Protokoll der Sitzung vom 19.12.2018

Vie len Dank für die Nachfrage. – Ich darf jetzt etwas zu den Qua litätsindikatoren sagen. Sie haben ja auch diesen Bericht vor liegen, wonach wir für das Land acht Monierungen hatten. Hinterher hat sich dann herausgestellt, dass drei davon schon obsolet waren, weil wir die Einrichtungen bereits geschlossen hatten. Es herrschte aber große Verunsicherung.

Wir haben in der letzten Sitzung des Landeskrankenhausaus schusses darüber gesprochen. Selbst die Kassen haben gesagt, dass das nicht okay war.

Wir haben jetzt – das hatten wir Ihnen bei der letzten Novel lierung des Landeskrankenhausgesetzes versprochen – mit dem Landeskrankenhausausschuss eine Arbeitsgruppe zur Qualitätssicherung eingesetzt. Wir haben schon – das ist ja ei ne Aufgabe der Selbstverwaltung – eine große Zahl von Qua litätsvorgaben, Leitlinien, Richtlinien vereinbart. Beispielhaft verweise ich auf die Zentrumsvereinbarung bei der Schlagan fallversorgung. Aber es gibt auch noch andere wichtige Punk te. Die nehmen wir uns alle vor, schauen sie uns an und wer den sie mit dieser Arbeitsgruppe unter dem Schutzschirm des Landeskrankenhausausschusses weiterentwickeln, sodass wir baden-württemberg-gerechte Qualitätsstrukturen sehr stand ortnah umsetzen können.

Zu Ihrer Digitalisierungsfrage: Die 10 Millionen € werden jetzt den Kliniken in erster Linie, denke ich, zur Nachrüstung von Hardware zur Verfügung stehen. Gleichzeitig haben wir unter der Regie des Ministeriums für Inneres und Digitalisie rung die Digitalisierungsstrategie des Landes. Dafür haben wir in einem ersten Schritt 4,3 Millionen € ausgelobt. Ein Teil davon steht zur Evaluation von „docdirekt“ oder jetzt von GERDA – dafür sind 1 Million € vorgesehen – zur Verfügung.

Wir haben in der IMA – Herr Innenminister, da bedanke ich mich auch noch einmal für die große Unterstützung – auch festgehalten, dass wir im nächsten Doppelhaushalt für die Di gitalisierung in Medizin und Pflege mehr als die 4,3 Millio nen € einstellen werden. Unser Förderaufruf ergab ja über 40 Millionen € an projektfähigen Mitteln. Ich werde Ihnen in einer der nächsten Ausschusssitzungen gern einmal die ersten Ergebnisse darstellen. Wir werden da weitergehen.

Im Übrigen: Wenn Sie heute die Nachricht von der KVBW sehen, dass z. B. mit „docdirekt“ und gemeinsam mit den 120 Notfallpraxen an den Kliniken die Versorgung über die Feier tage gesichert ist, wird klar, dass „docdirekt“ einen wichtigen Beitrag zur Versorgungsabdeckung an Weihnachts- oder Ur laubstagen leistet.

Die nächste Frage kommt von Frau Abg. Hartmann-Müller.

Herr Minister, zu nächst einmal vielen Dank für die tolle Förderung des Zent ralklinikums in Lörrach und des Klinikums in Waldshut.

Ich möchte Ihr Augenmerk noch einmal besonders auf die Si tuation im ländlichen Raum lenken. Gerade in unserer Hoch rheinregion und im südlichen Schwarzwald brauchen wir ei ne gute Gesundheitsversorgung mit Gesundheitszentren vor Ort, wie es auch für Bad Säckingen mit dem sogenannten Ge sundheitscampus angedacht ist. Ich bitte Sie, das weiterhin zu unterstützen. Wie sehen Sie hier den weiteren Fortgang?

Sie wissen ja selbst, Frau Kollegin, dass ich in Bad Säckingen war, und zwar gemeinsam mit meinem Referatsleiter, der die ses Amt noch gar nicht so lange innehat. Da sind zwar nicht faule Tomaten geflogen, aber der Empfang war schon sehr hochrheinisch, südschwarzwälderisch, hotzenwälderisch hand fest. Gott sei Dank bin ich jetzt auch nicht aus Zucker. Aber wir haben mit den Menschen debattiert, haben ihnen die Sinnhaf tigkeit dargestellt, haben ihnen auch noch einmal gesagt, dass ein Krankenhaus in Bad Säckingen einfach keine Zukunftschan ce hatte, weil es einfach eine kritische Größe unterschritten hat te.

Natürlich gilt für Bad Säckingen mit dem Campus der Ge sundheitsleistung genau das, was wir auch bei Ihnen im Kreis sagen: Überall dort, wo Kliniken waren und nicht mehr als Krankenhaus betrieben werden, wird nicht nichts übrig blei ben, sondern werden auf einem bedarfsgerechten, ambulanti sierten, multiprofessionellen Niveau Behandlungen, aber auch Pflege und weitere therapeutische Leistungen angeboten. Das nehmen wir gerade in Regionen, die etwas weiter von größe ren Zentren entfernt liegen, sehr ernst.

Der Zentrumscharakter in ländlichen Räumen ist für kleinere Kliniken größer als beispielsweise im Großraum Stuttgart. Das ist doch keine Frage. Ein Krankenhaus in Freudenstadt, das zwar nicht so viele Betten haben wird, aber wiederum nicht zu wenige, übernimmt eine große Zentrumsfunktion, ge nauso wie diese Funktion jetzt Nagold übernehmen wird oder wie in Zukunft Lörrach im Dreiländereck eine ganz bedeuten de Rolle bis weit in den Schwarzwald hinein – Schopfheim – zukommen wird.

Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Baron.

Vielen Dank, Herr Minister Lucha. Nochmals auch herzlichen Dank für die 50 Millionen €. Das schätze ich auch. Sie wissen aber auch, dass 50 Millionen € vom Kreis kommen müssen – in diesem Fall bei mir.

Zentralisierung ist ja nicht immer das Erfolgsrezept. Das wis sen wir. Es gibt Kliniken, die rote Zahlen schreiben, obwohl sie groß sind und viele Betten haben. Trotzdem müssen sie ums Überleben kämpfen.

Ich glaube, die pauschale Lösung ist doch nicht, zu zentrali sieren, Herr Minister. Liegt es nicht vielmehr an der Pauschal regelung des Bundes, dass die Kliniken dazu verpflichtet wer den, einfach Operationen durchzuführen, die Geld bringen? Das sieht man ja auch im Vergleich, egal, ob Bandscheiben vorfälle, Knieoperationen usw. Dass die betreffenden Zahlen in Deutschland besonders hoch sind, ist ja kein Zufall.

Eine weitere Frage, die mich beschäftigt, ist: Wie geht es ei gentlich in Hohenlohe weiter? Wir haben jetzt die 50 Millio

nen €. Das ist alles so weit klar. Aber inwiefern unterstützt das Sozialministerium unseren Landkreis, um die Überlebensfä higkeit zu sichern? Ich habe große Sorgen, ob die Einrichtung in Öhringen überlebt – trotz des Neubaus. Wir sehen gerade in Crailsheim: 100 % Auslastung und trotzdem rote Zahlen. Ich habe große Sorgen, dass wir in Hohenlohe irgendwann oh ne Krankenhaus dastehen.

Danke für die Nachfragen, Herr Baron. – Es ist in der Tat so: Wir sind vor allem in Baden-Württemberg nicht glücklich da rüber, dass der sogenannte Landesbasisfallwert – – Das ist ja kein Landesbasisfallwert, sondern eine Berechnungsgrundla ge für die Entgeltentrichtung, die man dann für die einzelnen Leistungen erhält. Der ist im Bundesvergleich zu niedrig, weil wir die leistungsfähigste Struktur haben.

Wir haben im Übrigen die höchste Förderung pro Bett und die niedrigste Bettenziffer pro 100 000 Einwohner. Wir leiden un ter Fehlallokationen in Ländern wie Nordrhein-Westfalen, die ihre Hausaufgaben noch deutlich stärker machen müssten als wir, die viel mehr konkurrierende Kliniken haben. Wir sind aber bundesweit – ich glaube, ich habe mit dem neuen Bun desgesundheitsminister schon fünf Debatten in Konferenzen geführt – für eine Angleichung in Richtung einer besseren Ent geltstruktur.

Meine feste Überzeugung ist: Wir werden es irgendwann schaffen – das ist auch unsere Politik –, dass kein aufgestell tes Bett infrage gestellt wird. Wir sagen nicht – quasi künst lich –: „Ein Bett schreit nach Kapazitätsfüllung“, sondern wir sagen gemeinsam mit den Kassen und den handelnden Akteu ren: Das, was wir an bedarfsgenauer Versorgung haben, steht, und das bekommt dann auch die Entgeltstruktur, auch weni ger Degressionsabschläge in der Finanzierung durch die Kas sen. Das ist unser Ziel, und dem nähern wir uns ja auch.

In Freudenstadt z. B. wird jetzt unsere Förderung 99 % der förderfähigen Kosten und insgesamt die 60 % das erste Mal deutlich übersteigen. Dann haben die Klinikträger tatsächlich auch eine Entlastung.

(Abg. Norbert Beck CDU: Klasse! Freudenstadt ist gut!)

Vielen Dank, Herr Minister. – Damit sind die 30 Minuten für dieses Thema ausgeschöpft. Danke schön.

Ich rufe das nächste Thema auf, gemeldet von der SPD-Frak tion:

A b s c h i e b u n g e n a u s K i n d e r g ä r t e n u n d S c h u l e n i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Weirauch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme heute zu ei nem weiteren Kapitel der Geschichte „Fragwürdiges Regie rungshandeln im Stadtkreis Mannheim“. Am 10. Dezember 2018 wurde eine fünfköpfige albanische Familie, wohnhaft in Mannheim, nach Albanien abgeschoben. Die Familie gilt bzw. galt als gut integriert. Beide Eltern arbeiteten im Pflegebe reich.

An diesem Tag – das ist der Kern der Regierungsanfrage – wurde der elfjährige Sohn der Familie direkt aus dem Schul unterricht der sechsten Klasse der Johannes-Kepler-Gemein schaftsschule in der Mannheimer Innenstadt von der Polizei abgeholt und der Abschiebung zugeführt. Zugleich wurde sei ne sechsjährige Schwester aus dem Kindergarten St. Michael in der Mannheimer Neckarstadt-West ebenfalls von Polizei beamten abgeholt und der Abschiebung zugeführt.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich auch als Wahlkreis abgeordneter diese Vorgehensweise, Kinder im Zuge einer Ab schiebung aus Schulen und Kindergärten abzuholen, für zu tiefst unmenschlich halte. Ich habe sicher Verständnis dafür, dass rechtskräftige Ausweisungsverfügungen auch vollzogen werden müssen – das steht heute überhaupt nicht zur Debat te –, aber bei der Art und Weise der Abschiebung, insbeson dere wenn Kinder und Jugendliche beteiligt sind, muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen und der FDP/DVP)

Kinder, die keinerlei Verantwortung für die Situation tragen, von uniformierten Polizeibeamten aus dem Kindergarten oder dem Schulunterricht abholen zu lassen steht für mich im Wi derspruch zu diesem Rechtsgrundsatz und führt zu traumati schen Erlebnissen für alle Beteiligten. Die Kinder mussten sich innerhalb weniger Minuten ohne elterlichen oder psycho logischen Beistand für immer von ihrem vertrauten Umfeld und ihren Freunden verabschieden. Begründet wurde diese Vorgehensweise damit, dass sich der Abholungszeitpunkt der Kinder nach den Zeiten der Abschiebeflüge richte.

Ich bin dem Kollegen Sckerl dankbar, dass er sich relativ zü gig im „Mannheimer Morgen“ entsprechend geäußert hat. Er hat gesagt, dass zukünftig – ich erlaube mir, ihn wörtlich zu zitieren – „keine Kinder aus Schulklassen und Betreuungsein richtungen mehr herausgeholt und einer Abschiebung zuge führt werden“.

Das hat mich heute veranlasst, die Landesregierung offiziell zu fragen: Herr Strobl, können Sie die Umsetzung der Ab schiebung von Kindern vertreten, wie ich sie gerade beschrie ben habe? Werden Sie auch in Zukunft an Ihrer Schulabschie bungspraxis festhalten und Kinder von der Polizei aus Kin dergärten oder Schulen holen lassen, um sie abschieben zu können?

Vielen Dank.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Haben Sie das die Eltern auch gefragt, was sie verursachen?)

Herr Abg. Zimmermann, Sie sind jetzt nicht dran.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Einen Zwischenruf kann man immer machen! – Gegenruf des Abg. An dreas Stoch SPD: Herr Zimmermann hat das ganze Thema noch nicht begriffen!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Strobl das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, werte Kollegin nen und Kollegen! Herr Abgeordneter, die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht, gemeinhin „Abschiebung“ genannt, ist eines der heikelsten Themen des Verwaltungs zwangs. Dies gilt insbesondere dann, wenn Kinder beteiligt sind; das ist gar keine Frage. Deshalb stehen wir auch zu der Aussage, dass wir bei der Abschiebung schulpflichtiger Kin der besonders umsichtig vorgehen und dem Interesse des Schulbesuchs in besonderem Maß Rechnung tragen und in der Regel keine Abschiebungen aus dem Unterricht heraus vor nehmen. Wenn es irgend möglich ist, versuchen wir dies zu vermeiden.

Gleichwohl muss ich allerdings einen falschen Eindruck rich tigstellen. Es gab und gibt keinen Erlass, der die Abholung aus Schulen generell verbietet. Im konkreten Fall – das will ich deutlich sagen – war das Vorgehen der Polizei nicht nur rechtmäßig, sondern aufgrund der Gesamtumstände aus nahmsweise auch unvermeidbar.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Unmenschlich!)

Auch wenn es in manchen Ohren seltsam klingen mag: Es ist nun mal so, dass die Abläufe einer Abschiebung von zeitli chen Zwangspunkten bestimmt werden, die wir nur begrenzt beeinflussen können. Vorliegend war dies die Abflugzeit. Wenn ein Flugzeug nachmittags um halb vier in Karlsruhe startet, können wir die ausreisepflichtigen Personen unter Be rücksichtigung der Rüstzeiten und der Transportwege nun mal nicht bereits morgens um sieben Uhr abholen. Das liegt ganz einfach daran, dass die mit der Vollstreckungshandlung zwangsläufig verbundene Freiheitsbeschränkung auf das ab solut notwendige Maß beschränkt werden muss. Eine Frei heitsbeschränkung auf Vorrat, und seien es nur wenige Stun den, ist nicht möglich. Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage.

Erlauben Sie mir die allgemeine Bemerkung: Genau aus die sem Grund setze ich mich auch auf Bundesebene für eine Überarbeitung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Ab schiebehaft ein. Wie Sie wissen, ist das jedenfalls im Bundes innenministerium und im Übrigen auch bei den 15 Kollegen in den Ländern auf fruchtbaren Boden gefallen.

In aller Regel bemühen wir uns darum, die Abflugzeiten so festzulegen, dass derartige Situationen vermieden werden. Idealerweise finden die Flüge daher zur Mittagszeit statt. Das gelingt aber leider nicht immer.

Ich kann Ihnen versichern, dass es sich weder die betroffenen Polizeibeamtinnen und -beamten noch die Beschäftigten der Ausländerbehörden mit solchen Fragen leicht machen. Des halb ist es unser Anliegen, die ausreisepflichtigen Ausländer nach Möglichkeit zu einer freiwilligen Ausreise zu bewegen. –

(Abg. Dr. Boris Weirauch SPD: Die Kinder?)

Insofern war der Zwischenruf des Abg. Zimmermann schon richtig. – Diese bietet den Betroffenen die Möglichkeit, sich auf die Ausreise vorzubereiten und auf den Neuanfang in der Heimat einzustellen. Zudem können wir bei einer freiwilligen Rückkehr finanzielle Leistungen gewähren.

Bei allem Verständnis für die Sorgen und Nöte der Betroffe nen möchte ich klarstellen: Es geht hier um die Einreise aus

einem sicheren Herkunftsland. Die vollziehbare Ausreise pflicht wurde in einem rechtsstaatlichen Verfahren festgestellt. Als Minister ist es meine Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass eine bestehende Ausreisepflicht auch durchgesetzt wird. Es geht hier nicht um einen profanen Wettbewerb, um irgendwel che Abschiebezahlen, sondern es geht darum, dass der Rechts staat handlungsfähig ist, und zum Rechtsstaat gehört, dass Recht durchgesetzt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])