Protokoll der Sitzung vom 29.11.2018

Für die Fraktion GRÜNE hat Herr Abg. Lede Abal das Wort. – Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegin nen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der AfD ist Schwach sinn,

(Abg. Udo Stein AfD: Oi, oi, oi!)

wie auch die Behauptung Schwachsinn ist, Sie würden durch diesen Gesetzentwurf einen verfassungskonformen Zustand überhaupt erst herstellen.

Sie unterstellen ein Problem und behaupten, Sie würden ei nes lösen. Das Problem gibt es allerdings überhaupt nicht, und Sie sind bisher – vor drei Wochen und auch jetzt – jeden Be weis schuldig geblieben, dass dieses Problem existiert.

Aus diesem Gesetzentwurf spricht Ihr Staatsverständnis. Das ist der autoritäre Überwachungsstaat der AfD,

(Lachen bei der AfD – Abg. Udo Stein AfD: Eijeijei! Das tut ja schon weh!)

der seinen Bürgerinnen und Bürgern misstraut.

(Zurufe)

Sie dürfen nicht so laut schreien. Meine Stimme ist etwas angegriffen. Ich kann heute leider nicht so gegen Sie anschrei en. Also müssen Sie sich heute ein bisschen zurückhalten.

(Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

Ich gebe Ihnen auch noch mehr Grund zu schreien. Warten Sie einfach ein bisschen. – Das ist der autoritäre Überwa chungsstaat der AfD,

(Abg. Stefan Räpple AfD: Sie haben für die TKÜ ge stimmt! Guter Witz!)

der seinen Bürgerinnen und Bürgern misstraut und sie bis ins Privateste hinein kontrolliert und gängelt. Vor allem aber ist dieser Gesetzentwurf ein Liebesdienst für Ihre Zielgruppen. Diese hat der Herr Sänze auch schon angesprochen mit seiner Anbiederung – –

Herr Kollege, es gibt ei ne Zwischenfrage – –

Ich würde jetzt gern erst einmal ausführen. Das habe ich auch gerade schon dargestellt.

Gut.

Das ist eine An biederung an die Reichsbürger und an Rechtsextreme.

(Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

Im Bund versucht Ihre Parteispitze sich ja gerade wenigstens oberflächlich von extremistischen Gruppierungen zu distan zieren. Bei Gögels Landtagsfraktion ist einfach alles möglich.

Nach Vorstellung der AfD haben alle hier im Saal die deut sche Staatsangehörigkeit erst einmal nicht, und zwar so lan ge, bis der Staat Sie alle hier im Saal, Ihre Vorfahren, Ihre Fa miliengeschichte überprüft hat. Ob Sie alle hier – –

(Abg. Bernd Gögel AfD: Das ist doch Ihre Anfrage! – Zuruf des Abg. Udo Stein AfD)

Das ist falsch. Der Staat geht davon aus, dass Sie sie haben. Sie bestreiten, dass wir sie hätten,

(Abg. Emil Sänze AfD: Das stimmt nicht! – Zuruf des Abg. Bernd Gögel AfD)

dass diejenigen, von denen Sie die deutsche Staatsangehörig keit über mehrere Generationen zurück vererbt bekommen ha ben, diese auch zu Recht bekommen haben.

Diese Zwangsüberprüfung für alle will die AfD durchsetzen – durch die Hintertür, weil es eine Bundeszuständigkeit ist. Denn bislang gehen die Meldebehörden davon aus, dass sich

die Staatsangehörigkeit von Eltern oder einem Elternteil deut scher Staatsangehörigkeit auf das Kind überträgt. Nur bei ex pliziten Zweifeln gibt es eine weiter gehende Prüfung.

Dazu gibt es auch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht, die Sie offensichtlich nicht kennen:

Von dem Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit kann ausgegangen werden, wenn nachgewiesen oder glaubhaft gemacht ist, dass der Betroffene und gegebenenfalls die Personen, von denen er seine Staatsangehörigkeit ablei tet, spätestens seit dem 1. Januar 1950 von deutschen Stellen als deutsche Staatsangehörige behandelt wurden. Dies gilt nicht, wenn sich im Einzelfall Zweifel ergeben, z. B. wegen Geburt oder Aufenthalt im Ausland einschließ lich der Gebiete, deren staatsrechtliche Zugehörigkeit sich geändert hat, sowie bei ausländischer Staatsangehö rigkeit von Eltern oder Geschwistern.

Die AfD will aber noch mehr, nämlich dass Sie künftig nicht mehr wählen dürfen, wenn Sie nicht den sogenannten Staats bürgerschaftsausweis vorlegen.

(Abg. Udo Stein AfD: So ein Schwachsinn!)

Das ist aber gar kein fälschungssicherer Ausweis, sondern ein Vordruck auf einem gelben DIN-A4-Zettel ohne Bild, der Ih nen die deutsche Staatsbürgerschaft bescheinigt und nur in wenigen Verwaltungsverfahren eine Rolle spielt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau!)

Die AfD behauptet, Wahlen in Baden-Württemberg würden verfälscht, weil Unberechtigte ihre Stimme abgäben – mas senhaft, wie Sie vor drei Wochen in einer Pressekonferenz be hauptet haben. In Ihrem Gesetzentwurf steht: „eine wohl nicht unerhebliche Zahl“. Dazu sind Sie bisher – auch heute – je den Beweis schuldig geblieben.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau!)

Das wird wahrscheinlich auch in Zukunft so bleiben, weil es Ihnen um Botschaften an Reichsbürger und Rechtsextreme geht,

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Wolfgang Drexler SPD und Stefan Räpple AfD)

weil Sie im Kern die Staatsangehörigkeit und das Wahlrecht für bestimmte Personengruppen infrage stellen wollen, näm lich Deutsche, die eingebürgert wurden. Da täuschen Sie sich über die Wirkung Ihres Gesetzentwurfs, weil gerade bei Ein gebürgerten ein aufwendiger Prüfungsprozess erfolgt ist, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer deutschen Staats angehörigkeit vorliegen.

Wir werden sehen, wie weit Sie das noch treiben wollen bei Ihrer Besessenheit und Ihrem Verständnis von Abstammung, von Ihrem Bekenntnis zum Völkischen. Wahrscheinlich wer den Sie demnächst auch noch den genetischen Abstammungs nachweis einfordern, mit allen Folgen, die sich daraus erge ben.

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen und der CDU – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Ihr Gesetzentwurf widerspricht den Grundsätzen eines libe ralen Rechtsstaats, aber er offenbart Ihre völkische Gesinnung.

Ihr Gesetzentwurf ist zudem auch schlicht unzulässig, weil Sie eine zwingende Überprüfung per Landesgesetz schaffen wollen, die das Staatsbürgerschaftsrecht und auch die ein schlägige Verwaltungsvorschrift – allesamt in Bundeszustän digkeit – nicht vorsehen. Ganz im Gegenteil: Die Verwal tungsvorschrift beschreibt sogar ausdrücklich die Konstella tionen, in denen Zweifel begründet sind, und schreibt für die se Fälle eine Überprüfung zwingend vor. Hier als Landesge setzgeber eingreifen zu wollen ist, glaube ich, erst einmal ein großes Missverständnis gegenüber den Staatsstrukturen und einer Landeszuständigkeit. Eine generelle, zwingende Schnüf felei im Privatleben der Bürgerinnen und Bürger dieses Lan des einführen zu wollen lehnen wir ab – im Gegensatz zu Ih nen von der AfD.

Wir fordern Sie auf, diesen Gesetzentwurf ersatzlos zurück zuziehen. Das ist das, was er verdient hat.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Sabine Wölfle SPD – Abg. Bernd Gö gel AfD: Kann er überhaupt lesen?)

Für die Fraktion der CDU spricht Frau Abg. Gentges.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, jeder Ge setzentwurf, der diesem Hohen Haus vorliegt, ist es wert, ernsthaft geprüft zu werden.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Ich habe diesen Gesetzentwurf und seine Begründung sehr ernsthaft mehrfach gelesen – nicht ohne Erkenntnisgewinn. Ich möchte Sie gern an diesem Erkenntnisgewinn teilhaben lassen.

(Beifall des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP – Zu rufe von der SPD: Oh ja! – Zuruf von der CDU: Sehr gern!)

In der Begründung des Gesetzentwurfs offenbart die AfD ihr politisches Ziel – es wurde heute noch einmal ausdrücklich genannt –, nämlich die deutsche Staatsangehörigkeit zwin gend staatlich prüfen und feststellen zu lassen und nur jenen Einwohnern einen Personalausweis auszustellen oder zu be lassen, bei denen die Staatsangehörigkeit durch einen Staats zugehörigkeitsausweis sicher nachgewiesen ist.

(Zuruf von der AfD: Ihre Antwort!)