Protokoll der Sitzung vom 19.12.2018

von der Exekutive gegenüber dem Landtag öfter und auch na hezu vorsätzlich nicht gelebt. Das ist nicht schön.

(Beifall des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Sie werden am 22. Januar ein Leitbild Europa besprechen. Wir haben es bisher nicht kennengelernt, Herr Minister. Wir sind auch sehr interessiert daran, dass wir die Frage mit Ihnen er örtern, wie wir – Baden-Württemberg als Land – tatsächlich mit Verfassungscharakter unseren Platz in Europa finden. Das wird die große Aufgabe der kommenden Jahre sein. Aber klar ist: Dies wird man – wenn ich an die Haltung des Minister präsidenten zum Thema „Gelder für Schulinvestitionen“ den ke – nicht abwehren können. Dies klappt in Europa nur, wenn man sich einmischt, wenn man mittendrin ist. Das erwarte ich auch von dieser Landesregierung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP/ DVP spricht Herr Abg. Professor Dr. Schweickert.

Frau Präsidentin! Ich möchte feststellen: Die EU ist definitiv nicht gescheitert. Wir können viele Dinge diskutieren. Aber solange der substan ziellste Beitrag der AfD zur Europapolitik des Landes der ist, dass, wenn der Kollege Räpple ausgeschlossen wird, die Sit zung des Europaausschusses verschoben werden muss, ist dort halt leider nicht viel übrig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wenn die Kritik an Europa aktuell gerade beim Thema CO2 aufflammt, dann liegt dies vielleicht nicht an der Struktur von Europa, sondern daran, dass man aus Deutschland keine Fach männer hinschickt, sondern in diesem Fall – sorry – eher Flachmänner. Denn wenn ich mir anschaue, wie diese Diskus sion gelaufen ist, dann sind wir schon irgendwo selbst schuld.

Ich habe an dieser Stelle vor zehn Wochen gesagt: Wenn eine Ministerin mit dem Ziel einer Reduktion des CO2-Ausstoßes um 30 % in die Verhandlungen geht, mit 35 % herauskommt und dann in die Kameras blökt: „Das geht mir nicht weit ge nug, da hätte ich mir noch strengere Grenzwerte gewünscht“, dann brauchen wir uns jetzt nicht zu wundern, wenn diese Wo che ein Wert von 37,5 % beschlossen worden ist, meine Da men und Herren.

Der Vorwurf des Dilettierens geht an die SPD und an Frau Schulze. Da können Sie noch so entschieden widersprechen: Wer vorher groß tönt, dass synthetische Kraftstoffe als Ver handlungsposition auf den Wert von 37,5 % mit eingerechnet werden sollen, und nachher noch nicht einmal das hinbe kommt, der muss sich schon fragen lassen, ob er sein Ressort nicht verfehlt hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Daniel Rott mann AfD)

Da kommt unter dem Deckmantel einer Klimapolitik eine rei ne Industriepolitik auf europäischer Ebene zum Tragen, ge gen Deutschland, gegen Baden-Württemberg. Man muss sich nur einmal anschauen, wer dem ganzen zugestimmt hat und

wer gern sogar 40 % gehabt hätte, nämlich genau die Länder, die selbst keine Automobilproduktion haben. Da brauche ich mich nicht zu wundern, wie so ein Ergebnis zustande kommt. Wir müssen uns aber eines überlegen: Wir sind die Einzigen, die sich selbst den Ast absägen, auf dem sie gerade sitzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Denn schauen wir uns an, was wir jetzt machen. Auf der ei nen Seite lautet die Forderung: „Der Diesel soll raus aus Stutt gart“, auf der anderen Seite wollen wir, dass die CO2-Emissi onen zurückgehen. Da nehmen wir die Automobilbranche von beiden Seiten in die Zange. Beides geht nicht, da bricht eher das Glas, wenn man von beiden Seiten drückt. Deswegen kann ich auch nicht akzeptieren, wenn der Ministerpräsident sagt:

Ob solche Grenzwerte unrealistisch sind oder nicht, hängt ja von der Zusammensetzung der Flotte ab, das hängt ab vom Hochlauf der Elektrofahrzeuge.

Er fährt dann fort, es sei „schwierig, festzulegen, was eine Überforderung sei oder nicht“.

Meine Damen und Herren, da dilettiert er dann genauso her um wie sein grüner Wirtschaftsministerkollege Altmaier

(Abg. Thomas Blenke CDU: Na, na!)

zumindest grün im Herzen –, der gestern laut dpa verkün det hat, er sei – ich zitiere –

... grundsätzlich optimistisch, dass wir – wenn auch mit Bedenken und mit Sorgen – diesen Kompromiss versu chen umzusetzen.

Meine Damen und Herren, „So, so“ und „Wir probieren mal“, das ist kein entschlossenes Regierungshandeln.

Das erinnert mich an den zweiten Bereich dieses europapoli tischen Berichts, nämlich an das Thema Brexit. Hier taumeln wir in 100 Tagen vielleicht auf einen harten Brexit, vielleicht auf einen weichen Brexit oder vielleicht auf einen „No Bre xit at all“ zu. Egal, was passiert, wir können heute schon fest halten: Jenseits und diesseits des Ärmelkanals ist das Ganze für die Bürger der EU negativ. Es ist für die Wirtschaft und für die Nationen außerhalb der EU eine Katastrophe, und viel leicht wird das Ganze auch noch zu einer großen Lachnum mer.

Hier wird es Zeit, dass sowohl von der Bundesregierung als auch von der Landesregierung klar formuliert wird: Es gibt keine Chance, und sei sie noch so klein, auf Nachverhandlun gen. Eigentlich müssten wir auch darauf drängen, dass diese Brexit-Entscheidung nicht erst in der dritten Januarwoche stattfindet, sondern vorher. Hier gibt es keinen Grund für wei tere Verzögerungen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wenn man hinschaut, dann sieht man, dass Frau May hier auf Zeit spielt, denn je später die Entscheidung getroffen wird, desto schlimmer wird die Variante, die kommt – der harte Bre xit steht dann vor der Tür –, und desto attraktiver, denkt sie, wird vielleicht der von ihr ausgehandelte Deal, die von ihr ausgehandelte Braut. Sie handelt nach dem Motto, dass es mit

der Braut einfach besser wird, je länger man wartet. Früher hätte man vielleicht gesagt: „die Braut schöntrinken“. Laut Frau May müsste das heißen: die Braut schönwarten. Denn das, was dann kommt, der harte Brexit, ist vielleicht so schlimm, dass man dann doch noch zustimmt. – Meine Da men und Herren, das ist politische Unfähigkeit.

Der Kollege Sckerl hat vorhin gesagt, er glaube nicht, dass ein weiteres Votum stattfinden wird. Aber wenn politische Un fähigkeit an den Tag gelegt wird – wie hier in England –, dann sollte man darüber nachdenken, die Entscheidung dem Sou verän zurückzugeben und ihn neu zu befragen. Ob das dann eine Neuwahl ist oder ein neues Votum, ist mir egal. Aber wenn es die Regierung nicht kann, dann müssen halt die Bür gerinnen und Bürger ran, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf von der AfD: Wie in Deutschland!)

In diesem Bereich bin ich gespannt, wie die Ausführungen un serer Landesregierung sind.

Der Brexit wird für Baden-Württemberg Herausforderungen mit sich bringen. Die gilt es abzubügeln. Da ist unsere Posi tion ganz klar: Wenn man es nicht hinbekommt, muss man sich überlegen, ob vielleicht ein neues Votum der Weg ist, mit dem man das Ganze noch einigermaßen retten kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Regierung hat Herr Minister Wolf das Wort.

Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen am En de eines bewegten Jahres, das einmal mehr von Bildern aus Europa geprägt war. Viele Debattenbeiträge haben einzelne dieser Bilder zum Thema gemacht, Bilder, die zum Rückblick, zum Innehalten, aber auch zum Ausblick anhalten. Die Bilder aus Paris und Verdun haben uns an das Ende des Ersten Welt kriegs vor 100 Jahren erinnert. Sie erinnern uns an die gemein same Verantwortung, Frieden und Freiheit in Europa für die Zukunft zu sichern.

Die Bilder aus Brüssel und London zeigen uns müde und er schöpfte Brexit-Unterhändler. Sie erinnern uns daran, dass Eu ropa zusammenhalten muss und der Abschied von der Euro päischen Union nur Verlierer kennen würde.

Schließlich auch die aktuellen Bilder aus Straßburg, die zei gen, dass der Frieden auch nach innen hin bedroht ist. Unser Mitgefühl gilt allen Opfern und Angehörigen. Wir stehen an der Seite der Bürgerinnen und Bürger von Straßburg. Mein persönlicher Dank gilt allen Helferinnen und Helfern in die ser Nacht vor Ort und allen Sicherheitskräften in Frankreich und in Deutschland.

Das Attentat in Straßburg führt uns vor Augen, dass die Ge fahr des internationalen Terrorismus eben nicht gebannt ist. Islamistische Terroristen fordern unsere Art zu leben, fordern unser Modell von Frieden und Freiheit aggressiv heraus. Sie verdienen eine klare Antwort, eine gemeinsame europäische Antwort: Die Demokratien Europas lassen sich durch Terror

nicht einschüchtern oder ins Wanken bringen. Wer uns an greift, wird zur Rechenschaft gezogen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut! Klare Ansage! – Gegenruf des Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Mehr aber auch nicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil wir wissen, dass die Staaten Europas – – Schauen Sie, Herr Dr. Grimmer, das un terscheidet uns: Während Sie sich hier hinstellen und sugge rieren, dass Sie im Grunde nichts gegen Europa einzuwenden hätten, fällt Ihnen nichts, aber auch gar nichts an Positivem über die großen europäischen Errungenschaften ein. Das macht Sie unglaubwürdig in dieser Debatte.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Udo Stein AfD: Sie mit Ihrer rosaroten Brille sehen natürlich nur positiv!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass ich an die ser Stelle schon häufig gesagt habe: Nicht jeder, der sich kri tisch über Europa äußert, ist ein Populist,

(Abg. Udo Stein AfD: Über die EU!)

aber wer es dabei belässt, Europa schlechtzureden, der ist kein wirklicher Europäer. Wir Baden-Württemberger sind Europä er; das steht selbst in unserer Verfassung.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Zuruf von der AfD)

Weil wir wissen, dass die Staaten Europas einander brauchen und nur gemeinsam stark sind, hat sich die Landesregierung im Jahr 2018 intensiv in die EU-Zukunftsdebatte eingemischt. Zentrale Fragen dabei sind: Welche Rolle spielen wir Euro päer in der Welt noch? Können wir unsere Werte verteidigen? Wie können innere und äußere Sicherheit gewährleistet wer den? Wie kann die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents ge steigert werden? Auf alle vier Fragen lautet die Antwort – das ist meine feste Überzeugung –: nur mit einer starken Europä ischen Union.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat hierzu den von den Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen bereits er wähnten Europadialog ins Leben gerufen. Das ganze Jahr 2018 haben sich in unterschiedlichen Formaten Menschen in unserem Land Gedanken über die Zukunft der Europäischen Union gemacht – auch kritische.

Für mich sind nicht die Menschen schwierig, die sich kritisch über Europa äußern. Für mich sind die Menschen gefährlich, die auf Distanz zu Europa gehen. Deshalb war es auch Be standteil dieses Europadialogs, die kritischen Stimmen zu Eu ropa aufzugreifen.