Protokoll der Sitzung vom 19.12.2018

keit über die Frage führen, wie wir Qualität, wie wir Leis tungsfähigkeit immer ausgehend vom Wohl des Kindes reali sieren können, lohnt sich. Deshalb ist es heute, glaube ich, ein richtiger und wichtiger Anlass.

Ausgangspunkt ist das sogenannte „Gute Kita“-Gesetz des Bundes, das ich – um es voranzustellen – zunächst einmal be grüße. Ich würde es noch mehr begrüßen, wenn es nicht ein Gesetz wäre, das von einer Begrenzung bis 2022 ausgeht, un terstützt von umfangreichen Interviewaussagen der Familien ministerin und Bemühungszusagen, es weiter zu finanzieren. Klar ist, es ist zeitlich begrenzt. 5,5 Milliarden € – mehr liegt nicht auf dem Tisch.

Das ist ein weiterer Beweis dafür: Wenn wir Finanzierung so gestalten, wie es das Grundgesetz insgesamt vorsieht, näm lich über entsprechende Steuerzusagen für die Länder, gebun den an Aufgabenstellungen, dann wäre es eine dauerhafte Fi nanzierung, dann wäre es verlässlich, dann wäre es kein „Gu te Kita“-Gesetz, dann wäre es ein sehr gutes Kita-Gesetz, und daran fehlt es bis jetzt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr gut! Auf den Punkt gebracht!)

Man bleibt halt wieder auf halber Strecke stehen. 5,5 Milliar den € einmalig, das ist ein Wort – gar keine Frage –, das sind für das Land Baden-Württemberg etwa 720 Millionen €, aber eben nicht dauerhaft und nicht verlässlich.

(Zuruf: Wer regiert in Berlin?)

Frau Ministerin, lassen Sie ei ne Zwischenfrage des Herrn Abg. Born zu?

(Zuruf: Sie hat doch noch gar nichts gesagt!)

Herr Born, bitte. Sie haben schon mehrfach bei Rednern versucht, eine Zwischenfrage zu stellen. Bei mir dür fen Sie.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf: Sehr großzügig!)

Ich weiß, Sie lieben die zweite Chan ce. Danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass es sich beim „Gute Kita“-Gesetz um ein Gesetz handelt und nicht um ein reines Förderprogramm, dass eine Gültigkeit über das Jahr 2022 hi naus vorgesehen ist und dass sich die SPD dafür einsetzt, dass diese Gültigkeit darüber hinaus Kraft hat, und wissen Sie, ob sich auch die CDU dafür einsetzen wird?

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Ja, Herr Born, das weiß ich. Ich weiß, dass es ein Gesetz ist, und ich habe die Bemühungszusage der Ministe rin Giffey und auch der SPD, die ich aufrichtig interpretiere, wahrgenommen.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Wer regiert in Berlin?)

Aber ob Bemühen langt, das weiß ich nicht.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Im Arbeitsrecht ist „bemühen“ eine schlechte Note! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: „Stets bemüht“, sa ge ich nur!)

Zum Zweiten, Herr Born, hängt es mit etwas anderem zusam men. Es hängt nämlich damit zusammen, wie sich Steuerein nahmen überhaupt entwickeln. Zusagen in dieser Größenord nung gehen davon aus, dass die wirtschaftliche Entwicklung so bleibt, wie sie ist, dass die Party weitergeht.

Ich kann Ihnen nur sagen: Gehen Sie einmal davon aus, dass das im Zweifel bedauerlicherweise nicht der Fall sein wird, wir aber trotzdem Verantwortung haben, wir trotzdem Quali tät in den Kitas brauchen. Wir stellen uns dieser Verantwor tung, und deshalb können Sie nicht über 2022 hinaus zusagen. Aber das ist tatsächlich ein Problem, und das ist eben auch die Begrenzung dieses Gesetzes.

Unsere Aufgabe geht dahin, Qualität für passgenaue Bildungs biografien zu entwickeln.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Bei fall bei den Grünen)

Wie angesprochen wurde, haben wir in den letzten Monaten intensiv mit den Kommunen – unseren originären Partnern –, mit den freien Trägern – unseren direkten Partnern – und mit der Kindertagespflege darüber verhandelt, welchen Weg wir gehen.

Im kommenden Jahr investieren wir, das Land, über 1 Milli arde € in Kindertagespflege, in Kinderbetreuung. Das ist rich tig investiertes Geld. Wir haben uns mit den Partnern, die das Ganze vor Ort gestalten, im Pakt für frühkindliche Bildung und Betreuung darüber verständigt – dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken –, dauerhaft – nicht einmalig oder zweimalig – zusätzlich 80 Millionen € pro Jahr zu investie ren. Das ist ein Weg, den wir weitergehen werden.

Natürlich geht es darum, Qualität zu definieren. Es geht um eine veränderte Sprachförderung. Es geht auch darum, wie wir Kinder gezielter kindgerecht fördern können. Wir inves tieren, ausgehend von der dualen Ausbildung, der praxisinte grierten Ausbildung PIA, viel Geld in eine Ausbildungsoffen sive. Hier sind wir deutschlandweit führend. Ich begrüße es außerordentlich, dass Frau Giffey darauf Bezug nimmt und dies nun einbeziehen will. Das ist ein wirkliches Erfolgsmo dell. Das war auch überfällig. Dafür – ausreichend, genügend und vor allem gut ausgebildete Fachkräfte – nehmen wir Geld in die Hand.

Natürlich bekennen wir uns klar zum Thema Leitungszeit; Herr Kern, Sie haben das angesprochen. Zur Qualität – Frau Kurtz sprach es an – gehört auch Zeit. Das ist ganz entschei dend. Auch darauf haben wir uns verständigt. Das heißt, Qua lität ist definiert. Sie muss verlässlich sein.

In der Studie der Bertelsmann Stiftung vom Mai 2018 – Ber telsmann steht, glaube ich, nicht im Verdacht, immer Studien zu erstellen, die dem Bund oder den Ländern zwingend gefal len; eher das Gegenteil steht manchmal im Raum – geht es um die Frage: Qualität oder Beitragsfreiheit? 59 % der Eltern oberhalb der Armutsgrenze haben sich für Qualität und gegen

Beitragsfreiheit ausgesprochen, ebenso wie 53 % der Eltern unterhalb der Armutsgrenze.

(Abg. Daniel Born SPD: Machen Sie doch das eine und das andere! – Abg. Andreas Stoch SPD: Machen Sie beides!)

Wenn Sie daher sagen: „Fragen Sie einmal die Eltern“, dann ist das durchaus eine bemerkenswerte Aussage.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Andre as Stoch SPD: Beides! – Zuruf des Abg. Dr. Wolf gang Reinhart CDU)

Richtig ist, dass hinter dem Thema Beitragsfreiheit die Frage steht – die teile ich –: Wie bekomme ich möglichst alle Kin der in die Kinderbetreuung? Es geht nicht darum, sie zu ver wahren, sondern darum, qualitätsvoll mit ihnen zu arbeiten, Perspektiven zu ermitteln, so, wie die Eltern es sich auch in der Dauer wünschen. Diese Flexibilität ist notwendig. Das tei le ich ausdrücklich.

Das Thema Beitragsfreiheit wird aber dann reell, wenn man sich die konkreten Beispiele in den entsprechenden Ländern anschaut. Nehmen Sie Niedersachsen. Dort müssen die Eltern seit dem 1. August keine Gebühren mehr für die Betreuung im Kindergarten bezahlen. Im Gegenzug haben aber viele Kommunen die Kosten für Krippen ebenso wie für die Rand betreuung deutlich erhöht. Da kann ich nur sagen: Das muss man sich alles genau anschauen.

Nehmen wir das viel zitierte und immer wieder als Beispiel benannte Berlin. Da ist alles beitragsfrei.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Nur: Dass der Betreuungsschlüssel, die Frage, wie viele Kin der von einer Fachkraft betreut werden, entscheidend ist, da rüber sind wir uns, glaube ich, einig. Baden-Württemberg hat bundesweit den besten Betreuungsschlüssel.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Dr. Ste fan Fulst-Blei SPD: Dank der SPD! – Abg. Andreas Stoch SPD: Erst seit der letzten Legislaturperiode!)

Ja, das ist so. Darüber sind wir uns einig.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU zur SPD: Ja, lobt euch! – Gegenruf der Abg. Sabine Wölfle SPD: Tun wir auch! – Weitere Zurufe)

In Berlin betreut eine Fachkraft im Schnitt doppelt so viele Kinder wie in Baden-Württemberg – beitragsfrei, aber keine Qualität. Deshalb kann ich nur sagen: Lassen Sie uns zum Wohl der Kinder und im Hinblick auf die Qualität nicht in die Falle laufen, zu sagen: Alles kostet nichts.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Uns ist es wichtig, gemeinsam mit den Partnern vorzugehen. Dafür möchte ich mich noch einmal ausdrücklich bedanken.

Ich finde auch, dass der Eindruck, der gegenüber den Trägern vermittelt wird, nicht fair ist. Nehmen Sie als Beispiel die Stadt Stuttgart; es gibt auch andere Beispiele. Da gibt es dort,

wo die Eltern es sich sozial nicht leisten können, klare Staf felungen, sodass Kinder auch beitragsfrei sein können, weil die Jugendhilfe die Kosten übernimmt. Es ist ja nicht so, dass die Kommunen oder die Träger unabhängig davon, ob man es sich leisten kann oder nicht, Kosten erheben. Die Verantwor tung für soziale Staffelungen haben die Kommunen und die freien Träger sehr wohl angenommen. Dafür bin ich dankbar.

Deshalb ist der Eindruck, der vermittelt wird und der indirekt mitschwingt, jeder müsse das Gleiche bezahlen, unfair und nicht auf Augenhöhe mit den Partnern, die im Bereich der Kinderbetreuung sehr viel investieren und sehr viel leisten.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Deshalb: Qualität ja, soziale Staffelung ja, hohe Verantwor tung darin, dass es uns gelingen muss, Betreuung möglichst für alle Kinder – die Betreuungsquote in Baden-Württemberg ist sehr hoch – auch künftig gewährleisten zu können.

Qualität hat aus unserer Sicht verschiedene Ansätze. Wir wer den in Absprache, in Verhandlungen mit den Partnern die Fachkräfteoffensive starten, um mit PIA wirklich gut ausge bildete Erzieherinnen und Erzieher zu haben. Wir werden die Förderung in den Bereichen Sprache, Mathematik, Motorik kindgerecht so ausweiten und verändern, dass Kinder und El tern eine wirkliche Unterstützung bekommen.

Auch für das Thema Inklusion haben wir ein Konzept entwi ckelt. Deshalb, Herr Kern, wundere ich mich: Von den Part nern, mit denen wir das verhandelt haben, höre ich nichts von Bevormundung, sondern es geht um Unterstützung in der Fra ge, wie man mit Inklusion umgeht. Es geht darum, wo man Berater findet, wo man fragen kann: Wie kann ich mit diesem oder jenem Fall umgehen? Das war der ausdrückliche Wunsch, und deshalb probieren wir im Rahmen eines Modellversuchs, wie wir unterstützen können, ohne jemanden zu bevormun den. Unser Konzept zur Qualitätsentwicklung in der frühkind lichen Bildung ist gemeinsam mit den Trägern entwickelt. Au ßer Ihnen fühlt sich niemand bevormundet.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Warten wir einmal ab!)

Vor diesem Hintergrund ist das immer ein einfacher Vorwurf, aber es entspricht halt nicht der Realität.

Deshalb sind wir uns einig: Lassen Sie uns daran arbeiten, den Kindern in unserem Land bestmögliche Betreuung, qualitäts volle und verlässliche Betreuung zu gewährleisten. Dafür in vestieren wir viel Geld. Das ist gut investiertes Geld. Wir wer den die Mittel des „Gute Kita“-Gesetzes dafür einsetzen, ge meinsam noch intensiver daran arbeiten zu können.