Herr Minister, vielleicht können Sie diesen Dank an Ihre Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter weitergeben.
Sehr geehrter Herr Prä sident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stim men in der Koalition überein, dass wir eine sehr stark verän derte Sicherheitslage in Europa haben. Das wurde heute Nacht im Flughafen in Istanbul mit mindestens 36 Toten und vielen Verletzten in erschreckender Weise zum wiederholten Male deutlich. Auch dieser Anschlag trägt ganz offensichtlich die Handschrift des sogenannten Islamischen Staates – so jeden falls die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden. Die Anschlä ge von Paris und Brüssel tragen diese Handschrift. Es gab auch die entsprechenden Bekenntnisse dazu.
Diese Art von Anschlägen gegen zivile, sogenannte weiche Ziele menschlichen Zusammenlebens und menschlicher Inf rastruktur hat eine neue Qualität. Sie sind von brutaler Ent schlossenheit, militärischer Durchführung und hoher Ent schlossenheit der Täter gekennzeichnet, und es sind Täter, die in der Regel die französische oder belgische Nationalität, was die beiden schweren Anschläge betrifft, tragen. Das Problem existiert mitten in unseren europäischen Ländern; es ist kein importiertes Problem. Das macht die Größe der Herausforde rung nochmals deutlich.
Auch bei uns in Deutschland, in Baden-Württemberg – das müssen wir immer wieder betonen, auch den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land klarmachen – besteht eine hohe ab strakte Gefahr terroristischer Anschläge, auch wenn es in den letzten Monaten und Wochen zum Glück keine konkreten Hin weise auf unmittelbar bevorstehende Anschläge gegeben hat. Aber sicher sind wir davor keineswegs.
Deswegen müssen wir auch sagen: In einem freiheitlichen Staat gibt es keine hundertprozentige Sicherheit. Aber wir sind gefordert, alles dafür zu tun, möglichst viel Sicherheit zu ge währleisten. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern schul dig. Auch darin stimmen wir, denke ich, alle überein.
Gleichzeitig gilt: Unsere Lebensweise, unsere Überzeugun gen, unsere Freiheitsliebe dürfen wir von Terrorristen nicht infrage stellen lassen. Auch Einschränkungen der Freiheit dür fen nicht die Folge des Terrors sein.
Aber man darf gleichzeitig nicht blauäugig sein. Angesichts der Herausforderungen sagen wir: Zur Verteidigung der Frei heit gehören auch in Baden-Württemberg mehr denn je schlag kräftige Sicherheitsbehörden. Kollege Blenke hat das ange sprochen. Dazu gehört der Verfassungsschutz als Frühwarn system. Das ist eine wichtige Einrichtung im Kampf gegen den Terrorismus.
Ich will hier in aller Deutlichkeit für meine Fraktion sagen, dass wir uns da jetzt von Missverständnissen und mancher Diskussion der Vergangenheit verabschieden. Wir sind uns völlig einig darüber, dass insbesondere auch im Kampf gegen
islamistischen Terrorismus der Verfassungsschutz als Früh warnsystem eine wichtige Rolle spielt. Der Verfassungsschutz in unserem Land war auch in der Vergangenheit im bundes weiten Vergleich sehr gut aufgestellt. Das ist überhaupt keine Frage.
Herr Kollege Sckerl, Sie sprechen von einem Frühwarnsystem durch den Verfassungsschutz. Kollege Blenke hat in seiner Rede darauf hingewiesen: „Wir sind für eine Ausweitung der Einsichtnahme in Telekommu nikationsdaten der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Würt temberg.“ Bezieht sich das „wir“ nur auf die CDU oder auf die grün-schwarze Koalition?
Wir sind der Meinung, dass wir Ermächtigungsgrundlagen, die das Bundeskriminalamt im Übrigen seit Jahren hat, in Ba den-Württemberg anwenden, wenn die gesetzlichen Voraus setzungen geschaffen sind; dann machen wir das selbst. Es ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar, dass z. B. in Fällen von Telekommunikationsüberwachung im unmittelbaren Vor feld terroristischer Angriffe – – Darum geht es ja; es geht um einen ganz engen Zusammenhang zwischen einer konkret be stehenden Gefahr und einem Eingriffshandeln von Sicher heitsbehörden.
Wenn ein solcher Fall gegeben ist, dann müssen unsere Si cherheitsbehörden in der Lage sein, so vorzugehen, und dür fen nicht immer nur das Bundeskriminalamt zu Hilfe rufen. Das ist eine klare Erkenntnis unsererseits. Das haben wir so beschlossen und im Koalitionsvertrag niedergelegt.
Es ist klar: Das Ganze muss immer auf rechtsstaatlicher Grund lage passieren – da sind wir uns völlig einig –, und es muss den hohen Anforderungen auch der Rechtsprechung in die sem Zusammenhang genügen.
Es gibt – das hat Kollege Blenke auch angesprochen – ande re Themen, bei denen wir uns darauf verständigt haben, zu un tersuchen, ob das im Sinne dessen, was wir wollen – nämlich effektive rechtsstaatliche Terrorismusbekämpfung –, eine rich tige Maßnahme ist.
Es besteht Bedarf, zu handeln. Bei den Ereignissen in Paris und Brüssel – das gehört auch zur Wahrheit – hat sich gezeigt, dass es über fast alle Attentäter polizeiliche Erkenntnisse ge geben hat. Sie wurden jedoch nicht effizient überwacht, sie waren keinem Verfolgungsdruck ausgesetzt, und sie konnten in ihren Anschlagsvorbereitungen nicht erkannt und auch nicht gestoppt werden.
Den Opfern – das sei in aller Bitterkeit dazugesagt – hat auch eine Vorratsdatenspeicherung in Frankreich nichts geholfen; sie hat nicht dazu beigetragen, die Täter zu identifizieren.
Daraus sind Konsequenzen zu ziehen: Die Zusammenarbeit von Ermittlungsbehörden bei Ermittlungen, Fahndungen und Observationen muss verbessert werden. Offensichtlich ist aber auch im internationalen Bereich mehr Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden erforderlich. Das gilt für den Verfas sungsschutz als Frühwarnsystem – dazu ist das Notwendige gesagt worden –, das gilt aus unserer Sicht aber auch für die Polizei. Deswegen war es uns wichtig, in den Koalitionsver handlungen den Aufbau einer polizeilichen Sondereinheit, die für die Bekämpfung dieses Terrorismus auch tatsächlich zu ständig ist, zentral beim Landeskriminalamt einzubringen. Ich bin sicher, das wird gemacht. Das wird für die operativen Fä higkeiten unserer Polizei im Vergleich zum jetzigen Zustand einen Fortschritt bringen. So stellen wir uns auf.
Die Vorgängerregierung, die frühere grün-rote Koalition, hat te selbstverständlich mit den Antiterrorpaketen 1 und 2, mit den Stellen, mit den Geldern zur Verbesserung der Technik und der Ausrüstung die notwendigen, richtigen Konsequen zen aus den Angriffen gezogen.
Wichtig ist – Kollege Blenke hat das auch zu Recht gesagt –: Wir sind uns einig, den Bereich der Prävention durch ein gan zes Bündel von Maßnahmen zu stärken. Wir dürfen uns nichts vormachen: Die Bedrohung durch den Terrorismus ist, wenn es sie gibt, mitten in Baden-Württemberg erwachsen.
Menschen mit Migrationshintergrund – wahrscheinlich sehr schlecht integriert oder sich unzureichend integriert fühlend –, die sich als Verlierer fühlen, sind ansprechbar für salafisti sche oder terroristische Bestrebungen. Viele reisen aus. Viele lassen sich aber auch hier rekrutieren.
Meine Damen und Herren, die Befassung mit dem Salafismus ist nicht nur eine Aufgabe des Verfassungsschutzes. Es muss auch eine gesellschaftliche Aufgabe sein, sich mit diesem Phä nomen auseinanderzusetzen, seine Bedrohung für die Demo kratie zu erkennen und diese Debatte überall zu führen. Da müssen wir etwas anders machen als in der Vergangenheit.
In der Summe heißt das für uns: Wir stellen uns dieser Auf gabe. Die Vereinbarungen zwischen Grünen und CDU ma chen das deutlich. Wir wollen, dass Baden-Württemberg das sicherste Bundesland bleibt. Dafür tun wir alles.
Unsere Sicherheitsbehörden machen alltäglich einen sehr gu ten Job – trotz extremer Belastung. Dafür sind wir ihnen dank bar. Wir müssen sie aber auch in Zukunft sachlich wie perso nell unterstützen.
Zum Schluss, damit es da keine Missverständnisse gibt: Es gab alle möglichen Spekulationen, was die Grünen zu diesen Fragen denken könnten. Gleichzeitig gilt immer der Satz: Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ist wichtig. Wir wol len alles dafür tun, sie zu gewährleisten. Dieses Versprechen gilt auch für die Zukunft.
Sehr geehrter Herr Vizepräsi dent, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das The ma dieser Aktuellen Debatte ist gut gewählt. Sagt man sonst der CDU nach, dass sie mittlerweile das Feld der inneren Si cherheit politisch weitgehend geräumt habe, beweist sie hier, dass doch noch ein letzter Rest an politischem Instinkt vor handen ist.
Seit den Anschlägen von Paris und Brüssel leben die Men schen europaweit in Sorge – Sorgen, die viele Politiker nicht mehr nachvollziehen können, weil sie ihrer täglichen Arbeit oft in Hochsicherheitsbereichen nachgehen und als Spitzen politiker in der Regel bewaffnet beschützt werden.
Den Verfassungsschutzbericht habe ich, weil ich diese Sorge teile, mit Interesse studiert. Dabei fiel mir allerdings auf, dass es einmal mehr eine thematische Ungleichbehandlung zu be klagen gibt. So umfasst der Bericht zum Thema Rechtsextre mismus 65 Seiten, während er zum Thema Linksextremismus nur 39 Seiten füllt.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der SPD: Ach was! – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Le de Abal GRÜNE)
Ich frage mich, wie es sein kann, dass man seitens des Verfas sungsschutzes und auch seitens der Politik
das wird auch so bleiben – immer noch nicht sehen mag, dass Links- und Rechtsextremismus für unser Land gleicher maßen gefährlich sind. Im Gegenteil, während beim Thema Rechtsextremismus quasi jeder Eierwurf auf eine Fassade im Verfassungsschutzbericht landet, wird die Randale, die von Linksextremisten veranstaltet wird – auch gegen uns –, kaum erwähnt.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, nicht um ein Auf rechnen soll es mir hier gehen, welche Taten denn die schlim meren seien. Lassen Sie uns stattdessen bei diesem Thema ge meinsam so sachlich wie strikt bei einer Nulltoleranzlinie ge genüber jeder Form von Gewalt bleiben,