Protokoll der Sitzung vom 29.06.2016

Ich bin Ihnen gleichwohl dankbar, dass Sie diese Vokabel gleich mehrfach verwendet haben; denn genau das ist es, was wir brauchen. Wir dürfen politische Aufgaben nur dann auf die oberste Ebene verlagern, wenn sie dort auch hingehören. Die EU tut Etliches, was dort ganz und gar nicht hingehört. Das ist der Grund, warum wir diese Krise haben, und da müs sen wir in der Tat heran, und zwar gemeinsam.

(Beifall bei der AfD)

Das ist der Weg, den wir gehen müssen – nicht der eines plum pen Nein zur EU und auch nicht der eines blinden, staatsgläu bigen Ja zur EU.

Die Briten haben uns – lassen Sie uns das doch einmal so se hen – einen wichtigen Impuls gegeben. Seien wir ihnen dank bar dafür, anstatt sie in blindem zentralistischen Eifer dafür zu verfluchen. Es muss uns allen, und ganz besonders den Köpfen der EU, zu denken geben, wenn eine im Kern ratio nale Nation gegen die EU stimmt. Und vor allem: Lassen Sie uns nun doch bitte alle gemeinsam uns eine gewisse Gelas senheit angesichts solcher Ereignisse auferlegen.

Es hängt nicht der Fortbestand des Planeten und ganz gewiss auch nicht der Europas davon ab. Es wird auch in Zukunft ei ne Zusammenarbeit des Vereinigten Königreichs mit den ver bleibenden 27 Mitgliedsstaaten geben. Wir dürfen getrost da von ausgehen, dass diese höchst pragmatisch und zum wech selseitigen Vorteil gestaltet werden wird.

Der Europäische Binnenmarkt etwa, als das eine ökonomi sche Großprojekt, ist eine Errungenschaft der Kooperation, auf die die Briten – da bin ich mir sicher – auch künftig kaum werden verzichten wollen. Nur sehen sie offenbar nicht mehr ein – das ist das, was Sie Rosinenpickerei nennen; ich halte das für falsch –, diesen fraglosen Vorteil in Zukunft mit un durchsichtigen Strukturen, einem geradezu idiotischen Pater nalismus und der Mitfinanzierung aberwitziger, sinnloser Sub

ventionen bezahlen zu müssen. Dagegen wehren sich die Bri ten, und sie tun das mit Recht.

(Beifall bei der AfD – Abg. Sabine Kurtz CDU: Eu ropa ist doch mehr als Macht!)

Wenn es im Titel der Aktuellen Debatte heißt – ich halte das für eine gute Formulierung, die Sie da gewählt haben –: „Mit neuer Kraft für die europäische Idee eintreten“, dann fragen wir: Für welche Idee denn konkret? Und da sind wir gewiss nicht für die europäische Idee einer kafkaesken Bürokratur, nicht für einen schleichenden Weg in den Sozialismus, und wir sind auch nicht für die Vision einer Aufgabe der National staaten und von deren Übergang in die Vereinigten Staaten von Europa,

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

wie sie die sogenannten europäischen Eliten offenkundig an streben, ohne die Bürger der Union dabei mitzunehmen oder auch nur zu fragen, was sie eigentlich wollen.

(Beifall bei der AfD – Zuruf: Richtig!)

Jetzt wissen Sie, was wir nicht wollen. Unsere Idee der EU ist die eines Staatenbündnisses der Nationalstaaten, die nur we nige wirkliche supranationale Aufgaben auf diese Ebene de legieren.

(Heiterkeit des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Aus einer dieser Idee folgenden EU wären die Briten niemals ausgetreten. Hier hätten sie kein „Take back control“ entge gengeschmettert. Denn das wollen sie; sie wollen die Kont rolle zurückhaben. Ich kann verstehen, was der Schlachtruf der „Brexit“-Befürworter war.

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Christina Baum AfD: Ja!)

Leider geben die ersten Signale, die aus Brüssel zu verneh men sind, wenig Anlass zu der Hoffnung, dass man die Zei chen der Zeit bei diesem Referendum dort nun richtig zu deu ten versteht. Martin Schulz stellte am Morgen nach dem Re ferendum in der BBC allen Ernstes fest: „Dies ist keine Kri se für die EU.“

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Dr. Meuthen, ge statten Sie eine Zwischenfrage der Abg. Lindlohr?

Herr Meuthen, ich möchte Sie fragen, was Sie mit Ihrer Sprache bezwecken, und möch te jetzt gern aus Ihrer Rede zitieren: Sie haben gesagt: „Ge stalten hinwegspülen“, „Subventionsjunkies“ – also der Ver gleich mit Suchtkranken –; „pervers“ – Sie haben das Wort verwendet –; gerade eben haben Sie von „Schlachtruf“ ge sprochen – also ein Wort, das im Krieg verwendet wird –, und Sie haben den Ausdruck „zur Strecke bringen“ gewählt, wenn auch in der Negierung „nicht zur Strecke bringen“. Ich möch te Sie fragen: Was bezwecken Sie mit dieser gewalttätigen Sprache

(Unruhe bei der AfD)

in diesem Haus, und was ist Ihre Botschaft an die Bürgerin nen und Bürger?

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Liebe Frau Lindlohr, diese Fra ge verblüfft mich wirklich ein bisschen. Ich betrachte diese Sprache nicht als gewalttätig, und zwar ganz und gar nicht.

(Unruhe)

Ich betrachte sie als einen völlig normalen Sprachgebrauch. Und wenn ich das Wort – –

(Anhaltende Unruhe)

Sie müssen mich dann auch antworten lassen.

(Zurufe)

Ich habe die Frage zugelassen, nun lassen Sie mich bitte ant worten; diese Höflichkeit stünde Ihnen gut an.

Wenn ich das Wort „Subventionsjunkie“ verwende, dann mei ne ich damit – ich habe eben schon versucht, das deutlich zu machen –, dass man Bauern – das ist ein Sprachbild – an Sub ventionen hängt, wie Junkies an der Nadel hängen,

(Zurufe: Was? – Hä?)

Bauern, die das im Prinzip überhaupt nicht brauchen. Über Jahrzehnte hat die EU das gemacht. Bis zu 70 % des EUHaushalts sind in den vergangenen Jahrzehnten für Agrarsub ventionen draufgegangen – bis zu 70 %! –, und zwar völlig sinnloserweise, weil es dessen in keiner Weise bedarf.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Sinnlo serweise? – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Haben Sie sich mal mit der Landwirtschaft auseinanderge setzt? – Abg. Winfried Mack CDU: Sie haben keine Ahnung! Keine Ahnung haben Sie! – Weitere Zurufe)

Die Bauern sind leistungsfähige Zeitgenossen, die dieser Sub vention nicht bedürften. Landwirtschaft geht ohne Subventi on.

(Beifall bei der AfD – Abg. Winfried Mack CDU: Schande! – Weitere Zurufe)

Man muss dann eben die Regeln des Marktes einmal akzep tieren und zulassen. Wir haben Aberwitzigkeiten der Extra klasse über Agrarsubventionen erlebt.

(Lebhafte Unruhe)

Überlegen Sie sich doch einmal, was es heißt, wenn die EU so etwas wie Flächenstilllegungsprämien bezahlt hat. Überle gen Sie sich einmal, was das Wort als solches heißt: Sie müs sen prämieren – und das sogar mit einer gewissen ökonomi schen Vernunft –, etwas nicht mehr zu produzieren, vor lau ter Überschussproduktion, die Sie mit Subventionen über haupt erst generiert haben. Aberwitzig! Das nenne ich, mit Verlaub, tatsächlich pervers. Das ist pervers.

(Beifall bei der AfD – Zurufe)

Nun werde ich flugs fortfahren. Es ist auch nicht mehr viel.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Schön!)

Schulz sagte also: „Dies ist keine Krise für die EU.“ JeanClaude Juncker – Sie wissen, der Juncker, der sagte: „Wenn es ernst wird, muss man lügen“ – meint gar, in dem Austritt die Chance zu einer weiteren, nun nicht mehr von den lästi gen Briten gestörten Vertiefung und Intensivierung der Ko operation der verbleibenden Mitgliedsstaaten sehen zu müs sen. Er will nun ernsthaft darauf die Antwort geben, ganz schnell alle anderen Staaten auch in den Euroraum hineinzu zwingen. Das hat er die letzten Tage gesagt.

Statt des gebotenen Innehaltens, Reflektierens und einer ent schiedenen Kurskorrektur scheint man in Brüsseler Techno kratenkreisen mit einem „more of the same“ und vielleicht „even more intense“ reagieren zu wollen. Das wäre ein fata les Signal, das absehbar, in nicht allzu ferner Zukunft, weite re Staaten in eine Exit-Diskussion treiben dürfte. – Ich sage das nicht als Wunsch, sondern ich sehe das als eine ganz rea le Befürchtung – damit Sie mich richtig verstehen.

Was nun allein hilft, um die Fortexistenz der EU im Ganzen und damit auch ihre unbestrittenen Segnungen für die Bürger der EU nicht eines Tages ganz zu verlieren, ist eine Rückbe sinnung auf die eigentlichen Aufgaben der EU und eine Re vision im Sinne der Urväter der Idee der europäischen Eini gung. Das ist nicht die Idee eines schleichenden Sozialismus hin zu einer schrittweisen Auflösung der Mitgliedsstaaten zu einem einzigen Staatsgebilde, den Vereinigten Staaten von Eu ropa. Vielmehr ist es die Idee eines Europas der Vaterländer, die sinnvoll und friedlich miteinander kooperieren, wo eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung allen Beteiligten zum Vorteil gereicht.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Kommen Sie zum Schluss.

Zehn Sekunden. – Wir werden nicht umhinkommen, dazu die derzeit führenden Köpfe aus zutauschen. Denn die verstehen die Zeichen der Zeit nicht. Diese gefährliche Ignoranz kann sich die EU nach dem briti schen Votum nun wirklich nicht mehr länger leisten.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der AfD)