Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Begründung: Es gibt keine Förderung für Gebiete mit einer Versorgung von 30 MBit/s.

Es dürfte politischer Konsens sein, dass 30 MBit/s kein Maß stab für die Zukunft sein können. Wir brauchen eine flächen deckende Glasfaserversorgung, damit endlich auch symmet risch Gigabitgeschwindigkeiten möglich sind.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Klaus Dürr AfD)

Mir ist klar, dass die EU-Aufgreifschwelle an diesem Punkt eine stärkere Förderung verhindert.

(Zurufe von der CDU: Aha!)

Aber genau darum müssen Sie sich kümmern, Herr Minister Strobl. Sie und auch der Ministerpräsident tingeln durch die Landkreise und sagen, die EU-Vorgabe verhindere eine stär kere Förderung. Aber genau das ist doch der entscheidende Punkt: Mit welchen Maßnahmen, mit welchen Initiativen sind Sie in Brüssel vorstellig geworden, um die dringend notwen digen Änderungen auch tatsächlich zu erreichen, liebe Kolle ginnen und Kollegen?

Der Flickenteppich beim digitalen Elterngeld, die verzögerte Einführung der E-Akte und der viel zu langsam verlaufende Breitbandausbau belegen, dass diese grün-schwarze Landes regierung im Bereich der Digitalisierung nur groß im Ankün digen ist; bei der Realisierung dieser Vorhaben ist sie bisher meist krachend gescheitert.

Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen zeigen, dass die Digitalisierung dann gelingen kann, wenn politisch Ver antwortliche diese zur Chefsache machen. Wir brauchen des halb in Baden-Württemberg endlich ein eigenständiges Digi talisierungsministerium. Minister Thomas Strobl jedenfalls ist mit dieser Zukunftsaufgabe überfordert.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Thomas Strobl das Wort.

(Abg. Thomas Blenke CDU: So, jetzt aber! – Zuruf von der SPD: Jetzt wird es spannend!)

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Auf der Tagesordnung steht heute die Zweite – und da mit abschließende – Beratung des Gesetzes zur Änderung des E-Government-Gesetzes Baden-Württemberg. Der Gesetzent wurf mit seinen Themen ist in der Tat nicht spektakulär. Mit den vorgesehenen Anpassungen an das Bundesrecht im Be reich E-Payment, zum datenschutzrechtlichen und umfassen den Einsatz des Servicekontos sowie der Umsetzung der EURichtlinie zur E-Rechnung ist diese Gesetzesänderung eine Pflichtübung und damit, wie der Kollege Ulli Hockenberger bereits betont hat, wenig spektakulär.

Das geplante Gesetz ist allerdings zugleich ein wichtiger und unverzichtbarer Schritt zur rechtlichen Umsetzung der Digi talisierungsstrategie „digital@bw“ und zur Digitalisierung un serer Verwaltung. Denn es gilt: Die Zukunft von Verwaltung und Kommunen ist digital.

Um dabei voranzukommen, streben wir noch in diesem Jahr den Abschluss eines E-Government-Pakts mit den kommuna len Landesverbänden an. Wir wollen darin eine strukturierte Zusammenarbeit vereinbaren, die uns diesem Ziel sehr viel näher bringen wird.

Land und Kommunen werden ihre Verwaltungsleistungen di gitalisieren. In Baden-Württemberg werden dazu standardi sierte Prozesse auf der Grundlage der E-Government-Infra struktur „service-bw“ entwickelt und bereitgestellt. Diese wer den für alle Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen in Baden-Württemberg nutzbar sein. Mit unseren kommunalen Partnern haben wir ein Vorgehensmodell für die Digitalisie rung der Verwaltungsleistungen erarbeitet.

Nun rücken die Bedürfnisse der Nutzer in den Vordergrund. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern sie muss nutzer orientiert gestaltet werden; der Nutzer, der Bürger, muss im Mittelpunkt stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Auch hier können wir viel von erfolgreichen Unternehmen lernen; die nutzerorientierte Gestaltung digitaler Verwaltungs leistungen in einem agilen Prozess durch ein interdisziplinä res Team ist für uns keine fremde Welt. „Digital first“ und „Once Only“ sind dabei unsere Leitmotive.

Wir müssen uns aber auch im Klaren darüber sein, dass gute digitale Prozesse nicht vom Himmel fallen. Ein perfektes Vor gehensmodell, engagierte Partner und daraus resultierend gu te Lösungen sind das eine; die Verbreitung im Land, in der Fläche, ist damit noch nicht gesichert. Die Fachämter in den Städten und Gemeinden sind z. B. nicht darauf vorbereitet, sich mit einem Prozess anzufreunden, auf dessen Gestaltung sie nicht von A bis Z Einfluss nehmen können.

Die Weiterentwicklung des Verwaltungsrechts ist ein weite res dickes Brett, das wir auf Bundes- und auf Landesebene bohren müssen. So stoßen wir bei der Umsetzung des OnceOnly-Prinzips sehr schnell an rechtliche Grenzen. „Once Only“ bedeutet, dass bestimmte standardisierte Daten nur ein Mal dem Staat, dem Land gegeben werden und dann für alle Behörden zur Verfügung stehen, sodass nicht jedes Mal er neut das digitale Formular ausgefüllt werden muss. Wenn das aber funktionieren soll, brauchen wir einen sehr lebendigen Datenaustausch. Und hier sind wir dann wieder beim Thema Datenschutz: Welche Daten dürfen weitergegeben werden, wie viele und wann?

Deswegen – das will ich Ihnen hiermit gleich zugestehen – werden wir auch in diesem Bereich wirklich noch das eine oder andere dicke Brett zu bohren haben.

Demnächst werden wir im Innenausschuss über das Vorge hensmodell, die Realisierungspartner, den erreichten Stand und die weitere Planung berichten. Ich kann Ihnen gleich an kündigen, dass wir dabei auch einen sehr tiefen Blick auf die Mühen der Ebene werfen.

Das gesamte Vorhaben hat eine Dimension erreicht, die mit den bisher verfügbaren Mitteln nicht zu bewältigen ist. Daher bin ich sehr dankbar dafür, dass wir, die Landesregierung, dem Landtag vorschlagen werden, mit dem Nachtragshaushalt 2018/2019 die im Oktober bei der Ersten Beratung des Geset zes von mir erwähnten erheblichen Mittel im Umfang von jährlich rund 10 Millionen € dauerhaft und strukturell bereit zustellen. Ohne dieses Geld könnten wir das ohnehin nicht schaffen. Damit können wir die Digitalisierung der wesentli chen Verwaltungsleistungen in den nächsten Jahren angehen und umsetzen.

In den Redebeiträgen bei der ersten Lesung des Gesetzent wurfs und in der darauffolgenden Sitzung des Innenausschus ses sind noch einige Themen angeklungen und angesprochen worden. Ich möchte hier und jetzt einige Aspekte herausgrei fen, von denen ich glaube, dass sie uns auch in Zukunft be schäftigen werden.

Zunächst zum Landesverwaltungsverfahrensgesetz, das so wohl in seiner Klammerfunktion quer über alle Fachgesetz lichkeiten hinweg als auch durch seine Breite, durch seine Be reitstellungsfunktion für die Aufgaben der Verwaltung eine wesentliche Rolle bei der Digitalisierung spielt: Dessen ange kündigte Änderung ist auf dem Weg. Die Ressortanhörung wurde gestartet, und wir werden noch in diesem Jahr in die

allgemeine Anhörung gehen können. Der Landtag wird also, so Gott will, im ersten Quartal 2019 darüber beraten können.

(Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Für die Digitalisierung wichtig sind dabei die allgemeinen Re gelungen zum vollständig automatisierten Erlass von Verwal tungsakten sowie zur Bekanntgabe von elektronischen Ver waltungsakten durch Abruf. Diese erweitern die Möglichkei ten zur volldigitalisierten Prozessgestaltung der Verwaltung – dann also medienbruchfrei, Herr Kollege Stickelberger – und zur leichteren Abwicklung von Verwaltungsverfahren durch die Bürgerinnen und Bürger.

Ein paar Worte zum weiteren Vorgehen bei der E-Rechnungs stellung und der E-Rechnungsverarbeitung: Nach Abschluss der derzeit anlaufenden Umstellung des Haushaltsmanage mentsystems werden elektronische Rechnungen in der Lan desverwaltung voraussichtlich ab dem Jahr 2022 durchgehend elektronisch bearbeitet werden können.

Neben dem elektronischen Rechnungseingang geht es mittel fristig um die Digitalisierung des gesamten Beschaffungspro zesses von der ersten Anforderung über die Vergabe, die Rech nungsstellung und die Bezahlung bis hin zur ordnungsgemä ßen Aktenführung. Unser Projekt E-Akte ist damit auch hier involviert. Auch hier geht es darum, dies am Ende medien bruchfrei durchzuorganisieren.

Schließlich noch ein kleiner Ausblick auf die voraussichtlich im nächsten und im übernächsten Jahr anstehenden rechtli chen Fragen der Digitalisierung: Mit dem kommenden Be richt zum Normenscreening, also zur Abschaffung der Schrift formerfordernisse im Landesrecht, den die Landesregierung bis Ende dieses Jahres dem Landtag erstatten wird, werden Möglichkeiten zur Erleichterung von E-Government aufge zeigt, die weitere Rechtsänderungen erforderlich machen.

Die Vereinfachungspotenziale, die wir in diesem Zusammen hang im Übrigen erzielen werden, sind durchaus überschau bar; das möchte ich hier gleich ankündigen, um nicht allzu große Erwartungen zu wecken. Dies gilt auch für die Rege lungen zu den offenen Daten, bei denen wir eine Lösung aus einem Guss für das Land und für die Kommunen erreichen wollen. Für die derzeit noch nicht ganz klaren, aber wohl doch kommenden Schritte zur Umsetzung des Onlinezugangsge setzes und seiner Erweiterung gilt dies ebenso.

Verehrte Damen und Herren, guter Anfang ist halbe Arbeit. Mit dem Gesetzentwurf folgen wir diesem Sprichwort und werden uns beherzt und behände den nächsten Aufgaben der Digitalisierung der Verwaltung zuwenden, um ganze Arbeit zu leisten. Insofern bitte ich um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf, damit wir weiter voranschreiten können.

Herr Abg. Dr. Kern, wir sind auch auf dem europäischen Feld aktiv. Natürlich ist die Eingriffsschwelle von 30 MBit/s zu niedrig. Wir sind aber vor allem auf dem Feld aktiv, dass wir zunächst einmal diejenigen bedienen müssen, die in BadenWürttemberg immer noch 1 MBit/s oder 2 MBit/s haben. Lei der gibt es das auch; das habe ich im Übrigen nicht erfunden, sondern übernommen. Wenn man mit 1 oder 2 MBit/s unter wegs ist, sind 30 MBit/s schon ziemlich viel und 50 MBit/s sozusagen ein ganz großer Traum. Deswegen gehen wir mit

sehr viel Geld und mit sehr viel Priorität die schwierigen Fel der an, beispielsweise auch im nördlichen Schwarzwald.

Baiersbronn selbst hingegen ist im Grunde nicht das Paradies, aber ganz knapp daneben;

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das Paradies im Kreis Calw!)

in Baiersbronn sind die Verbindungen erstklassig. Und für die Bereiche darum herum – dort, wo es noch Schwierigkeiten gibt – habe ich dem Bürgermeister gesagt, er könne mir die Anträge gleich mitgeben.

Unsere Aufgabe ist es, die Mittel dort zu konzentrieren, wo es noch nicht so gut funktioniert. Dort, wo es sehr gut funktio niert, wo im Grunde auch im Schwarzwald schon heute ein Niveau erreicht ist, wie man es normalerweise nur im Bal lungsraum hat, braucht man eine Förderung des Landes in der Tat nicht. Vielmehr müssen wir die Fördergelder dort konzen trieren, wo eine Kommune aufgrund der Topografie – bei spielsweise im Schwarzwald – selbst überfordert ist, den schnel len Ausbau hinzubekommen –

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

ganz nach dem von mir ausgegebenen Ziel, dass wir allen Ehr geiz darauf verwenden, dass jeder Schwarzwaldhof in BadenWürttemberg am Ende des Tages über ein schnelles Internet verfügt.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Nicht „am Ende des Tages“! Vor zwei Jahren hieß es: „in zwei Jahren“!)

In diesem Sinn sind wir auch weiter unterwegs.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Herr Minister, darf Herr Abg. Stickelberger noch eine Kurzintervention machen?

Aber sehr gern. Entschuldigung, das habe ich nicht gesehen.

Einige Fraktionen haben noch Redezeit. Ich würde nach der Fraktionsstärke vorgehen, wenn es noch weitere Wortmeldungen gibt.

Herr Abg. Stickelberger, Sie haben das Wort.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)