Protokoll der Sitzung vom 21.02.2019

Wichtiger als die Messstationen selbst werden jedoch die Kon sequenzen sein, die diese Landesregierung aus den neuen Er kenntnissen schlussfolgert. Denn so scheint es aktuell vielen Akteuren nicht um die Umwelt zu gehen, sondern allein um den Kampf gegen das Auto auf der Grundlage einer strengst möglichen Auslegung der Grenzwerte.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie des Abg. Bernd Gögel AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Werte sind auch so ein Thema, das so manchen von Ihnen eigentlich in Verlegenheit bringen müsste. So wird z. B. kräftig für eine Flottenerneuerung geworben – am besten schafft sich jeder Haushalt neben einem Stromer auch einige E-Bikes an –, ein Umstand, gegen den nichts einzuwenden wäre, wenn das nicht zeitgleich bedeuten würde, dass Hunderttausende von Fahr zeugen aus der Region in Drittländer verschifft werden oder gar verschrottet werden sollen – von den Auswirkungen der Batterieproduktion, der Förderung von Seltenen Erden oder von späteren Entsorgungsproblemen mal ganz zu schweigen. Es ist schon komisch, dass sich die Grünen daran gar nicht stören.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD so wie des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP – Abg. Thomas Poreski GRÜNE schüttelt den Kopf. – Zu ruf des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE)

Lieber Herr Kollege Katzenstein, diese Mentalität hat mit Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit nichts zu tun. Das ist reiner Zweckegoismus.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Ich hoffe, dass diese Überlegungen zukünftig auch eine Rol le spielen werden, und unterstreiche daher nochmals die mit Vorsicht zu genießende, im Ansatz positive Entwicklung, die sich aktuell bei diesem Thema abzeichnet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Abg. Thomas Poreski GRÜ NE: Wieder kein Wort zur Nachrüstung! – Gegenruf des Abg. Ramazan Selcuk SPD: Lesen Sie den Le serbrief! Dann wissen Sie, was ich von Ihrer Nach rüstung halte! – Weitere Zu- und Gegenrufe – Unru he)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Haußmann das Wort. – Herr Abg. Sel cuk hat keine Redezeit mehr. Die Debatte können Sie gern woanders führen. Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall)

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben der Pres se entnommen: Die Koalition hat sich jetzt wieder lieb, man hat sich geeinigt. Der Herr Ministerpräsident kann wieder be ruhigt schlafen; es hat offensichtlich auch ihn stark mitgenom men.

Wir stellen fest: Es bleiben sehr viele Fragen offen. In Stutt gart brodelt die Stimmung, und die CDU in Stuttgart meldet schon wieder neue Demonstrationen an.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Gegen sich selbst!)

So sieht es also aus, wenn man sich geeinigt hat – zulasten der Menschen in Stuttgart und in Baden-Württemberg. Hier blei ben viele Fragen offen.

Nach dieser Einigung gibt es – das sieht man, wenn man das Papier liest – aus unserer Sicht, aus Sicht der FDP/DVP-Frak

tion, noch viele, viele neue Fragen, die sich aufgrund Ihrer neuen Regelungen jetzt ergeben haben. Darauf möchte ich gern noch einmal eingehen.

Die FDP/DVP-Landtagsfraktion hat in der vergangenen Wo che ihr Positionspapier vorgestellt, auch mit der Konsequenz – nicht zuletzt aus der Entscheidung der EU-Kommission –, dass wir in Stuttgart ab sofort auf Fahrverbote auch für Euro-4-Die sel verzichten. Wenn Sie noch immer ein schlechtes Gewissen haben, was die Grenzwerte anbelangt, könnten Sie, wenn überhaupt, jetzt allenfalls noch streckenbezogene Verbote am Neckartor und in der Hohenheimer Straße begründbar anord nen. Das machen Sie aber nicht, und damit wissen wir: Sie verfolgen einfach die Zielrichtung, den Autoverkehr aus Stutt gart zu verbannen, koste es, was es wolle.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Wir haben ganz bewusst auch hier im Parlament ein Morato rium gefordert, eine Überprüfung der Thematik der Messstel len und der Grenzwerte. Wenn wir jetzt verfolgen, wie die ak tuelle Diskussion läuft, Herr Minister Hermann, dass Sie jetzt sagen, bei den Dauermessstellen sollten gar nicht mehr die höchsten Messwerte zugrunde gelegt werden, dann fragen wir uns schon: Wie läuft eigentlich die Bewertung?

Ich habe mich am Montag an die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg gewandt mit der Frage: Wie soll aus wis senschaftlicher Sicht die Bewertung erfolgen? Ich habe die Information bekommen, und wir leiten die Nachricht an das Verkehrsministerium weiter.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Insofern stelle ich fest: Zum einen erhalten die Abgeordneten keine Information von wissenschaftlichen Einrichtungen un seres Landes, zum anderen werden diese Dinge offensichtlich im Ministerium politisch entschieden.

(Abg. Stefan Herre AfD: So ist es!)

Wenn dies die Art ist, lieber Herr Katzenstein, wie Sie Politik machen, brauchen wir das Moratorium dringender denn je.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Heute lese ich in der WELT, es solle nur der zweithöchste Messwert bewertet werden. Wenn ich mir einmal die Passiv sammler rund um das Neckartor anschaue, frage ich mich: Wieso nehmen Sie den zweithöchsten Messwert? Vielleicht erklären Sie nachher noch, Herr Minister, wie das genau lau fen soll. Warum nehmen wir nicht den dritthöchsten Wert oder den Durchschnitt?

Der Durchschnitt wäre im Übrigen 2017 besser gewesen, denn Sie haben vorsorglich veranlasst, dass zwei Passivsammler auf der anderen Seite des Neckartors abgebaut werden, damit diese niedrigen Werte nicht mehr in die Relation kommen. Ich möchte also schon fragen, woher die wissenschaftliche Be gründung kommt. Sie betreiben eine Politik, die rein auf Ideo logie beruht, und deshalb brauchen wir ein Moratorium.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD – Abg. Stefan Herre AfD: So ist es!)

Wir haben einen Faktencheck gefordert, und wir haben auch Innovationen und Investitionen gefordert. Viele der Innovati onen haben Sie in Ihrem Papier aufgeführt. Das haben wir schon in der letzten Legislaturperiode gefordert. Das Ver kehrsministerium hat immer erklärt, warum es nicht gehe. Jetzt geht es offensichtlich. Da frage ich mich: Wer hat denn seit 2011 in Baden-Württemberg die Verkehrspolitik gemacht? Wer war das? Verkehrsminister Hermann. Sie haben eine gan ze Menge zu verantworten. Dass es jetzt Fahrverbote gibt, das haben Sie in Baden-Württemberg zu verantworten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Diese Fahrverbote sind unsozial, wirtschaftsfeindlich und ökologisch schwachsinnig.

(Zuruf von der AfD: So ist es! – Zuruf des Abg. Her mann Katzenstein GRÜNE)

Ich möchte auf drei Punkte eingehen. Unsozial sind sie inso fern, als Sie vorgeben: Wenn jemand mehr als 1 130 € ver dient, kann er sich ein Auto leisten. Das halte ich schon ein mal für einen stolzen Wert. Und Sie haben lange Zeit die Park häuser und die Park-and-ride-Plätze ausgesperrt. Wir haben schon seit längerer Zeit die Freigabe gefordert.

Wirtschaftsfeindlich sind die Fahrverbote deswegen, weil Sie 120 Kfz-Betriebe in Stuttgart angreifen; die sind in ihrer Exis tenzgrundlage gefährdet. Es gibt Kfz-Betriebe, die bis zu 50 % Euro-4-Fahrzeuge betreuen. Mit welcher Logik sperren Sie einen Kfz-Betrieb in Stuttgart-Weilimdorf – 300 m von der Umweltzone entfernt –, der vorwiegend Lkws wartet, aus? Ich würde als Vertreter des Stadtbezirks Weilimdorf die Auskrei sung nach Korntal beantragen, damit Sie diesen Stadtbezirk ausnehmen. Das, was Sie hier durchführen, ist völlig unver antwortlich.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Viele Mitarbeiter müssen beruflich nach Stuttgart. Wenn Sie denen sagen, sie hätten Pech gehabt, sie verdienten mehr als 1 130 €, müssen Sie mir noch einmal erklären, inwiefern das sozial ist. Das kann ich nicht nachvollziehen.

(Zuruf von der AfD: Eine asoziale Politik! – Zuruf des Abg. Klaus Dürr AfD)

Ein dritter Punkt: Es ist ökologisch unsinnig, wenn Sie einen Umfahrungstourismus um Stuttgart herum bekommen, und es ist ökologisch völlig unsinnig, dass Sie die Busspur verlän gern und dadurch neue Belastungen erzeugen. Das darf nicht sein.

Schließen will ich mit einer Aussage von Jean-Claude Jun cker, der hier den größten Applaus bekommen hat, als er in dieser Woche eine gute Rede gehalten hat. Er hat, wie in der „Stuttgarter Zeitung“ zu lesen ist, gesagt, er würde sich wün schen, dass Stuttgart mit den Fahrverboten sozialer umgeht. Sie haben jetzt die Möglichkeit dazu. Werden Sie aktiv.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Ich habe keine Wortmeldung von Regierungsseite.

(Minister Winfried Hermann: Ich verzichte!)

Wir kommen nun zur zweiten Runde. Herr Abg. Gögel, Sie haben noch Zeit. – Dann spricht für die AfD-Fraktion Herr Fraktionsvorsitzender Gögel.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja, was ist mit der Landesregierung?)

Man kann niemanden zum Reden zwingen. Die Regierung spricht, wenn sie sprechen will; dann meldet sie sich.

(Abg. Stefan Herre AfD: Das ist ja ein Offenbarungs eid! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Der ist sprachlos! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Ein Novum! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie sehen mich auch etwas verwundert. Wenn der Ver kehrsminister sprachlos ist, dann haben wir den Punkt erreicht,

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

dass er vielleicht tatsächlich Konsequenzen ziehen möchte und seine Demission als Verkehrsminister einreicht.