herrn Abg. Dr. Bullinger das Wort.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die verbleibende Restzeit für meine Fraktion möchte ich nutzen – nicht, um die Ausfüh rungen des Kollegen Schweickert zu wiederholen oder zu er gänzen, obwohl mich das als ehemaligen Präsidenten des Lan desgewerbeamts und Amtschef im Wirtschaftsministerium mehr als reizen würde. Denn Handwerk, Einzelhandel, Dienst leistung, meine Damen und Herren, sind das Rückgrat, vor al lem im ländlichen Raum, aber auch im städtischen Bereich.
Ich hätte natürlich gern einiges zum Verbraucherverhalten ge sagt, nicht nur im Bereich der Ernährung und der Ernährungs wirtschaft. Mich stört die Wegwerfmentalität, die Gesellschaft der Kurzlebigkeit – Hauptsache billig, „Geiz ist geil“.
Dann ist es häufig so: Am Samstag fahren wir mit der Fami lie zum billigen Schnäppchenjagen, am Sonntag, wenn die Waschmaschine kaputt ist, gehe ich zum örtlichen Elektriker, und am Montag bitte ich, dass mein Sohn oder meine Toch ter dort einen Ausbildungsplatz bekommt.
Meine Damen und Herren, man muss hier schon einmal an den Souverän, nämlich an den Verbraucher, appellieren, wenn man über Handel und über die Zukunft des Handels spricht.
(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen und der CDU sowie Abgeordneten der AfD und der SPD – Abg. Willi Stächele CDU: Sehr richtig!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gehe seit 30 Jahren in diesem Haus ein und aus, davon zwölfeinhalb Jahre als Ab geordneter. Wie Sie von der Präsidentin zu Beginn dieser Sit zung gehört haben, werde ich ab August den dritten Lebens abschnitt beginnen – also statt 70 bis 100 Stunden, weitge hend fremdbestimmt, nur noch 20 bis 40 Stunden pro Woche,
selbstbestimmt und ehrenamtlich und vielleicht beratend. Aber, meine Damen und Herren, Sie wissen auch – oder soll ten es wissen –: Der dritte Lebensabschnitt, also die Karriere, die jetzt im dritten Lebensabschnitt vor einem liegt, als Pen sionist oder Rentner, endet tödlich. Den Rest meines Lebens werde ich aber nicht bei unserer Tochter in Mexiko am Strand liegend verbringen, sondern ich werde mich natürlich weiter hin für die Bürgerinnen und Bürger einsetzen.