Protokoll der Sitzung vom 19.07.2018

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Presse nicht gelesen?)

Ich lese die Zeitungen. Nicht alles, was die Zeitungen schreiben, muss Anlass für eine Aktuelle Debatte sein.

(Zuruf von der AfD)

Vielmehr befinden wir uns in einem Dialogprozess. Wir be finden uns in der Aufarbeitung dessen, was erforderlich ist, um zu einer Entscheidung zu kommen.

(Zuruf von der AfD: Wie lange wollen Sie noch dar an arbeiten?)

Ich will ausdrücklich sagen: Wir machen dies auch transpa rent.

Noch einmal, weil Sie ja häufig das Wort vom „Geld der Steu erzahler“ im Mund führen: Fragen Sie sich eigentlich einmal, wovon Ihre Diäten bezahlt werden?

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Aus dem gleichen Topf wie Ihre!)

Wer da Vorwürfe an andere richtet, der sollte irgendwie schon auch zur Kenntnis nehmen, wie Sie, Ihre Parteifreundinnen und -freunde, mit dem Geld der Steuerzahler umgehen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Jetzt zitiere ich eben auch einmal ein paar Beispiele aus Arti keln, die veröffentlicht worden sind: Stuttgart, AfD-Sprecher Klingler wegen Untreue verurteilt.

(Abg. Emil Sänze AfD: Der war ein FDP-Mann! – Abg. Anton Baron AfD: Das war in der FDP-Zeit! Das ist falsch, Herr Gall! Das sind falsche Tatsachen! Das ist doch nicht Ihr Niveau! – Weitere Zurufe von der AfD – Glocke der Präsidentin)

Moment! Herr Abg. Gall, war ten Sie bitte. – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um etwas mehr Ruhe. Herr Abg. Gall hat das Wort.

(Abg. Anton Baron AfD: Das sind Falschbehauptun gen, Frau Präsidentin! Das hat etwas mit der FDP zu tun und nicht mit der AfD!)

Ich bitte um Ruhe. – Sie haben wieder das Wort, Herr Abg. Gall.

Nach dem Zerfall der AfD-Frakti on in Stuttgart schwimmen die Nachfolger im Geld – Steuer geld, wohlgemerkt.

(Abg. Emil Sänze AfD: Sie nicht, oder?)

Niedersachsen, mehrere Verfahren gegen AfD-Abgeordnete im Bundestag, AfD-Landeschef unter Betrugsverdacht, Par teifreund Münch zeigt seinen Vorstandskollegen Glaser we gen des Verdachts auf Untreue an. – So viel zum Thema „Um gang mit Steuergeld in anderen Parteien“.

(Zuruf von der AfD: Wo sind Urteile? Anzeigen kann jeder!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, es wäre wirklich erforderlich, hier Sachlichkeit in die Debatte zu be kommen. Der Abschlussbericht der Expertenkommission wä re hier ein gutes Fundament, um zu einer sachlichen Diskus sion bezüglich dieses Themas zu kommen. Er wäre auch ein gutes Fundament, wenn einmal akzeptiert werden würde, dass sich hier die deutliche Mehrheit im Haus für das Verfahren, wie wir es damals angegangen sind, entschuldigt hat. Wir ha ben gesagt: Es war ein Fehler, das Verfahren in dieser Eile zu machen.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Wir haben es zwar transparent gemacht, aber in Eile. Wir ha ben gesagt: „Es war ein Fehler“, und ich finde, es ist jetzt wie der einmal Zeit, zurückzugehen und in eine sachliche Diskus sion einzusteigen. Dieser Bericht der Expertenkommission bietet die Basis.

Ich will schon noch einmal sagen: Gestern haben wir eine De batte geführt, in der Sie eingefordert haben, dass Experten meinungen, dass wissenschaftliche Untersuchungen und Ex pertisen in der Politik auch Grundlage sein sollen, um zu Ent scheidungen zu kommen.

Da gab es eine Expertenkommission. Die haben Sie zwischen zeitlich aber auch schon wieder einmal diskreditiert. Immer hin wurde sie vom ehemaligen Vizepräsidenten des Bundes verwaltungsgerichts, Michael Hund, geleitet. Wissenschaft ler, die Rechtsprofessorin Stefanie Schmahl, Professor Eith, Vertreter der Arbeitgeber,

(Abg. Bernd Gögel AfD: Die haben wir doch gar nicht kritisiert!)

der Arbeitnehmer, Bürgerinnen und Bürger haben sich an die sem Prozess beteiligt, und auch der Rechnungshof war in die ser Expertenkommission tätig.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Die haben wir doch gar nicht kritisiert! – Gegenruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE: Natürlich!)

Diese Expertenkommission hat sich auf ihre eigenen Exper tisen, auf ihr eigenes Fachwissen gestützt, hat aber beispiels weise ihre Arbeit – das fand ich wirklich bemerkenswert; das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen – auf die Basis unse rer Verfassung gestützt, hat Bundesverfassungsgerichtsurtei le zurate gezogen, hat andere Gutachten, die erstellt worden sind, ebenfalls mit in ihren Bericht eingearbeitet.

Das Ergebnis war: Die Empfehlungen sehen keine unverän derte Beibehaltung des gegenwärtigen Rechtszustands, der gegenwärtigen Regeln vor.

(Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD)

Gar keine der vorgeschlagenen Regelungen hat zum Ziel, die gegenwärtige Regelung beizubehalten. Es wurde auch begrün det, warum dies der Fall sein soll. Alle Modelle, die vorge schlagen worden sind, erkennen einen Änderungsbedarf, um mandatsbedingte Versorgungslücken zu schließen. Die Kol legin und der Kollege, die vor mir sprachen, haben schon da rauf hingewiesen.

Das jetzige Modell – das ist nachzulesen – sei grundlegend reformbedürftig. Nichts anderes machen wir gerade gegen wärtig in den einzelnen Diskussionen, die zu führen sind.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD)

Ja, auch ich will noch einmal wiederholen: Wenn in einem solchen Bericht steht, dass es erhebliche verfassungsrechtli che Bedenken am gegenwärtigen System gibt,

(Abg. Emil Sänze AfD: In der Tat!)

dann finde ich schon, dass sich das jeder und jede Fraktion in diesem Raum zu eigen machen sollte und diese verfassungs rechtlichen Bedenken in einer Regelung, die neu zu schaffen ist, ausräumen sollte.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Sehr gut! – Zurufe von der AfD)

Meine Damen und Herren, auf den Punkt gebracht: Aus ver fassungsrechtlicher Sicht – man muss manche Dinge einfach wiederholen; vielleicht werden Sie das dann einmal begreifen – müssen das System und die Höhe der Altersversorgung so ausgestaltet sein, dass es für die Landtagsabgeordneten und – das ist für mich auch ganz wichtig – deren Familien nicht zum Nachteil führen kann.

(Abg. Emil Sänze AfD: Und die anderen haben alle keine Familien? – Weitere Zurufe)

Es gibt in diesem Parlament Beispiele dafür, dass sich die ei gene Versorgung und die der Ehefrau, des Ehemanns, der Kin der mit der gegenwärtigen und derzeit gültigen Regelung deut lich verschlechtert. Das ist völlig inakzeptabel.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD)

Wenn ich noch hinzunehme, was wir selbst erst durch den Be richt zur Kenntnis genommen haben – das wussten wir näm lich gar nicht, weil erfreulicherweise, jedenfalls soweit ich denken kann, so ein Fall bislang gar nicht eingetreten ist –, was das Thema Erwerbsunfähigkeit anlangt, dass wir dort

nämlich eine erhebliche Versorgungslücke zum gravierenden Nachteil von Familienangehörigen haben – eine Regelung, die schlechter ist, als es in jeder gesetzlichen Regelung vor gesehen ist –, so halten wir auch das für nicht akzeptabel.

(Zuruf von der CDU: Genau! – Zuruf des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD)

Deshalb will ich deutlich sagen: Wir, die SPD-Fraktion, möch ten, dass allen Wahlberechtigten der Weg ins Parlament offen steht. Die Expertenkommission hat ausführlich dargelegt, dass dies durch die geltenden Regelungen eher nicht der Fall ist. Wir möchten, dass die Altersversorgung so ausgestaltet ist, dass bestimmte Interessengruppen, Personen nicht ausge schlossen werden, weil sie aufgrund dieser Versorgungslücken diesen Weg nicht gehen wollen.

Deshalb – das sage ich noch einmal – sind wir an einer Lö sung interessiert, welche die verfassungsrechtlichen Beden ken ausräumt, die kein Hindernis für die Übernahme eines Mandats darstellt und die der Besonderheit – auch dazu ste hen wir – eines Mandats, wie es die Verfassung vorsieht, dann auch gerecht wird.

Ich gehe davon aus, wir werden einen Konsens finden. Der Weg wird noch ein bisschen beschwerlich sein. Ich will aber schon sagen: Wir sollten dies jetzt auch zügig angehen und zügig einer Lösung und dann einer Entscheidung zuführen.

Die Ausgestaltung einer Regelung – ob die Regelung dann Ver sorgungswerk oder Rentenrückdeckungsversicherung heißt oder ob dies ein Dreisäulenmodell sein wird – bedeutet kein Zurück zu der alten staatlichen, klassischen Versorgung, wie es früher der Fall war. Vielmehr bedeutet das in der Tat, bei den gegenwärtigen Bedingungen und Verhältnissen angemes sene und akzeptable Regelungen zu finden.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD)

Es ist völlig klar: Wir werden dies dann selbstverständlich auch mit den erforderlichen Zeiträumen, die man für eine ver nünftige Diskussion braucht, transparent, offen machen.

Ich gehe davon aus, die vier Fraktionen hier beteiligen sich an diesem Prozess. Sie, die AfD-Fraktion, wollen sich nicht an diesem Prozess beteiligen. Deshalb halte ich am Schluss fest: Sie sind nicht bereit, eine verfassungsrechtlich bedenk liche Regelung, die wir beschlossen haben, entsprechend zu ändern.