Protokoll der Sitzung vom 29.06.2016

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der De batte. Ich bitte Sie wirklich alle darum, erstens die Geschäfts ordnung noch einmal anzuschauen – diese ist kompliziert –,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wir kennen sie!)

und zweitens: Persönliche Erklärungen gehen nur in der Wei se, wie ich es eben vorgelesen habe. In diesem Fall war es nicht möglich. Eine Entschuldigung wäre die einzig richtige Möglichkeit gewesen, aber auch das ist nicht geschehen. Da her war der Wortentzug richtig.

Tagesordnungspunkt 1 ist damit beendet.

(Unruhe)

Darf ich um etwas Ruhe bitten?

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Lehren aus dem Verfassungsschutzbe richt: Baden-Württemberg sicher machen gegen Terroris ten und Islamisten – beantragt von der Fraktion der CDU

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet.

Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf die Mitglieder der Landes regierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.

Schließlich darf ich auch auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsord nung hinweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

Für die Fraktion der CDU erhält Herr Abg. Blenke das Wort.

(Abg. Thomas Blenke CDU versucht, die Höhe des Redepults zu verstellen.)

Wie geht denn das hier neuer dings?

(Zuruf: Das geht alles von der Redezeit ab!)

Das Pult ist noch auf Herrn Schwarz eingestellt.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Kollege Blenke, kommen Sie zu Ihrer Rede. Sie haben zehn Minuten Redezeit.

(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall – Zurufe)

Danke für den Hinweis. – Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen!

(Abg. Nicole Razavi CDU: Ein bisschen höher stel len!)

Nein, nein, es ist alles gut so.

(Zurufe)

Lasst mich doch. Es ist so, wie ich es haben möchte.

(Zurufe)

Ist es jetzt gut so?

(Abg. Nicole Razavi CDU: Ja! – Abg. Karl Zimmer mann CDU: Herr Kollege, Sie sind größer, als Sie denken! – Heiterkeit)

Es freut mich, dass wir nach dieser langen Debatte jetzt eine kleine Lockerungsübung einlegen konnten, aber es wird auch gleich wieder sehr ernst.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Terror erschüttert Euro pa. Gestern Abend gab es in Istanbul am Atatürk-Flughafen einen – Sie haben es verfolgt – schrecklichen Terroranschlag mit vielen, vielen Toten und vielen Verletzten.

Die Anschlagsserien in Paris im November 2015, in Brüssel in diesem Frühjahr, eine Messerattacke auf einen Polizeibe amten und dessen Frau in Frankreich und auch die misslun genen Terroranschläge in Deutschland haben deutlich ge macht: Europa steht im Fadenkreuz des islamistischen Terro rismus.

Wir befinden uns leider in einer Zeit, die stark geprägt ist von Gewalt, von Hass, von Menschenverachtung. Das Ziel der Terroristen ist klar: Sie wollen Leid, Angst und Schrecken un ter uns tragen, Ablehnung provozieren und unsere Gesell

schaft spalten. Aber genau das, liebe Kolleginnen und Kolle gen, dürfen wir nicht zulassen.

Klar ist: Wir lassen uns vom Terrorismus nicht einschüchtern. Deutschland ist ein Land der Toleranz, der Offenheit und der Freiheit, und es ist ein Land, ein Hort der wehrhaften Demo kratie. Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger in unsrem Land vor terroristischen Attacken hat allerhöchsten Stellen wert. Wir müssen deshalb die richtigen Vorkehrungen treffen, um terroristische Netzwerke zu zerschlagen, ihre Strukturen, ihre Logistik, ihre Finanzströme aufdecken und ausschalten.

Unser Verfassungsschutz, unsere Sicherheitsbehörden müs sen personell und sachlich in der Lage sein, terroristische At tacken bereits frühzeitig zu erkennen und auch zu verhindern.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der AfD)

Auf ebendiese Stärkung unserer Sicherheitsbehörden, insbe sondere auch des Landesamts für Verfassungsschutz, hat sich die grün-schwarze Koalition geeinigt. Es ist Aufgabe des Ver fassungsschutzes, umfassende Informationen über verfas sungsfeindliche Bestrebungen zu sammeln, die Regierung, das Parlament, die Bürgerinnen und Bürger zu warnen und zu informieren. Der Verfassungsschutz ist das Frühwarnsystem der Demokratie. Er ist unverzichtbar. Schwerpunkte seiner Ar beit sind Islamismus, Ausländerterrorismus, Extremismus, aber auch politisch motivierter Extremismus von links wie von rechts. Wir sind auf keinem Auge blind.

Ich habe es eingangs beschrieben: Der islamistische Terroris mus bedroht unsere offene Gesellschaft. Der Verfassungs schutz in Baden-Württemberg beobachtet derzeit etwa 3 400 Islamisten. In Baden-Württemberg sind etwa 600 Salafisten aktiv. 120 von ihnen gehören dem gewaltorientierten Spekt rum an.

Der Verfassungsschutz teilt uns mit, dass gerade aus der Sicht extremistischer Organisationen in Baden-Württemberg der Flüchtlingszustrom als gute Gelegenheit angesehen wird, un ter dem Deckmantel der humanitären Hilfe die eigene Ideo logie zu verbreiten. Wichtig ist deshalb auch eine gezielte Prä vention.

Der Verfassungsschutz – bei uns das Landesamt – ist seit vie len Jahren auf verschiedenen Ebenen der Präventionsarbeit engagiert und hat sich als Ansprechpartner auch etabliert – mit Schulungen, mit Fachtagungen, mit Weiterbildungen, auch für die Polizei und die Justiz. Das Innenministerium hat ein Kom petenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks gegen Extremismus in Baden-Württemberg eingerichtet. Die ses Netzwerk, dieses Kompetenzzentrum wollen wir – auch dies ist in der Koalition vereinbart – stärken und ausbauen.

Jüngst hat das Landesamt für Verfassungsschutz als Handrei chung für Betreiber von Flüchtlingsunterkünften eine Bro schüre „Extremismus erkennen“ herausgegeben. Nicht nur das; dort werden auch die mit den Flüchtlingen arbeitenden Menschen für das Auftreten gewaltbereiter Rechtsextremis ten im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften sensibilisiert.

Wir brauchen also eine gute Aufklärungs- und Präventionsar beit. Der ganz überwiegende Teil der bei uns lebenden Mus lime übt seine Religion friedlich aus. Diese Mitbürgerinnen

und Mitbürger respektieren unsere Werteordnung, und sie schätzen die gewährte Sicherheit und Freiheit. Deshalb ist es ganz besonders wichtig, dass wir unser aller Freiheit gegen über allen extremistischen Tendenzen verteidigen.

Wir müssen durch Integration, durch Fördern, durch Fordern besonders junge Menschen schützen und ihnen Angebote ma chen. Deswegen haben wir uns im Koalitionsvertrag auch da rauf geeinigt, die bestehenden Aussteiger- und Präventions programme weiterzuentwickeln.

Erschreckend ist auch der starke Anstieg des politisch moti vierten Extremismus. Für die CDU ist klar: Straftaten, egal, aus welcher Motivation, müssen mit der ganzen Härte des Rechtsstaats geahndet werden.

(Beifall bei der CDU, den Grünen und der AfD so wie Abgeordneten der FDP/DVP)

Herr Innenminister, Sie haben vor wenigen Tagen den aktu ellen Verfassungsschutzbericht vorgestellt und veröffentlicht. Das Fazit daraus ist eindeutig: Wir brauchen in Zeiten isla mistischen Terrors einen gut aufgestellten Verfassungsschutz, wir brauchen gute Präventionsarbeit. Nur so können wir ge rade die Jugendlichen vor radikalen Seelenfängern beschüt zen. Extremismus, egal, ob von links oder von rechts, ist in akzeptabel. Solche Straftaten können nicht geduldet werden.

Fazit daraus: Die grün-schwarze Koalition wird deshalb un sere Sicherheitsbehörden stärken. Wir werden nicht nur die Polizei personell deutlich stärken, sondern wir werden auch das Landesamt für Verfassungsschutz als unser Frühwarnsys tem der Demokratie ausbauen und personell stärken.

Personal braucht aber auch Handlungsmöglichkeiten. Deshalb werden wir die Rechtsgrundlagen für unsere Sicherheitsbe hörden weiter ausbauen, um den optimalen Schutz der Bevöl kerung sicherzustellen. Das ist – so haben wir es in dem Ko alitionsvertrag niedergeschrieben – insbesondere die Einfüh rung der präventiv-polizeilichen Erhebung von Telekommu nikationsverbindungsdaten – das klingt jetzt etwas technisch –, und auch die präventiv-polizeiliche Telekommunikations überwachung ist so vereinbart.

Außerdem sage ich hier ausdrücklich für die CDU: Wir sind entsprechend dem Koalitionsvertrag auch bereit, Polizei und Verfassungsschutz zur Terrorismusbekämpfung die Befugnis zur präventiven sogenannten Quellentelekommunikations überwachung und zur Onlinedurchsuchung zu geben. Der Rechtsstaat muss gegen seine Feinde wehrhaft sein, und da für brauchen unsere Sicherheitsbehörden auch die entspre chenden Handlungsmöglichkeiten.

Meine Damen und Herren, all dies funktioniert aber nur mit guten Mitarbeitern, mit den Menschen, die dahinterstehen. Des wegen möchte ich mich abschließend im Namen der CDUFraktion bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Sicherheitsbehörden, der Polizei, der Justiz, auch des Landes amts für Verfassungsschutz, die naturgemäß selten im Licht der Öffentlichkeit stehen, für ihre wertvolle tägliche Arbeit ganz herzlich bedanken. Es ist eine unverzichtbare Arbeit, die hier geleistet wird.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der AfD und der FDP/DVP)