Protokoll der Sitzung vom 20.12.2018

Herr Minister, was ich in Ihren Ausführungen vermisst habe – die Sie ja schon ein bisschen lieblos heruntergelesen haben;

(Zuruf von der CDU: Ha, ha!)

ich glaube, mit besonders viel Herzblut sind Sie nicht an die ses Thema herangegangen –, was ich völlig vermisst habe,

(Abg. Thomas Blenke CDU: Etwas Besseres fällt Ih nen nicht ein?)

war der Respekt vor der kommunalen Selbstverwaltung, vor der kommunalen Eigenverantwortlichkeit. Das habe ich ver misst, und das hätte ich von Ihnen als Minister, der ja auch für die Kommunen zuständig ist, doch erwartet.

Herr Abg. Stickelberger, las sen Sie eine Frage von Herrn Abg. Röhm zu?

Ja, bitte schön, Herr Kol lege Röhm.

Vielen Dank, Herr Kolle ge Stickelberger. – Ich habe folgende Frage: Wie steht der ehe malige Justizminister Stickelberger zu folgender Aussage des ehemaligen Justizministers Goll? Dieser hat in seiner Darle gung angedeutet, dass Mitte der Siebzigerjahre ein solches Gebilde, wie es letztendlich zustande gekommen ist, eben nicht zustande gekommen wäre, wenn eine Stadtkreisgrün dung angestanden hätte. Viele Gemeinden hätten sich näm lich für andere Landkreise entschieden.

Wie sieht es mit der Klarheit Ihrer Aussage, mit der Eindeu tigkeit Ihrer Entscheidung aus, wenn Sie auch das bedenken?

(Abg. Reinhold Gall SPD: Die Welt hat sich verän dert!)

Herr Kollege Röhm, wenn man auf die Historie zurückgreift – Kollege Dr. Goll hat das getan, auch der Herr Minister;

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Für Juristen ei ne gängige Auslegungsmethode!)

er ist ja am Anfang bis zu Preußen zurückgegangen –, dann frage ich mich schon, ob man sich damit vor den aktuellen Problemen nicht eigentlich eher drückt.

(Beifall bei der SPD)

Ich gestehe der Stadt Reutlingen und dem Landkreis Reutlin gen heute eine andere Bewertung zu, als sie vor 50 Jahren vor genommen wurde.

Was jetzt eingeleitet wird, dieser Prozess der Diskussion: Mir wurde berichtet, dass sich der Landkreis bisher solchen Ge sprächen eher verweigert hat. Ich frage mich, ob dieses Ver fahren dann künftig überhaupt zielführend ist.

(Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Herr Drexler hat sich schon beworben!)

Bescheiden, wie es der Herr Innenminister formuliert hat – er sprach von Anregungen, die jetzt in diesem Beschlussteil ent halten sind –: Das geht über das Niveau und die Qualität ei nes Vorworts eigentlich nicht hinaus.

Deshalb meinen wir: Mit dieser Entscheidung, die Sie heute vorschlagen, werden wir das Thema nicht erledigen können. Der Konflikt in der Koalition wird weiter schwelen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Gro ße Anfrage besprochen.

Wir haben jetzt noch über den Antrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU, Drucksache 16/5410, abzustim men. Sind die Antragsteller damit einverstanden, dass ich die sen Antrag insgesamt zur Abstimmung stelle? –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Das ist der Fall. Vielen Dank.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich jetzt um das Hand zeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dem Antrag Drucksache 16/5410 mehrheitlich zugestimmt. Vielen Dank.

Punkt 1 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung – Mögliche Konsequenzen eines Wechsels des Landkreises der Stadt Bad Herrenalb – Drucksache 16/3322

dazu gestellter Antrag:

Antrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU – Drucksache 16/5411

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der die Große Anfrage stellenden Fraktionen ei ne zusätzliche Redezeit von insgesamt fünf Minuten festge legt. Die Fraktion GRÜNE und die Fraktion der CDU sind übereingekommen, die für das Schlusswort zur Verfügung ste hende Redezeit zu teilen, sodass ihnen insgesamt jeweils 12,5 Minuten Redezeit zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren, auch zu diesem Punkt darf ich Gäs te auf der Besuchertribüne begrüßen. Ich begrüße Bürgerin nen und Bürger aus Bad Herrenalb und Umgebung, die an lässlich von Tagesordnungspunkt 2 die Debatte mitverfolgen. Besonders darf ich die Landräte aus Calw und Karlsruhe, Herrn Helmut Riegger und Herrn Dr. Christoph Schnaudigel, begrüßen. Ebenfalls unter den Gästen sind der Bürgermeister von Bad Herrenalb, Herr Norbert Mai, sowie Mitglieder des Gemeinderats.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich heiße Sie in der Plenar sitzung des Landtags von Baden-Württemberg herzlich will kommen und wünsche Ihnen eine informative Stunde, gute Eindrücke und interessante Begegnungen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

In der Aussprache erteile ich das Wort für die Fraktion GRÜ NE Frau Abg. Lisbach.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Anlass für die heutige Befassung mit dem Thema „Landkreiswechsel Bad Herrenalb“ ist der Bürgerent scheid vom Oktober 2016, der damals von der Bürgerinitiati ve „Sag Ja zum Landkreis Karlsruhe“ initiiert wurde und der

mit einer durchaus knappen Mehrheit, aber einer Mehrheit von 43 Stimmen für den Wechsel vom Landkreis Calw zum Landkreis Karlsruhe ausging. Die Stadt Bad Herrenalb hat da raufhin das Land aufgefordert, das Gesetz zur Umkreisung einzubringen.

Wir, die grüne Regierungsfraktion, haben diese Aufforderung sehr ernst genommen, haben Argumente für und gegen den Landkreiswechsel intensiv geprüft und beraten. Auch wir Landtagsabgeordneten der betroffenen und der benachbarten Wahlkreise haben uns sehr eingehend mit der Fragestellung befasst. Wir haben Gespräche mit Vertretern der Bürgeriniti ative und verschiedenen Beteiligten geführt. Seitens der Land tagsfraktion hatten wir Treffen mit der Bürgerinitiative, mit dem Bürgermeister von Bad Herrenalb, mit den beteiligten oder betroffenen Landräten. Natürlich haben wir uns auch mit dem Koalitionspartner intensiv beraten und eine gemeinsame Anhörung durchgeführt, bei der alle Beteiligten ihre Argu mente vorbringen konnten und bei der auch viele Fragen be antwortet wurden.

Als letzten Schritt zur Vorbereitung unserer Entscheidung ha ben wir dann die Große Anfrage eingebracht, um uns auch mit der Sichtweise der Landesregierung auseinanderzusetzen, und dabei immer auch das Ziel vor Augen gehabt, eine Entschei dung rechtzeitig vor den Kommunalwahlen zu treffen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, diese Auflistung zeigt schon: Wir haben sehr gründlich abgewogen, und wir haben uns die heutige Entscheidung sicherlich nicht leicht gemacht.

Neben dem Ergebnis des Bürgerentscheids, der für uns eine große Relevanz hat, müssen wir aber natürlich auch das öf fentliche Wohl in den Blick nehmen. Das wurde ja vorhin auch schon im Fall Reutlingen immer wieder zitiert. Die Landes verfassung und die Landkreisordnung zwingen uns dazu, auch das öffentliche Wohl, das Gemeinwohl zu betrachten und dann auch die überwiegenden Gründe jeweils in den Blick zu neh men.

Deswegen haben wir uns der Frage gestellt, welche Auswir kungen sich für die betroffenen Landkreise im Falle eines Landkreiswechsels ergeben: für den Landkreis, der Bad Her renalb verlieren würde, und auch für den, der Bad Herrenalb gegebenenfalls aufnehmen würde. Insbesondere haben wir auch geprüft, wie sich unsere Entscheidung auf die Bevölke rung auswirken würde. Wir haben uns in diesem Zusammen hang auch damit befasst, was der Landkreiswechsel denn ganz konkret vor Ort bedeuten würde im Hinblick auf die Präsenz von Polizei und Feuerwehr, im Hinblick auf die Gesundheits versorgung, für Schulen, für andere Bildungseinrichtungen und deren Erreichbarkeit.

Im Ergebnis sehen wir jetzt keine bzw. nur unwesentliche Aus wirkungen auf die öffentliche Daseinsvorsorge und auf die Versorgung der Bevölkerung. Wir sehen vor allem keine über wiegenden Gründe des öffentlichen Wohls, die einen Land kreiswechsel rechtfertigen würden. Deshalb besteht hier kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

Sehr wohl sehen wir aber das Potenzial zur Stärkung der in terkommunalen und auch der regionalen Zusammenarbeit. Hier sehen wir Chancen, die meines Erachtens oder unseres Erachtens auch dringend genutzt werden sollten, meine Da men und Herren.

Zu dieser Gesamtbewertung, zu der wir gekommen sind, will ich jetzt noch einige Aspekte aus den Stellungnahmen insbe sondere der Landkreise Calw und Karlsruhe nennen.

Der Landkreis Calw sieht bereits heute eine enge Verflech tung mit dem Landkreis Karlsruhe, stellt aber fest, dass diese Verflechtung und Zusammenarbeit auch intensiviert werden könnten. Der Landkreis Calw sieht Bad Herrenalb auch als wichtigen Teil seines Tourismuskonzepts innerhalb des Nord schwarzwalds, und er befürchtet bei einem Ausscheiden von Bad Herrenalb negative Auswirkungen auf andere Tourismus gemeinden, wenn dieser Leuchtturm Bad Herrenalb wegfal len würde.

Der Landkreis Calw erwartet auch eine geringere Auslastung bestehender Infrastruktur – das ist natürlich naheliegend –, wenn die Stadt Bad Herrenalb aus dem Landkreis ausschei den würde. Weil dann weniger Menschen diese Infrastruktur in Anspruch nehmen, würde das natürlich zu höheren Gebüh ren beispielsweise bei der Müllentsorgung führen.

Insgesamt sieht der Landkreis Calw bei einer Auskreisung bzw. einem Landkreiswechsel von Bad Herrenalb eine Beein trächtigung von Kosteneffizienz und von Bürgernähe, also durchaus deutliche negative Auswirkungen.

Der Landkreis Karlsruhe äußert sich in seiner Stellungnahme aus naheliegenden Gründen etwas zurückhaltender, aber auch hier überwiegt die Skepsis. Er sieht verschiedene negative fi nanzielle Auswirkungen auf die Stadt, auch wenn sich die Kreisumlage – darauf wurden wir noch einmal aufmerksam gemacht – je nach Kreistagsbeschluss dann natürlich verän dern kann. Es gibt aber auch andere negative finanzielle Aus wirkungen.

Der Landkreis Karlsruhe weist auch auf die Bedeutung der kreisübergreifenden Zusammenarbeit hin, z. B. bei Themen wie Digitalisierung, Tourismus und Schülerströme. Aber er weist auch darauf hin, dass die Kreisgrenze dabei keine Rol le spielt, dass diese Verflechtung heute bereits gelebt wird, dass sie auch funktioniert. Als ein schönes Beispiel wird hier auch das berufliche Bildungszentrum Ettlingen gesehen.