Protokoll der Sitzung vom 30.01.2019

Insoweit will ich Ihnen schon zurufen: Wir alle bejahen einen Digitalpakt, aber wir unterstützen den Ministerpräsidenten in der Haltung, dass das Ganze über den Weg eines Staatsver trags geregelt werden kann; das ist eine sinnvolle Lösung. Wir unterstützen auch das Ziel, dass man den Digitalpakt von der Frage einer Verfassungsänderung abkoppelt. Eine solche Ver fassungsänderung würde nämlich unseren Föderalismus und seine Spielregeln empfindlich verändern und vor allem die Achsen weiter in Richtung Zentralisierung verschieben. Die Digitalpaktgelder – das hat der Kollege Schwarz zu Recht ge sagt – sind in fünf Jahren ausgegeben, aber die neuen Rechte des Bundes zur Einmischung würden ewig bleiben; das wür den wir nie mehr zurückdrehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Das hieße einmal mehr: Geld gegen Macht. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Dagegen müssen wir uns wehren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Es bleibt auch dabei: Wir sollten uns an unserer Verfassung, an den Grundlagen des Föderalismus nicht ständig von Neu em zu schaffen machen. Gerade wir Landesparlamentarier sollten uns fragen: Rechtfertigen diese 5 Milliarden €, be grenzt auf fünf Jahre und verteilt auf 16 Länder, wirklich den Ausverkauf der wichtigsten Länderzuständigkeit? Denn wir müssen die Relation sehen; sie wurde angesprochen. Wir ge ben im laufenden Doppelhaushalt 23 Milliarden € in zwei Jah

ren für die Bildung aus. Die Digitalisierungsgelder des Bun des belaufen sich, heruntergebrochen auf Baden-Württem berg, auf 130 Millionen € in einem Jahr. Das ist weniger als 1 % dessen, was wir für die Bildung ausgeben. Wegen eines Aufwuchses des Bildungsetats um 1 % ändert man nicht das Grundgesetz, sondern das kann man anders vereinbaren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Trotzdem ist zu erwarten, dass sich einige Länder im Vermitt lungsverfahren eventuell herausbrechen lassen. Sie sagen ja, da gehe es manchem nur um die Finanzierung. Aber soll man sich für ein paar Prozentpünktchen mehr beim Finanzierungs schlüssel locken lassen? Für ein paar Silberlinge sollten wir unsere Hoheit nicht ausverkaufen. Das will ich hier deutlich sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Denn ich habe es als Bundesratsminister und Koordinator der Länder im Vermittlungsausschuss oft genug erlebt: Zum Schluss wird ein bisschen gefeilscht, viele Länder wollen mehr Geld, und dann wird irgendein Kompromiss gesucht. Ich hoffe nur, dass wir dem widerstehen – auch dieser finan ziellen Versuchung.

Wir stehen für die föderale Freiheit. Es wäre ein schlechter Deal für die Länder, und sie würden dem Bund zum Schnäpp chenpreis den direkten Zugriff auf das verschaffen, was das Bundesverfassungsgericht einmal „das Hausgut der Eigen staatlichkeit der Länder“ genannt hat.

Machen wir uns nichts vor: Die Verfassungsänderungen, die auf dem Tisch liegen, bedeuten trotz aller frommen Beteue rungen einen tiefen Eingriff in unsere originären vornehms ten Länderrechte. Was jetzt neu ins Grundgesetz hineinge schrieben werden soll, wird dann auch in der Bildungspolitik im Grunde genommen ein lupenreines Top-down-System schaffen. Der Bund macht die Ansage, und die Länder dürfen folgen.

Der neue Artikel 104 b würde eine ganze Maschinerie an Durchführungsregeln, Handreichungen, Berichtspflichten, Verwendungsprüfungen, Kontrollrechten nach sich ziehen, die die Länder nach und nach der Führung und Kontrolle durch den Bund unterwerfen. Ich frage Sie: Wollen wir das?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nein!)

Wir wollen doch nicht noch mehr Bürokratie. Wir wollen Ei genständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und die Kernhoheit schützen, und das ist die Bildung in diesem Land.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Das wird der Bund natürlich nutzen, um auch politisch und programmatisch zu sagen, wo es langgeht. Klammheimlich wird dann auch der Einfluss auf das pädagogische Personal gesichert. Das ist kein Detail, und das hat auch nichts mehr mit dem ursprünglichen Koalitionsvertrag der Partner zu tun. Ja, darum geht es.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Das meine ich! Wer hat es hineinverhandelt?)

Ja, ist schon klar.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Darüber können wir mal sprechen!)

Auch der Versuch dieser zusätzlichen föderalen Zumutung durch die Hintertür lässt den Respekt vor den Ländern ver missen.

Noch gravierender: Gerade wir, die Landtage als erste Gewalt der Länder, finden in diesem Setting gar nicht mehr statt. Wir haben aber Eigenstaatlichkeit, wir haben eine eigene Regie rung,

(Abg. Andreas Stoch SPD: Echt? Das merkt man gar nicht!)

wir haben ein eigenes Parlament, wir haben direkte Wahlen. Insoweit kann ich nur sagen: Unsere Gesetzgebungsbefugnis, unser Recht auch als Haushaltsgesetzgeber lassen wir nicht aushebeln. Auch das soll an diesem Tag gesagt sein.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Das wäre eine folgenschwere Entparlamentarisierung. Wir sa gen Nein. Es ist besser, Herr Kollege Rülke, das Grundgesetz nicht zu reformieren, als es falsch zu reformieren. Auch dar um muss es an einem solchen Tag gehen.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Der Weg über Artikel 106 wäre offen; es wäre auch ein Kö nigsweg. Gerade das zeigt: Wir wollen die Kulturhoheit der Länder schützen. Wir unterstützen den Ministerpräsidenten heute mit Nachdruck.

Insoweit will ich deutlich sagen: Es geht nicht um eine Klei nigkeit, sondern es geht auch um unser Selbstverständnis als Land, als Parlament in dieser Hoheit. Deshalb hoffen wir, dass wir Erfolg haben und zumindest mehr als ein Drittel weiter hin Nein sagt – auch im Vermittlungsausschuss.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Gögel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich muss, nach dem ich das schon im November tun musste, Sie und die ge samte Landesregierung wieder einmal loben.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das würde mir zu denken geben! – Zuruf der Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch)

Das Positive zu Beginn: Wir, die AfD-Fraktion, sind froh da rüber, dass sich die Landesregierung dazu durchgerungen hat, gegenüber der Bundesregierung die Bildungshoheit der Län der und ihre finanzielle Eigenständigkeit zu verteidigen. Da für vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Immerhin hat sie es geschafft, die Fahrt auf dem schnellen Dampfer der Digitalisierung ein wenig zu drosseln,

(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

um kurz vor dem Zusammenstoß mit dem Eisberg innezuhal ten und zu überlegen.

Immerhin, sie hat in diesem Punkt sogar die anderen Bundes länder zur Besinnung gebracht und so die nötigen Stimmen gewonnen, um die Grundgesetzänderung im ersten Anlauf zu verhindern.

Ich lobe hierbei insbesondere meine eigene Fraktion, die die se Grundgesetzänderung überhaupt erst öffentlich thematisiert hat.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Lobt die auch Sie?)

Insbesondere unser bildungspolitischer Sprecher, Herr Dr. Rainer Balzer, hat bereits im Juni vergangenen Jahres hier an diesem Ort angemahnt,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wo ist er?)

dass wir uns die Bildungshoheit vom Bund nicht abkaufen las sen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Er hat damals die Kultusministerin aufgefordert, im Namen unseres Bundeslands einen Alternativvorschlag im Bundesrat einzubringen, um die Bildungshoheit der Länder nicht zu ge fährden.

Gerade im Zuge der Digitalisierung besteht die Gefahr, dass über die Arbeitstechniken auch die Inhalte zentral bestimmt werden. Meine Damen und Herren, genau das gilt es zu ver hindern.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Das Problem bei einer 50:50-Finanzierung ist der Eingriff in die Gestaltungshoheit der Länder. Insbesondere trifft das na türlich finanzschwache Länder. Doch auch wir werden uns nicht auf diese Weise gängeln lassen wollen – Herr Reinhart, hier würden Sie mir zustimmen. Denn schwierig wird es dann bei den Folgekosten, wenn die 90:10-Finanzierung ausläuft und auf eine 50:50-Finanzierung zurückgefahren wird. Um einmal konkret zu werden: Die eingestellten Mitarbeiter, wie Systemadministratoren, Lehrer oder Fortbilder, müssen ja wei terbeschäftigt werden.

Eine Zusammenarbeit der Länder ist beim Thema Digitalisie rung unerlässlich, meine Damen und Herren. Die hohen Kos ten für die Lernsoftware „ella“ hätte man sich – im Nachhin ein ist man immer schlauer – sparen können. Es gibt bereits digitale Plattformen; man bräuchte sie nur auf unsere Bedürf nisse anzupassen.

Hier ist allerdings die Gefahr einer Zentralisierung besonders stark. Deshalb sollten die Länder – ohne die Einflussnahme des Bundes durch Ablehnung oder Gewährung von Zuschüs sen – zusammenarbeiten. Meine Damen und Herren, auch wir sind der Meinung, dass für den Digitalpakt eine Grundgesetz änderung nicht notwendig ist.