Ein Beispiel: Wir hatten 2016 auf der Basis eines Antrags von uns über Notaufnahmeplätze für von Zwangsverheiratung be troffene Mädchen und junge Frauen gesprochen. Im vergan genen Oktober war ich bei der Organisation YASEMIN, die sich mit viel Engagement um diese Thematik kümmert. Auf meine Frage, wie es mit den Notaufnahmeplätzen aussieht, bekam ich zu hören, dass man dort noch nicht so weit sei. Ich habe dann einen Brief an das Ministerium geschrieben; vie len Dank für die Antwort. Aber es wäre schön, wenn man die se vier Notaufnahmeplätze im nächsten Jahr auch umsetzen kann, damit wir da einen Schritt vorankommen.
Es besteht auch dort eine Finanzierungslücke. Denn der Be ratungsbedarf steigt. Das mag in zwei, drei Jahren vielleicht wieder etwas besser aussehen. Im Augenblick ist der Bera tungsbedarf stärker. Insofern ist es, glaube ich, wichtig, mit dieser Organisation nochmals ins Gespräch zu gehen.
Ich war am Freitag beim Bündnistreffen gegen Zwangspros titution und Menschenhandel. Dieses Bündnis hat am vergan genen Freitag einen sehr professionellen Workshop gemacht. Da ich als einziger Abgeordneter dabei war, haben sie mir gleich eine ganze Liste von Handlungsaufträgen gegeben, die ich jetzt hier ansprechen kann. Besten Dank für die Debatte. Dann brauche ich nicht alles aufzuschreiben.
Es wurde angesprochen: Die Finanzierung der Fachberatungs stellen ist nicht auskömmlich. Auch da weiß ich, dass Ihnen, Frau Mielich, das Thema ein Herzensanliegen ist, und ich bit te Sie, das noch einmal aufzugreifen. Denn die Zahl der Fäl le nimmt deutlich zu, und es besteht wirklich Beratungsnot stand. Die Beratungsstellen können nicht mehr alle Frauen zu Terminen aufnehmen. Ich denke, da sollten wir jetzt auch ei nen Impuls setzen.
Im Koalitionsvertrag sind der runde Tisch „Prostitution“ und der runde Tisch „Menschenhandel“ aufgeführt. Die Bera tungsstellen hätten gern, dass diese runden Tische umgesetzt werden, damit man hier in einer größeren Runde unter Betei ligung der Landesregierung diese Thematik aufgreifen kann.
Es wird nach einer Kooperationsvereinbarung zum Umgang mit Minderjährigen gefragt. Inzwischen liegt das Bundes kooperationskonzept vor, und jetzt wäre es die Aufgabe der Landesregierung, dieses Bundeskooperationskonzept auf der Landesebene umzusetzen. Insofern wird auch gefragt, wie das Land damit umgeht.
Wir haben im Moment die Situation, dass Frauen im Asylver fahren von Gewalt betroffen sind. Wenn wir hier nicht die Kir chen sowie viele Spenderinnen und Spender hätten, wären die Fachberatungsstellen nicht in der Lage, die Betreuung zu übernehmen. Es ist bisher auch nicht möglich, diese Frauen in vollem Umfang zu betreuen. Insofern wäre auch hier der Wunsch dieses Bündnistreffens, dass man sich auch zu die sem Thema zusammensetzt, und zwar relativ zeitnah, denn der Beratungsbedarf kann derzeit nicht vollständig abgedeckt werden.
Ich will noch zu einem weiteren Punkt kommen, weil wir im letzten Jahr das Ausführungsgesetz zum Prostituiertenschutz gesetz verabschiedet haben. Auch da gibt es eine Bitte nicht nur des Bündnistreffens, sondern Anfang November, Frau Kollegin Neumann-Martin, waren auf Ihre Initiative die Be ratungsstellen auch von den Gesundheitsämtern beim Frau enfrühstück. Auch da haben wir die Problematik gehört. In sofern sollten wir zeitnah in die Evaluation gehen, denn es gibt doch einige Punkte, die wir vielleicht nachjustieren müs sen. Einiges hängt am Gesetz des Bundes selbst, und einiges hängt auch am Ausführungsgesetz, ob das die Finanzierung der Dolmetscherkosten ist, ob das die sehr unterschiedlichen Wartezeiten sind, bis eine Beratung für Prostituierte erfolgen kann.
Ein weiteres Thema, für das wir zwar nicht originär zustän dig sind, das aber speziell hier in Stuttgart wichtig ist: Herr Minister Lucha, Sie haben mir in einem Brief Anfang Juli auf meine Nachfrage geschrieben, dass Sie sich für eine Verbes serung der Lebenssituation der in der Prostitution tätigen Per sonen einsetzen. Dann sollten wir auch durchaus den Mut fin den, hier in Stuttgart einmal über die Konzessionen nachzu denken. Sie könnten da den Zugang zu Ihrem Oberbürger meister Kuhn finden. Herr Pätzold ist ja auch von Ihrer Par tei. Wir haben schon das Gefühl, dass man hier in Stuttgart ei nige Augen zudrückt. Da gibt es Betriebe, bei denen man sich schon fragen muss, ob die überhaupt zugelassen sind. Da wä re unsere Bitte, bei diesem Thema Mut zu finden und zu sa
Sie sehen also, es gibt eine ganze Menge von Aufgaben. Des wegen sage ich herzlichen Dank, liebe Frau Wehinger, dass Sie die Debatte hier aufgenommen haben und mir die Gele genheit gegeben haben, einiges zu konkretisieren.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir begrüßen die Debatte hier.
Wir vonseiten des Sozial ministeriums begrüßen diese Debatte heute sehr, weil wir da durch die Gelegenheit bekommen, deutlich zu machen, wel che Aktivitäten wir durchführen, wenn es darum geht, gegen Gewalt gegen Frauen anzugehen und diese tatkräftig zu be kämpfen.
„Schau hin! Hör hin! Frag nach! Du bist nicht allein“, unter diesem Motto haben wir in dieser Woche das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ der Bundesregierung unterstützt und es damit verstärkt zugänglich gemacht. Auf diese Weise ha ben wir die Aktion Hilfetelefon „JEDE VIERTE FRAU“ deut lich in den Fokus gestellt.
Das haben wir anlässlich des 25. Novembers, des Internatio nalen Tages zur Beseitigung von Gewalt an Frauen, gemacht. Wir haben in diesem Jahr die Ratifizierung der Istanbul-Kon vention, die eben auch schon angesprochen worden ist, zum Anlass genommen, um das Thema ganz besonders prominent zu bewerben und in die Gesellschaft sowie in die öffentliche Aufmerksamkeit zu tragen.
„Hör hin“, „Frag nach“, „Du bist nicht allein“, das sind die Aussagen, die wir brauchen, um deutlich zu machen, dass Ge walt gegen Frauen nicht tolerierbar ist, dass Gewalt gegen Frauen ein gesamtgesellschaftliches Thema ist, dem wir alle uns widmen müssen.
Wir, die Politik, haben die Aufgabe und die Verantwortung, das Thema immer wieder prominent nach vorn zu stellen, Ver antwortung dafür zu übernehmen und auch zu sagen, dass Ge walt gegen Frauen nicht nur nicht toleriert wird, sondern dass wir diese auch ganz massiv bekämpfen.
Dazu braucht es natürlich Maßnahmen und Instrumente, die auch angenommen werden und die so niedrigschwellig sind,
dass sie für die Frauen eine Hilfe darstellen. Da ist das Hilfe telefon der Bundesregierung, das es bereits seit fünf Jahren gibt, ein sehr gutes Instrument. Nur ist dieses Instrument nie wirklich bekannt gewesen. Wir haben uns entschlossen, uns an der Finanzierung und Verbreitung dieses Hilfetelefons zu beteiligen – Baden-Württemberg ist das erste Flächenland, das das macht –, weil es ein sehr niedrigschwelliges Angebot ist.
Da können Frauen an 365 Tagen zu jeder Tages- und Nacht zeit, also 24 Stunden am Tag, in 17 verschiedenen Sprachen Hilfe und Unterstützung bekommen. Das ist eine wirksame Maßnahme, gerade in Bezug auf häusliche Gewalt, die hier deutlich angesprochen worden ist und um deren Bekämpfung es vor allem geht.
Gerade diese häusliche Gewalt ist – das ist in den verschiede nen Stellungnahmen auch sehr deutlich geworden – sehr stark tabuisiert. Denn Gewalt findet dabei in der Häuslichkeit statt, also in einer Atmosphäre, in der es eigentlich doch um Gebor genheit geht, in der Menschen geschützt sein sollten. Dass die Häuslichkeit sozusagen einen Hort der Gewalt darstellt, ist für die Personen, die dann Gewalt erleben, schwer hinzunehmen und anzuerkennen. Dann kann das Hilfetelefon eine gute Möglichkeit sein, um Unterstützung zu bekommen und die sen Schritt zu tun, ohne sich gleichzeitig so zu outen, dass frau aus vertrauten Zusammenhängen herausgenommen wird.
Wir versprechen uns von diesem Hilfetelefon und von der Aufmerksamkeit, die das Thema jetzt erfährt, in der Tat eine ganze Menge. Wir sind begeistert über die Medienpräsenz, die das Telefon nun hatte, und vor allem auch darüber, dass immer mehr Menschen dies kennen.
Gewalt gegen Frauen, insbesondere das Thema „Bekämpfung der häuslichen Gewalt“, ist – das habe ich gerade schon ein mal gesagt – ein großes Tabuthema. In der Öffentlichkeit wird immer wieder die öffentliche Gewalt thematisiert; es wird ge fordert, dass junge Mädchen geschützt werden müssen, und vorgeschlagen, dass sie z. B. Selbstverteidigungstechniken er lernen, um sich vor Gewalt zu schützen. Das große Problem ist in der Tat aber auch die häusliche Gewalt, die in der Ver borgenheit stattfindet, oftmals hinter den verschlossenen Tü ren der eigenen Häuslichkeit.
Frau Wölfle, Sie haben eben schon deutlich formuliert, eben so wie Frau Wehinger, dass die Frauen, die diese häusliche Gewalt erleiden, ihr jahrelang ausgesetzt sind und sich letzt endlich dafür schämen, dass sie Opfer sind. Ich finde, es ist ein ganz wichtiges Signal, das auch von uns, der Politik, aus gehen muss, zu sagen: Niemals sind Frauen, die Opfer wur den, mitschuldig. Es ist ganz wichtig, dies immer wieder deut lich zu machen.
Dazu trägt auch die Istanbul-Konvention bei, die sagt: Gewalt gegen Frauen ist von allen Seiten und jederzeit deutlich zu be kämpfen; Gewalt gegen Frauen ist eine strukturelle Gewalt, die von allen Seiten aus bekämpft werden muss. Wir, die Lan desregierung hier in Baden-Württemberg, nehmen diese Ver antwortung dafür sehr, sehr ernst.
Eben sind schon verschiedene Instrumente und Maßnahmen angesprochen worden, zu denen ich jetzt noch ein paar Wor te sagen möchte. Das eine große Thema ist natürlich der Lan desaktionsplan gegen Gewalt an Frauen. Frau Wölfle, Sie ha ben darauf hingewiesen, dass dieser in der letzten Legislatur periode in der grün-roten Landesregierung unter der Ägide von Katrin Altpeter verabschiedet worden ist. Dieser Landes aktionsplan ist mit seinen 35 Maßnahmen ein sehr vielseiti ges und sehr wirksames Maßnahmenpaket; wir wollen ihn fortschreiben und immer weiter ausbauen.
Ganz besonders wichtig ist natürlich die Finanzierung der Frauen- und Kinderschutzhäuser. Da muss ich schon einmal sagen: Ich bin sehr froh – Sie haben gefragt, wie die Diskus sionen in diesem Jahr und auch in Vorbereitung des nächsten Doppelhaushalts laufen –, dass wir jetzt mit Frau Sitzmann eine Finanzministerin an unserer Seite haben, die eine hohe Sensibilität für dieses Thema hat und die, als wir den Wunsch und die Erwartung nach deutlich mehr Geld für die Finanzie rung der Frauenhäuser formuliert haben, eine sehr hohe Be reitschaft und Sensibilität dafür gezeigt hat. Wir können da nun entsprechend aktiv werden. – Ich bin in diesem Fall froh, dass es jetzt Frau Sitzmann und nicht mehr Nils Schmid ist; das muss ich einmal ganz ehrlich sagen.
Die Unterfinanzierung der Frauen- und Kinderschutzhäuser ist nicht erst seit heute ein Thema; es ist ein Thema, das wir wirklich schon seit einigen, seit zig Jahren mit uns herum schleppen.
Es ist völlig klar, dass dies eine kommunale Aufgabe ist, aber es ist eben auch klar, dass wir die Kommunen mit dieser Auf gabe nicht alleinlassen können. Es gibt die Vereinbarung der Tagessätze und die Finanzierung über SGB II und SGB XII – Leistungen für bestimmte Personen, die dann in Frauen- und Kinderschutzhäuser kommen –, aber das reicht allemal nicht aus. Deswegen haben wir in den letzten Jahren sukzessive im mer mehr Geld als Landeszuschüsse für die Finanzierung der Frauenhäuser aufgebracht. Insgesamt sind es im jetzigen Dop pelhaushalt 1,2 Millionen €. Das ist ja nicht nichts. Dennoch ist völlig klar, dass es nicht ausreicht.
Wir arbeiten aber, um überhaupt einmal belastbare Zahlen zu bekommen, was wir an Mitteln brauchen, schon seit gerau mer Zeit an einer Grundlage dafür, wie Frauen- und Kinder schutzhäuser insgesamt finanziert werden müssen. Wir setzen dabei auf Qualität. Wir wollen wirklich ein Finanzierungskon zept erarbeiten bzw. sind gerade dabei, dieses zu erarbeiten, das darauf setzt, dass wir verbindliche Personalschlüssel in den Frauenhäusern bekommen, um die Qualität in der Betreu ung der Frauen und Kinder, die dort Schutz suchen, zu ge währleisten. Das ist in der Tat eine riesige finanzielle Kraft anstrengung. Dazu brauchen wir Sie alle hier im Parlament, und dazu brauchen wir, wie ich schon gesagt habe, natürlich auch unsere Finanzministerin.
Aber ich bin guten Mutes – das ist die Beantwortung Ihrer Frage –, dass wir da wirklich etwas Gutes hinbekommen wer den.
Sie haben den runden Tisch angesprochen, der bei Bundesfa milienministerin Giffey angesiedelt ist. Ich habe an der ersten Sitzung in Berlin teilgenommen, und ich muss Ihnen sagen: Das, was in der Medienöffentlichkeit so breitgetreten wird – dass der Bund nun angeblich Verantwortung für den Schutz der von Gewalt betroffenen Frauen übernimmt und sich da mordsmäßig engagiert –, das ist wirklich ein großes Geklin gel, bei dem nicht viel dahinter ist. Laut den Zahlen sollen in diesem Jahr 5,1 Millionen € zur Verfügung gestellt werden und in den nächsten zwei Jahren dann 30 Millionen €, und zwar für ganz Deutschland. Heruntergebrochen auf BadenWürttemberg auf Basis des Königsteiner Schlüssels heißt das, dass es maximal zwei Modellprojekte geben kann. Da muss man dann – das werden wir auch tun – einen deutlichen Schwer punkt darauf legen, dass die finanzielle Mitverantwortung des Bundes sich deutlich verstärkt. Denn zwei Modellprojekte sind gut; dies ist aber nicht mehr als ein Tropfen auf den hei ßen Stein.
Wenn es also wirklich so sein soll, dass der Bund seiner Ver antwortung nachkommen und die Verbindlichkeit eingehen will, Frauen- und Kinderschutzhäuser kostendeckend zu fi nanzieren, dann muss dafür eine deutlich stärkere Zusage kommen; einstweilen ist das nicht mehr als ein Appell.
Neben der Finanzierung der Frauen- und Kinderschutzhäuser ist uns auch ein großes Anliegen – da gehe ich noch einmal auf Sie ein, Herr Haußmann –, die Beratungsstellen auf eine sichere finanzielle Basis zu stellen. Aber auch da brauchen wir belastbare Daten. Es macht überhaupt keinen Sinn, jedem An trag stattzugeben und dann irgendwie eine bunte Mischung aus verschiedenen Beratungsangeboten zu haben. Wir wollen landesweit eine qualitativ gute Ausstattung hinbekommen, und dazu brauchen wir zunächst eine Bestandsaufnahme, um dann zu schauen: Was wird wo gebraucht?
Das ist natürlich gerade auch in Verbindung mit der Finanzie rung und Ausstattung der Frauen- und Kinderschutzhäuser von ganz zentraler Bedeutung. Denn auch wir wissen natür lich, dass es diese vier weißen Flecken gibt. Ich bin sehr froh, dass jetzt von allen Seiten gesagt worden ist: Da müssen wir mehr tun. Das ist natürlich ein Appell an die Kommunen, aber es geht auch um die Bereitschaft des Parlaments, sich da fi nanziell nochmals stärker zu beteiligen.
Frauen- und Kinderschutzhäuser – auch das haben wir gehört – stoßen zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen. Das ist ein ganz großes Problem, und das hängt u. a. damit zusammen, dass der Wohnungsmarkt in Baden-Württemberg leergefegt ist. Frauen und Kinder, die eigentlich aus einem Frauenhaus herausgehen könnten, weil sie so stabil sind, dass sie auch in einer eigenen Wohnung wieder auf eigenen Füßen stehen könnten, sind dazu oftmals nicht in der Lage, weil einfach kei ne Wohnungen da sind. Da werden wir noch in diesem Jahr aktiv, indem wir das Projekt „Second Stage“ auf die Beine stellen. Das bedeutet, dass wir gemeinsam mit verschiedenen Kommunen in verschiedenen Regionen Programme entwi ckeln mit dem Ziel, dass Wohnungen bereitgestellt werden, in die Frauen und Kinder direkt nach ihrem Aufenthalt in einem Frauenhaus gehen können.