Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Das ist ein Fehler bei dieser Gesamtsituation.

Besonders bemerkenswert finde ich, wie sich die Argumente am politisch rechten und am politisch linken Rand ähneln. Denn es ist Ihnen ja unbenommen: Sie brauchen dem Pakt ja nicht zuzustimmen. Sie brauchen dessen Ziele und Absichten nicht zu teilen. Aber hören Sie bitte auf, nicht vorhandene Rechtswirkungen zu erfinden und mit denen populistische Stimmung zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen, der CDU und der SPD)

Das kannte ich bisher bei CETA, TTIP und den Handelsab kommen eher nur von den ganz Linken. Das wäre eigentlich eine Gesellschaft, wo sich die AfD sonst nicht sehr wohlfühlt, Herr Gögel.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Das erste Urteil vom EuGH schicke ich Ihnen eingerahmt!)

Meine Damen und Herren, es muss klar sein – das ist der zweite Punkt, bei dem wir auch sagen, das hätten wir, wenn wir es selbst geschrieben hätten, anders gemacht –, dass man zwischen einem Wirtschaftszuwanderer und einem Flüchtling

unterscheiden muss. Aber wenn man nicht nur liest, was da steht, sondern auch weiß, dass es eine New Yorker Erklärung gibt,

(Abg. Emil Sänze AfD: Da steht aber „Migration“!)

die aus zwei Pakten bestehen, nämlich einem zur Arbeitsmi gration und einem zur Fluchtmigration, muss man sich des sen bewusst sein und auch Wert darauf legen – wenn man jetzt über den Pakt zur Arbeitsmigration redet –, dass die beiden Zuwanderungsgründe nicht vermischt werden; denn sonst kommt es zu einer unterschiedlichen Behandlung der Zuwan derer.

(Zuruf von der AfD: Hört, hört!)

Die Durchlässigkeit, meine Damen und Herren, müssen wir dann im nationalen Recht durch einen Spurwechsel schaffen, wie ihn die FDP, die Freien Demokraten im Deutschen Bun destag, vorgeschlagen haben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Natürlich kann man hier sprachliche Auslegungen von unver bindlichen UN-Pakten – ich sage einmal so – für die eigene populistische Profilierung nutzen.

(Zuruf des Abg. Udo Stein AfD)

Aber eigentlich wäre es viel wichtiger, zu fragen: Was macht denn die GroKo? Wo ist denn das Einwanderungsgesetz? Es sollte bis Jahresende vorgelegt werden. Jetzt ist November, die Landtagswahlen sind vorbei, die Zeit des monatlichen Maaßen-Skandals ist jetzt auch zu Ende. Man könnte doch so langsam mal an die Arbeit gehen und endlich aktiv ein Zu wanderungsgesetz vorlegen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Der Maaßen-Skandal ist doch viel interessanter! „Linksradikale Kräfte in der SPD“!)

Denn der Herausforderung, die wir in der Migrationspolitik haben, werden wir doch in keiner Weise gerecht.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das sagen ausge rechnet Sie, die Verweigerer von der FDP! Hättet ihr doch einmal gemacht vor einem Jahr!)

Wo ist denn das Punktesystem für leistungswillige Zuwande rer nach kanadischem Vorbild?

(Zuruf des Abg. Udo Stein AfD)

Wo ist die Möglichkeit des Spurwechsels für integrierte Asyl suchende, die gezeigt haben, dass sie in unserem Land nach vorn kommen wollen? Denn niemand versteht es in unserem Land, meine Damen und Herren, wenn wir die Falschen ab schieben. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die ihre Pässe verlieren – ich verwende einmal das Wort von Herrn Kretsch mann –,

(Zuruf des Abg. Dr. Heiner Merz AfD)

die „Tunichtgute“, nicht abgeschoben werden, aber der Bä ckerlehrling, der jeden Morgen bei seiner Arbeit ist, weil er mitmacht, abgeschoben wird. So kann es nicht weitergehen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Siegfried Lorek CDU und Sabine Wölfle SPD – Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Wo wir schon dabei sind: Wo ist denn das versprochene Rück führungsabkommen mit den Herkunftsstaaten? Wo ist denn das Thema „Sichere Herkunftsstaaten“ im Bundesrat? Das sind die Themen, über die wir uns unterhalten müssen, über die wir auch hier entscheiden können – nicht unverbindliche Pakte, die auf internationaler Ebene geschlossen sind.

(Abg. Anton Baron AfD: Absichtserklärung!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann die UN„Absichtserklärung“ zur Migration als Baden-Württemberger aus drei Gründen ablehnen. Erstens: Man negiert, dass die in ternationale Migration eine Tatsache ist – so wie beim Klima wandel. Zweitens: Man möchte sich einer Möglichkeit nicht berauben, zukünftigen Migranten existenzielle Grundrechte zu verwehren. Oder drittens: Man hat kein Interesse, den Mi grationsdruck von Deutschland zu nehmen. – Liebe AfD, wel ches Schweinderl von den dreien hätten Sie denn gern?

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Zurufe: Genau!)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Strobl.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Wir leben in einer Welt. Nicht nur Waren, Dienstleis tungen, Informationen, Daten werden heutzutage über Gren zen hinweg in immer kürzerer Zeit ausgetauscht, uns beschäf tigt auch der Umgang mit Menschen – Menschen, die sich auf den Weg in andere Länder machen, weil sie an Leib und Le ben bedroht sind oder weil sie eine bessere Zukunft für sich erhoffen.

Der Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Mi gration soll auf einige der damit verbundenen weltweiten He rausforderungen Antworten finden. Das halte ich zunächst ein mal für nichts Verwerfliches. Denn Migrationsströme lassen sich nur dann bewältigen und – was mir persönlich wichtig ist – Schleuserkriminalität lässt sich nur dann effektiv bekämp fen und verhindern, wenn Staatengemeinschaften kooperie ren und gemeinsame Grundsätze anerkennen.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Es geht bei diesem Pakt beispielsweise um die Bekämpfung illegaler Migration. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die or ganisierte Kriminalität verdient auf diesem Globus mit dem Menschenhandel mehr Geld als mit dem Handel mit Waffen oder Rauschgift. Insofern ist die Bekämpfung dieses Schlep perunwesens eine der zentralen globalen Herausforderungen. Wenn es uns gelingt, die organisierte Kriminalität im Schlep perunwesen, im Schleuserunwesen auch nur ein bisschen zu mindern,

(Abg. Anton Baron AfD: Australien! – Weitere Zuru fe)

ist es ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Deswegen begrüße ich es grundsätzlich, wenn unter Achtung der nationalen Souveränität Mittel und Wege gesucht werden, illegale Migration mit all den damit verbundenen Nachteilen für die Betroffenen zu verhindern. Ich bin der Überzeugung, dass das Abkommen hierbei wichtige Akzente setzt, indem beispielsweise in Punkt 2 die Bekämpfung von Fluchtursa chen als Ziel in den Fokus genommen werden soll. Wer will da etwas dagegen haben?

Gleichwohl ist es selbstverständlich ein berechtigtes Anlie gen, zu einem Dokument mit immerhin rund 32 Seiten auch kritische Fragen zu stellen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: So ist es!)

Deswegen begrüße ich diese Debatte ausdrücklich. Ob dies unbedingt unter der Überschrift „Siedlungsrecht für alle in Baden-Württemberg“ erfolgen muss, steht freilich auf einem anderen Blatt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte dafür werben, die sachliche Auseinandersetzung in den Vordergrund zu stel len und nicht Schreckensszenarien an die Wand zu malen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Anton Ba ron AfD: Sie wissen doch nicht, wie sich das aus wirkt! Wissen Sie, wie sich das auswirkt?)

Die Bundesregierung hat wiederholt deutlich klargestellt, dass das Abkommen keine rechtlichen Verpflichtungen enthält. Das ist in meinen Augen schlüssig. Darauf muss sich das Land auch verlassen dürfen.

Dem entspricht auch, dass es sich nicht um einen Vertragstext im Sinne von Artikel 59 des Grundgesetzes handelt und dass demzufolge weder der Bundestag noch der Bundesrat eine Zu ständigkeit haben und in das Verfahren eingebunden sind.

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abg. Dr. Fiechtner zu?

Ich würde das gern im Zusammenhang vortra gen. – So steht bereits in der Präambel unter Punkt 7, dass der globale Pakt einen rechtlich nicht bindenden Kooperations rahmen darstellt.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Wieso muss der dann unterschrieben werden?)

Der häufig erhobene Vorwurf, dass einer Zuwanderung in die Sozialsysteme nun Tür und Tor geöffnet werde,

(Abg. Anton Baron AfD: Aha!)

ist aus meiner Sicht ebenfalls unberechtigt und kann nicht durch Fakten unterlegt werden.