Ich erinnere mich noch gut an die Unkenrufe von Ihnen, ins besondere des Kollegen Rülke, der dargestellt hat, der Minis terpräsident sei isoliert. Das Gegenteil war der Fall.
Alle 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten spra chen sich gegen den fundamentalen Verkauf von Länderkom petenzen aus. Herr Kollege Rülke, putzen Sie mal wieder Ih re Glaskugel, wenn Sie meinen, Sie könnten in die Zukunft schauen.
Herr Kollege Stoch, aktuell spricht sich Ministerpräsidentin Dreyer, SPD, gegen die Änderung des Grundgesetzes aus.
Da hat Ministerpräsident Kretschmann noch eine weitere Un terstützerin gefunden. Klären Sie das dann mal in der SPD, wenn Sie ihm das vorwerfen. Da haben Sie zuerst einmal bei sich noch Diskussionsbedarf.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Reinhold Gall SPD: Auch noch Unfug erzählen! Das stimmt so nicht! Das ist einfach nicht wahr! – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)
Die Haltung des Ministerpräsidenten wird in der Fachwelt un terstützt. Ich zitiere den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistags, Professor Henneke. Er hat bei diesem Gesetz entwurf sogar von „Verfassungsschrott“, vom „Ausverkauf von Länderkompetenzen“ gesprochen. Ich finde, da hat er recht.
Der Politologe Martin Florack sagt, dieser Digitalpakt sei ein „Trojanisches Pferd des Bundes“. Er widerspreche eindeutig Länderinteressen. Ich finde, er hat recht. Renommierte Staats rechtler wie Professor Wieland aus Speyer oder Professor Bat tis sehen es ähnlich. Sie sagen – um sie zu zitieren –:
Die richtige Lösung wäre in der Tat, wenn der Bund den Ländern im Bildungsbereich einen Teil seiner Steuerer träge zukommen ließe, ohne dabei in die Länderkompe tenzen einzugreifen.
Umso unverständlicher ist es für mich, dass SPD und FDP/DVP für zeitlich befristete Mittel des Bundes Kompetenzen – Kern kompetenzen! – verkaufen wollen. Wir sind davon überzeugt, Bildungspolitik im Land zu machen, statt einem Zentralstaat das Wort zu reden.
Wir begrüßen den wegweisenden Vorschlag, den Sie, Herr Mi nisterpräsident, gemacht haben. Sie haben vorgeschlagen, un ter Beteiligung von Landtagsabgeordneten noch mal grund sätzlich darüber zu sprechen, wo sich unsere föderale Ord nung bewährt hat und wo es in der Erfolgsgeschichte des Fö deralismus noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt.
(Zuruf von der SPD: Das hat er doch gar nicht ge sagt! – Abg. Reinhold Gall SPD: Wann hat er das ge sagt? Das wäre ja etwas ganz Neues!)
Herr Ministerpräsident, das ist ja im Grunde genommen der Vorschlag für eine neue Föderalismuskommission. Wir begrü ßen diesen Vorschlag. Wir meinen, es ist grundsätzlich not wendig, die Gelder für die Digitalisierung sehr zügig in die Länder, in die Kommunen und in die Schulen zu bringen.
Völlig unabhängig davon muss man in Deutschland über die föderale Ordnung sprechen. Für uns gehören zur föderalen Ordnung starke Landesparlamente. Das ist nämlich eine Er folgsgeschichte, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir geben Ihnen Unterstützung, Herr Ministerpräsident, für die Sitzung des Vermittlungsausschusses heute Mittag.
Es war wichtig, dieses Stoppsignal an den Bund zu senden. Es ist ein baden-württembergischer Erfolg, dass alle 16 Mi nisterpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Ihnen gefolgt sind.
Ich bin davon überzeugt, dass gute Argumente ankommen. Ei ne Lösung über die Umsatzsteuer wäre der beste und der
Gewachsene Aufgaben der Länder bedeuten eben auch wach sende Mittel der Länder. So einfach könnte es sein, dauerhaft Mittel für die digitale Bildung bereitzustellen. Herr Minister präsident, wir wünschen Ihnen viel Erfolg in der Sitzung des Vermittlungsausschusses.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Brav hat er das gesagt! Er kriegt ein Sternchen!)
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Er hat die Landes-CDU vor Augen gehabt! – Abg. Sascha Bin der SPD: Dazu kommen wir bei Punkt 2 der Tages ordnung noch!)
Wenn wir heute den Ministerpräsidenten nicht unterstützen würden, würde dieses Parlament in seiner Hoheit einen gro ßen Fehler begehen; denn wir wollen nicht, dass wir überrollt werden. Wir wollen auch keine weitere schleichende Verlage rung. Alle 16 Länder haben die Grundgesetzänderungen ab gelehnt, und zwar geschlossen.
Herr Kollege Stoch, Sie haben vorgetragen, es sei nicht der richtige Anlass, um über die Aushöhlung des Föderalismus zu sprechen. Ich frage Sie: Wann, wenn nicht jetzt,
und wo, wenn nicht hier, müssen wir über diese so entschei dende Frage sprechen – wer, wenn nicht wir?
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Peter Hofelich SPD: Das ist doch von den „Höhnern“!)
Ich will schon hinzufügen: Sie sprechen nur über den Bun destag. Wir haben eine vertikale Gewaltenteilung, und es war eine historische Erfahrung, dass wir im Föderalismus Bund, Länder und Gemeinden haben.
Sie haben nur über den Bundestag gesprochen, aber nicht über die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der SPD-regier ten Länder. An elf der 16 Landesregierungen ist die SPD be teiligt, an drei übrigens, Herr Kollege Rülke, die FDP.
Ich zitiere Ihren Kollegen Weil. Er sprach von einem – Zitat – „unverhohlenen Eingriff in die Haushaltshoheit der Länder“.
Deshalb will ich noch ergänzend die Kollegin Dreyer aus un serem Nachbarbundesland zitieren. Sie sagt – Zitat –: „Wie durch die Hintertür soll das Selbstbestimmungsrecht der Län der beschnitten werden.“ Das sagt eine SPD-Ministerpräsi dentin.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Andreas Stoch SPD: Auch sie meint die Ko finanzierung!)
Ich kann Ihnen nur sagen: Heute und hier geht es nicht um parteipolitische Tagespolitik. Es geht um Grundsatzfragen un seres föderalen Staatsverständnisses. Darum geht es, und da rum muss es uns allen gehen.
Das betrifft Recht, Rang und Rolle der Länder in unserer Re publik, und das müssen wir ernst nehmen; diese Sache soll ten gerade wir Landesparlamentarier mit einer Stimme ver treten.
Niemand bestreitet, dass es richtig ist, mehr Geld für die di gitale Ausstattung unserer Schulen in die Hand zu nehmen. Wir brauchen auch digitale Technik, und wir brauchen dazu – das wurde zu Recht betont – gute pädagogische Konzepte an unseren Schulen.
Ich teile die Meinung der Kultusministerin, die zu Recht sagt: „Mit Wischen statt Lesen allein ist es nicht getan.“ Auch Bil dung ist mehr als eine Frage des Geldes. Sie ist eine Frage des Charakters. Wir wollen lebenstüchtige, selbstbestimmte, ei genverantwortliche Schüler mit Empathie. Darauf wird es an kommen.
Insoweit will ich Ihnen schon zurufen: Wir alle bejahen einen Digitalpakt, aber wir unterstützen den Ministerpräsidenten in der Haltung, dass das Ganze über den Weg eines Staatsver trags geregelt werden kann; das ist eine sinnvolle Lösung. Wir unterstützen auch das Ziel, dass man den Digitalpakt von der Frage einer Verfassungsänderung abkoppelt. Eine solche Ver fassungsänderung würde nämlich unseren Föderalismus und seine Spielregeln empfindlich verändern und vor allem die Achsen weiter in Richtung Zentralisierung verschieben. Die Digitalpaktgelder – das hat der Kollege Schwarz zu Recht ge sagt – sind in fünf Jahren ausgegeben, aber die neuen Rechte des Bundes zur Einmischung würden ewig bleiben; das wür den wir nie mehr zurückdrehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.