Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Herr Abg. Born, bitte, für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung würfelt völ lig unterschiedliche Maßnahmen in einem Gesetz zusammen – Trick 17, wenn man etwas verschleiern will.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Oh! – Abg. Dr. Rai ner Balzer AfD: Ich nicht! Ich habe nichts verschlei ert! – Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

In diesem Fall wird das – zu Recht – sehr, sehr kontroverse Thema Schülerzuweisung zusammengepackt mit ein bisschen Schulfrieden, bilingualer Grundschule, Zuschüssen für Inter nate und natürlich einer richtigen Rechtssicherheit für die ört lichen Schulordnungen. Ganz klar: Hier brauchen Lehrerin nen und Lehrer, hier brauchen Schulgemeinden auch Rechts sicherheit. Genauso war es richtig, was der Landesschülerbei rat gesagt hat, dass man natürlich auch der kommunikativen Lebensrealität der Schüler Rechnung tragen muss und am En de des Schultags das Handy wieder zurückgegeben werden muss.

Aber gehen wir auf den Kernbereich ein, nämlich die Geset zesänderung zur Schülerzuweisung. Diese hat weitreichende Folgen. Sie schränkt das elterliche Erziehungsrecht und das Grundrecht des Kindes und des Jugendlichen auf die freie Wahl seiner Ausbildungsstätte weiter ein. Die Landesregie rung und die Ministerin haben es hier auch noch einmal wie derholt. Als Zielsetzung wird in dem Gesetzentwurf genannt, die Gesetzesänderung diene der Umsetzung der Rechtspre chung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg.

Da lohnt es sich, einmal genauer zu schauen, worüber das Ge richt eigentlich entschieden hat. Das Gericht hat dieser Lan desregierung auf die Finger gehauen, weil sie die Interessen der Kinder und der Eltern nicht ausreichend berücksichtigt hat. Zwei Mal hat die Landesregierung vor Gericht verloren. Anstatt zwei Vollklatschen vor Gericht dazu zu nutzen, die ei gene Vorgehensweise kritisch zu reflektieren, schreibt sie sich nun ein Gesetz entsprechend ihrer eigenen rechtswidrigen Pra xis.

Das Schulamt Lörrach wollte sieben Kinder nicht an die von ihnen gewählte Gemeinschaftsschule lassen. Stattdessen wur den sie einer anderen Gemeinschaftsschule zugewiesen. Die Eltern klagten mit Erfolg vor dem Verwaltungsgericht Frei burg. Das Schulamt legte Beschwerde ein. Was sagte die nächsthöhere Instanz, der Verwaltungsgerichtshof Mannheim, dazu? Er wies die Beschwerde zurück. Die Eltern hatten Er folg.

Nun behauptet die Landesregierung, da würde irgendwo drin stehen, sie müsse ein Gesetz ändern. Was sie ändern müsste, ist ihre Haltung zur freien Schulwahl der Eltern und zur Er ziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Staat.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Die Landesregierung verschärft damit bewusst das Spannungs feld zwischen freier Schulwahl für Eltern und Kinder auf der einen und haushaltspolitischen Einsparungen auf der anderen Seite. Konkret heißt das, Schulämter dürfen Kinder nun auch

anderen Schulen zuweisen, um Ressourcen zu sparen. Sie kön nen so verhindern, dass neue Klassen eingerichtet werden.

Bislang waren die Hürden für eine solche Zwangszuweisung sehr hoch – zu Recht sehr hoch. Zulässige Gründe waren die Bildung gleich großer Klassen oder die Erschöpfung der Auf nahmekapazität einer Schule;

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist doch nicht unvernünftig, oder?)

die Zumutbarkeit für den Schüler musste dabei stets gewahrt bleiben.

Problematisch ist die Regelung, die Sie jetzt machen, weil demnach an Schulen gleichen Typs verwiesen werden darf, also z. B von einer Realschule an eine andere, völlig unabhän gig davon, welches Schulprofil die Schule hat. Will ein Kind gern eine Schule mit musischem oder sportlichem Profil be suchen, kann das Schulamt ihm das verwehren. Das ist für uns nicht die Erziehungspartnerschaft zwischen Land und Eltern.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie wollen Beliebigkeit!)

Dies geschieht nicht etwa deshalb, weil die Wunschschule aus allen Nähten platzen würde und dort nicht genug Lehrkräfte sind, sondern einfach aus dem Grund, weil es günstiger für das Land ist.

Im Übrigen betrifft diese Gesetzesänderung auch ausdrück lich die Grundschule. Normalerweise ist mit dem Wohnort auch der Schulbezirk festgelegt. Mit der neuen Regelung könnte das Schulamt aber auch eine Zuweisung an eine ande re Schule vornehmen. Der Grundsatz „Kurze Beine, kurze We ge“ wird von dieser Regierungskoalition innerhalb von zwei Wochen zwei Mal mit Füßen getreten.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das heißt ja nicht, dass der Weg dann weiter ist!)

Es kann aber so sein. – Sie sind hier gestanden und haben gesagt, Sie halten am Grundsatz „Kurze Beine, kurze Wege“ fest. Zwei Mal innerhalb von zwei Wochen haben Sie diesen Grundsatz hier mit Füßen getreten.

(Beifall bei der SPD)

Wir stehen dafür, dass es keine Verschärfung der Regelungen für Zwangszuweisungen von Kindern an Schulen gibt. Es gibt bereits jetzt genug Möglichkeiten im Gesetz. Was Sie hier ma chen, ist: Sie schaffen sich ein Schulgesetz nach Ressourcen, anstatt dass Sie versuchen, möglichst viele Ressourcen für die Schülerinnen und Schüler zur Verfügung zu stellen.

Wir wollen, dass jedes Kind sein Angebot erhält. Wir nehmen das Elternrecht ernst, wir nehmen die freie Schulwahl ernst. Es ist eine Blamage für Baden-Württemberg, dass beispiels weise die „Rhein-Neckar-Zeitung“ schreiben muss: „Das Ge richt verteidigt die freie Schulwahl gegen das Land.“ Wir, die SPD, machen das Gegenteil: Wir treten für die freie Schul wahl in Baden-Württemberg ein.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abg. Dr. Rülke, bit te, für die FDP/DVP.

(Abg. Anton Baron AfD: Bildungspolitischer Spre cher! – Vereinzelt Heiterkeit)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das von der Landesregie rung vorgelegte Paket von Gesetzesänderungen erfährt zum ganz überwiegenden Teil die Zustimmung der FDP/DVPFraktion, genauer gesagt: zu drei von vier Bestandteilen.

Folgende drei Elemente unterstützen wir: erstens den neuen Tatbestand zur Einziehung schulordnungswidrig mitgeführter oder verwendeter Sachen. Dass beispielsweise ein Handy vo rübergehend eingezogen werden kann, wenn die Schulord nung die Benutzung im Unterricht verbietet, ist eigentlich ei ne Selbstverständlichkeit und bereits jetzt vielerorts gelebte Praxis. Deshalb wird mit der Normierung an dieser Stelle Rechtsklarheit geschaffen und den Schulen der Rücken ge stärkt.

Zweitens unterstützen wir die Anpassung der Sachkostenzu schüsse für die Sonderberufsschulen und Sonderberufsfach schulen in freier Trägerschaft.

(Abg. Anton Baron AfD: Vorlesung!)

Bisher orientierte sich die Zuschusshöhe an den Berufs- bzw. den Berufsfachschulen – was zweifellos nicht sachgerecht war und vom Verwaltungsgerichtshof denn auch verworfen wur de.

Drittens erhält die Übernahme der beiden bisher nur als Schul versuch eingerichteten Deutsch-Französischen Grundschulen in Freiburg im Breisgau und in Stuttgart-Sillenbuch in die Re gelform unsere Unterstützung. Der Schulversuch wurde in den 1990er-Jahren gestartet und hatte deshalb nun ausreichend Zeit, sich zu bewähren – was ganz offensichtlich ja der Fall ist.

Bei diesen drei Elementen ließe sich allenfalls kritisch die Fra ge anmerken, warum sich die Landesregierung nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt dazu entschlossen hat, dies in Gesetzesform zu gießen.

Mit dem vierten Bestandteil des Gesetzespakets tun wir uns allerdings schwer. Es handelt sich um die Bestimmung zur Einschränkung der Wahlfreiheit hinsichtlich des Besuchs von Schulen. Dabei stellen wir nicht infrage, dass es grundsätz lich Möglichkeiten zum Ausgleich von Verwerfungen bei der Auslastung von Schulen geben muss. Es muss aber auf das gewählte Fächerprofil möglichst Rücksicht genommen wer den. Entsprechendes fordern ja auch der Landesschülerbeirat und der Landesschulbeirat; der Beamtenbund fordert dassel be für die Reihenfolge der Sprachen.

Auch nach Auffassung unserer Fraktion greift die alleinige Bestimmung zu kurz, es dürfe sich nur nicht um unterschied liche Schultypen handeln.

Auch der Verwaltungsgerichtshof bezeichnet es als nicht nach vollziehbar, dass die Wahl des Profilfachs nicht als entschei dungserhebliches Kriterium angesehen wird. Das war ein Zi tat aus der Entscheidung, die zu dem nun vorgelegten Gesetz entwurf geführt hat.

Gemäß Artikel 11 unserer Landesverfassung hat aber jeder junge Mensch ein Recht auf eine seiner Begabung entspre chende Erziehung und Ausbildung.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Andreas Ken ner SPD)

Ferner gilt es sicherzustellen, dass die Zuweisungsregelung nicht zulasten der dualen Ausbildung geht. Denn, wie der Landkreistag kritisch anmerkt, die Einschränkung der Wahl freiheit könnte gerade den Bereich der dualen Ausbildung be sonders empfindlich treffen.

Abgesehen von den längeren Schulwegen könnten die Betrie be Schüler in unterschiedlichen Schulen haben, was den Ver waltungsaufwand vergrößert und den Austausch der dualen Partner erschwert.

Die Zuweisung an unterschiedliche Schulen ist deshalb unbe dingt bei Schülern zu vermeiden, die mit demselben Betrieb in einem Ausbildungsverhältnis stehen. Denn dass Ausbil dungsplätze dem Bürokratismus zum Opfer fallen, dürfen wir uns in Baden-Württemberg unter gar keinen Umständen leis ten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da spricht ja nichts dagegen! Das lässt sich regeln!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Her ren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Aussprache beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/5421 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Kultus, Jugend und Sport zu überweisen. – Damit sind Sie einverstanden, und es ist so beschlossen.

Damit können wir Tagesordnungspunkt 5 abschließen.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Verkehr – Behördliches Mobilitätsmanage ment – Zwischenbilanz des JobTicket BW – Drucksache 16/1882