Protokoll der Sitzung vom 20.03.2019

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Bildungsministerin Dr. Susanne Eisenmann hat beim Fachtag für berufliche Orientierung an den Haupt- und Werkrealschu len zahlreiche Maßnahmen erläutert. Das wird sie im An schluss ebenfalls noch tun. Deswegen möchte ich lieber auf einen weiteren Gedanken abzielen, der mir in dieser Hinsicht sehr wichtig ist.

Es geht uns doch nicht um Schulstrukturdebatten oder um Tür schilder oder Fassaden. Es geht darum, dass wir ein Problem mit denen haben, die den Mindeststandard nicht erreichen. Diese Zahl steigt in allen Leistungsstufen. Dafür brauchen wir Antworten. Der Fachkräftemangel – das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb Sie heute mit so einem Gesetzentwurf kommen; die Mittelständler sitzen an den Stammtischen und sagen: „Tut einmal was, die jungen Leute haben keine Ahnung mehr von der Wirtschaft“ – hat auch damit zu tun, dass zu vie le Menschen erst einmal einen falschen Weg einschlagen, be vor sie sich ihrer Stärken besinnen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

dass Basiskompetenzen wie Rechnen, Lesen und Schreiben – und zwar auf Deutsch – oft nicht die Aufmerksamkeit genie ßen, die sie haben sollten, dass Tugenden wie Einsatzbereit schaft, Fleiß, Respekt im Umgang miteinander, Pünktlichkeit und Gründlichkeit nicht mehr in dem Maß vorhanden sind, wie das einst der Fall war.

Schön war die Zeit, ja. Aber das kann sie nur wieder werden, wenn man einer ehrlichen Analyse eine praxistaugliche Ant wort gegenüberstellt. Das sehen wir im aktuellen Gesetzent wurf der FDP/DVP nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Jetzt spricht Herr Abg. Räpple für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Präsidentin! Die FDP/DVP hat einen Gesetzentwurf ein gebracht. Ich freue mich darauf und bin immer gespannt, was von dieser Fraktion an Innovationen für unser Land kommt. Ich möchte das auch positiv bewerten: Ich finde es gut, dass die FDP/DVP daran denkt, den Ruf der Hauptschulen, der Werkrealschulen zu verbessern und dafür zu sorgen, dass mehr Praxisnähe an den Schulen in unserem Land einzieht. Das ist sehr zu begrüßen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos])

Darum war ich am Anfang auch wirklich positiv gestimmt und habe einmal angefangen, den Gesetzentwurf zu lesen.

(Abg. Raimund Haser CDU: Das ist immer eine gu te Voraussetzung! Das kann ich nur empfehlen! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wie weit sind Sie gekommen?)

Nur habe ich dann festgestellt, dass es ein bisschen anders ist, als ich es mir am Anfang eingebildet habe.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Gott sei Dank!)

Ja, genau.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Und zwar geht es nicht darum, mehr Praxis in den Unterricht zu integrieren, sondern nur darum, den Namen Hauptschule jetzt in „Berufliche Realschule“ zu ändern und letztendlich den Unterricht an eine sehr erfolgreiche Schulform auszula gern.

Meine Damen und Herren, das ist zu wenig. Wir müssen da für sorgen, dass an den Hauptschulen qualitativ hochwertiger Unterricht erteilt wird, und auch mehr Praxisinhalte in den Unterricht integrieren, sollten aber nicht versuchen, die Miss stände, die an den Hauptschulen bestehen, durch die sehr gu te Lehre, die an den beruflichen Schulen stattfindet, auszuglei chen.

Warum sind die beruflichen Schulen im Vergleich mit den Hauptschulen so erfolgreich? Erstens durch das duale System, durch die Vermischung von Theorie und Praxis. Die an der Schule gelernten theoretischen Inhalte werden in den Betrie ben aufgefrischt und gleich in Anwendung umgesetzt. Da durch lassen sich die Inhalte theoretischer, kognitiver Fächer natürlich viel besser aufnehmen, die Schüler können sich die theoretischen Inhalte länger merken, wenn diese gleich in der Praxis angewandt und umgesetzt werden.

Andererseits heißt die Hauptschule, die Werkrealschule zwar „Werkrealschule“, aber was wird dort letztendlich gelehrt? Dort werden auch nur rein kognitive Fächer unterrichtet. Es wird sehr, sehr wenig praktisch getan. Durch den Fächerver bund MNT – Materie, Natur, Technik – ist natürlich schon ein Schritt zur Erhöhung der praktischen Anteile an der Werkre alschule gegangen worden, aber das ist noch lange nicht ge nug.

Es gibt Menschen, die kognitive Fähigkeiten haben, und an dere Menschen, die sehr stark über praktische Ausprägungen verfügen. Letzteren müssen wir viel mehr gerecht werden. Es ist kaum ein Unterschied zwischen Realschulen und Werkre alschulen feststellbar, schon vom Profil her nicht. Das sind Punkte, an denen wir ansetzen müssen.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Woher kommt der schlechte Ruf der Hauptschüler, der Werk realschüler oder letztlich auch der handwerklichen Ausbil dung? Na ja: Durch den Wegfall der verbindlichen Grund schulempfehlung möchte jeder für sein Kind das Maximum erreichen. Es wird suggeriert, jeder, der keine akademische

Ausbildung habe, sei in unserer Gesellschaft nicht verwert bar. Da mache ich der Politik einen Vorwurf,

(Zuruf von der CDU: Sie sind Politiker!)

ich mache aber auch den Medien einen Vorwurf, die diese Ste reotypen von den erfolgreichen Akademikern und den erfolg losen Handwerkern immer weiter und weiter tragen und in un serer Gesellschaft zementieren.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Gut, was ist der Ausweg? Wie kommen wir aus der Bredouil le heraus? Der Gesetzentwurf der FDP/DVP ist meiner Mei nung nach nicht umsetzbar; die Kollegin hat es schon benannt. Das ist natürlich schwierig. Ich komme aus einem Dorf im Schwarzwald, aus Bad Peterstal-Griesbach. Die nächste Be rufsschule befindet sich 40 km entfernt in Kehl, wo ich mei ne Ausbildung als Konditor gemacht habe.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und abgeschlos sen! Können Sie hier mal eine Kostprobe geben? Mal sehen, wie die Ausbildung war, ob sie gewirkt hat!)

Herr Röhm, das würde Ihnen gefallen: eine Schwarzwälder Kirschtorte. Das kann ich mir schon vorstellen.

(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Ich möchte auch nicht weiter von fettgefressenen Politikern sprechen, sondern ich denke, dass wir hier auch Politik zum Wohle des Volkes machen und nicht immer nur ans Essen den ken.

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Es geht um Ihre Fachkompetenz!)

Daher schlage ich vor, dass wir uns wirklich auch an der Re alität der Menschen, an der Lebenswirklichkeit orientieren. Damit haben natürlich viele akademisch geprägte Politiker ein Problem. Ich als Handwerker weiß, wo die Probleme liegen.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Handwerker!)

Wie sollen die Eltern von Schülern, wenn diese einmal in der Woche von Bad Peterstal ins 40 km entfernte Kehl transpor tiert werden müssen – – Wie soll es logistisch gelöst werden, wenn in der zehnten Klasse der Unterricht plötzlich an zwei Tagen im 40 km entfernten Kehl stattfindet?

Herr Abg. Räpple, bitte kommen Sie zum Schluss.

Danke, Frau Präsidentin. Das ist mein letzter Satz. – Das ist eine logistische Herausforderung. Die einzige Antwort, die die FDP/DVP in ihrem Gesetzent wurf gibt, ist die: Es müssen Lösungen gefunden werden. Mei ne Damen und Herren, für ein Legislativorgan, für eine Frak tion in der Legislative ist das deutlich zu wenig. Deswegen warte ich auf die Zweite Beratung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Herr Abg. Kleinböck, bit te, für die SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich will gleich zu Beginn deutlich sa gen: Das, was die FDP/DVP mit ihrem Gesetzentwurf hier vorlegt, ist nichts weiter als ein erneuter Versuch zur Rettung der Hauptschulen. Was Schwarz-Gelb vor vielen Jahren mit der Einführung der Werkrealschule gestartet hat, war ja ein Flop, wie wir mittlerweile wissen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nein, Sie haben ihr keine Chance gegeben! – Gegenruf des Abg. Dr. Ste fan Fulst-Blei SPD: Ach Gott!)

Ja, ja. Ich komme darauf noch zu sprechen, Kollege Röhm.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist nett! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Also gibt er es zu!)

Die Umsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfs wäre auch nichts anderes als ein weiterer Rohrkrepierer, ein weiterer Flop. Ich denke, dazu wird es nicht kommen. Ich habe mit In teresse gehört, was die anderen Kolleginnen und Kollegen hier gesagt haben.

In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Hauptschulen und die Werkrealschulen kein Zukunftsmodell sind. Die Ar beit der Lehrkräfte dort ist unbestritten gut, aber die Anforde rungen der Berufswelt – auch das muss man deutlich sagen – haben sich verändert, und andere Bildungswege sind für jun ge Menschen attraktiver geworden.

Notwendig und sinnvoll ist daher die Weiterentwicklung der Hauptschulen und der Werkrealschulen zu einer integrierten Schulform, die mehrere Abschlüsse anbietet. Viele haben sich ja schon auf den Weg gemacht, und diese Weiterentwicklung sieht auch der Gesetzentwurf der FDP/DVP vor.

(Zuruf des Abg. Raimund Haser CDU)

Nur denkt sie diesen Ansatz nicht konstruktiv weiter und schlägt mal wieder eine reine Umetikettierung sowie eine wei tere zusätzliche Schulart im Dschungel von Bildungswegen in diesem Land vor.